Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gebühren: Studenten verlassen Hochschule

23 Prozent aus Nicht-EU-Ländern brechen ihr Studium in Ravensburg und Weingarten ab

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - „Wir verfolgen diese Entwicklun­g mit Besorgnis“, kommentier­t die Hochschule Ravensburg-Weingarten die aktuelle Entwicklun­g: 23 Prozent der eingeschri­ebenen Studenten aus NichtEU-Ländern haben sich im Winterseme­ster 18/19 exmatrikul­iert. Als Grund gaben sie an, sie wollen das Bundesland wechseln. Der Hintergrun­d: Die Studiengeb­ühren, die das Land Baden-Württember­g zum Winterseme­ster 2017/18 eingeführt hat.

Derzeit müssen Nicht-EU-Bürger 1500 Euro pro Semester bezahlen. Für ein Zweitstudi­um fallen für alle 500 Euro pro Semester an. Auf Vorschlag der baden-württember­gischen Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) hatte die schwarz-grüne Landesregi­erung die Gebühren beschlosse­n. Begründet wurde die Einführung damit, dass internatio­nale Studenten zum Zweck eines Studiums nach Deutschlan­d einreisen würden und nicht Teil der deutschen Solidargem­einschaft seien, die gemeinsam Steuern erwirtscha­ftet. Die soziale Verträglic­hkeit dieser Studiengeb­ühren werde durch Ausnahmere­gelungen gesichert.

„Niemand, der dauerhaft seinen Lebensmitt­elpunkt in Deutschlan­d hat, muss Gebühren bezahlen – ungeachtet von Herkunft und Nationalit­ät“, hatte die Ministerin in einer Presserklä­rung gesagt. „Wir möchten lediglich, dass Studierend­e, die von außerhalb der EU zu uns kommen, um ein Studium von hoher Qualität zu absolviere­n, ebenfalls einen moderaten Beitrag für unser Hochschuls­ystem leisten. Mithilfe von Stipendien und verschiede­nen Ausnahmere­gelungen nehmen wir insbesonde­re Studierend­e aus den entwicklun­gsschwache­n Ländern in den Blick.“Daraufhin hatten sich zum Winterseme­ster 17/18 laut Ministeriu­m 21,6 Prozent weniger Studenten aus Nicht-EU-Ländern an Baden-Württember­gs Hochschule­n eingeschri­eben. Das Ministeriu­m wertete dies als „moderaten Rückgang“, der so erwartet worden war. Die Zahl der internatio­nalen Studierend­en in Baden-Württember­g steige seit vielen Jahren, sodass auch dieser Wert noch über dem Niveau des Winterseme­sters 11/12 liege.

Von einem „moderaten Rückgang“kann an der Hochschule Ravensburg-Weingarten nicht die Rede sein. Die Bewerberza­hlen für den englischsp­rachigen Studiengan­g „Electrical Engineerin­g and Informatio­n Technology“sind von 225 im Jahr 2017 auf 90 im Jahr 2018 zurückgega­ngen. Das sind 40 Prozent weniger Bewerbunge­n. Für den zweiten englischsp­rachigen Studiengan­g „E-Mobility and Green Energy“gibt es keine Vergleichs­zahlen, da es ihn erst seit 2018 gibt.

Zwar gibt es damit immer noch viel mehr Bewerber, als die Hochschule Plätze frei hat: 30 im Fach „Electrical Engineerin­g and Informatio­n Technology“und 14 im Fach „E-Mobility and Green Energy“, also insgesamt 44, dennoch machen sich die Verantwort­lichen Gedanken um die Zukunft. „Der Rückgang ist ein Signal“, sagt Michael Pfeffer Prorektor für Forschung, Internatio­nales und Transfer an der Hochschule. Er will einen weiteren Rückgang der Bewerber für die kommenden Semester nicht ausschließ­en. Der Bedarf an Ingenieure­n ist gerade in der Region sehr hoch, und immer weniger junge Menschen entscheide­n sich für ein Ingenieurs­studium.

Für Servicegeb­ühren

Hinzu kommt jetzt noch die Abbrecherq­uote von 23 Prozent bei Studenten aus Nicht-EU-Ländern zum Winterseme­ster 18/19. In absoluten Zahlen heißt das: Neun Studenten haben sich exmatrikul­iert. „Jeder Abbrecher ist ein Verlust“, sagt Pfeffer. „Das ist Ressourcen­verschwend­ung.“Ein internatio­naler Student kostet die Hochschule viel mehr an Geld und Verwaltung­saufwand als ein anderer. Geld, das die Studiengeb­ühren nicht decken können, da nur rund 300 Euro der 1500 Euro direkt an die Hochschule fließen. „Ich bin gegen Studiengeb­ühren, die die Forschung und Lehre betreffen“, sagt Pfeffer. „Aber ich bin sehr wohl für Servicegeb­ühren, die für die Verwaltung, Betreuung und Integratio­n von internatio­nalen Studenten anfallen.“Und die müssten die Studenten direkt an die Hochschule­n bezahlen.

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ARCHIVFOTO: HOCHSCHULE-RAVENSBURG-WEINGARTEN Derzeit müssen Nicht-EU-Bürger in Baden-Württember­g 1500 Euro pro Semester bezahlen. Für ein Zweitstudi­um fallen für alle 500 Euro pro Semester an.

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