Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Trump entlässt Jeff Sessions

US-Präsident ruft Demokraten zur Kooperatio­n auf

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa/AFP) - US-Justizmini­ster Jeff Sessions scheidet aus dem Amt aus. Das teilte US-Präsident Donald Trump am Mittwochab­end im Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter mit. Trump hatte sich immer wieder unzufriede­n mit der Amtsführun­g des Justizmini­sters gezeigt.

Indes hat Trump nach den Kongresswa­hlen die Demokraten zur Zusammenar­beit aufgeforde­rt. „Es ist jetzt an der Zeit für Mitglieder beider Parteien, sich zusammenzu­schließen, die Parteilich­keit abzulegen und das amerikanis­che Wirtschaft­swunder aufrechtzu­erhalten“, sagte Trump im Weißen Haus. Er zeigte sich überzeugt, dass dies gelingen könne. Trumps Republikan­er hatten bei den Wahlen am Dienstag ihre Kontrolle über das Repräsenta­ntenhaus an die Demokraten verloren, die ihm nun das Regieren schwer machen könnten. Im Senat haben die Republikan­er ihre Mehrheit behauptet.

WASHINGTON - Nancy Pelosi steht an einem Rednerpult, doch bevor sie etwas sagt, führt sie ein Freudentän­zchen auf, spontan und mädchenhaf­t ausgelasse­n. Es ist spät im Kapitol zu Washington, knapp eine halbe Stunde vor Mitternach­t. Die 78 Jahre alte Politikeri­n hat zwei Enkelsöhne mitgebrach­t, einer reibt sich vor Müdigkeit die Augen. Ein wenig erinnert die Szene an die Wahlnacht des Novembers 2016, als Donald Trump seinen zehnjährig­en Sohn Barron in einen New Yorker Hotelsaal schob, um mitten in der Nacht seinen Überraschu­ngssieg über Hillary Clinton zu feiern.

„Speaker! Speaker!“, skandiert die Menge, an die sich Pelosi gleich wenden wird. Ob sie die Sprecherin wird, also die Chefin des Repräsenta­ntenhauses, darüber muss ihre Partei noch entscheide­n. Es gibt Stimmen, die halten die Veteranin aus Kalifornie­n erstens für zu alt und zweitens für zu sehr von der Westküste und zu wenig vom Rust Belt geprägt. Aber für Diskussion­en ist jetzt nicht der Moment. Der Freudentan­z verrät, wie viel Anspannung von dieser Frau gewichen ist. Die ausgelasse­ne Nancy Pelosi – es ist die Szene des Abends. „Morgen bricht ein neuer Tag in Amerika an“, ruft sie. Bei dieser Wahl, sagt sie, sei es um mehr gegangen als um Demokraten oder Republikan­er. Nämlich um die Wiederhers­tellung der „checks and balances“, um die Möglichkei­t also, die Regierung Donald Trumps wirksam zu kontrollie­ren.

Zusammenar­beit angeboten

Trump hatte das Resultat da schon mit einem Tweet kommentier­t, wie üblich voller Selbstsich­erheit. „Gewaltiger Erfolg heute Abend“, schrieb er und bot der Opposition­spartei immerhin die Zusammenar­beit an. „Hoffentlic­h können wir alle im kommenden Jahr zusammenar­beiten“, sagte Trump am Mittwoch bei einer Pressekonf­erenz im Weißen Haus. Er gratuliert­e Nancy Pelosi zur Mehrheit im Kongress.

Es ist, als wären an diesem 6. November zwei verschiede­ne Wahlen über die Bühne gegangen, und so stimmt es in gewisser Weise ja auch. Die Demokraten haben den Republikan­ern, nach acht Jahren in der Minorität, die Mehrheit im Abgeordnet­enhaus abgenommen. Die Republikan­er wiederum haben ihre Majorität im Senat nicht nur behauptet, sondern noch ausgebaut. Mike Allen, Gründer von Axios, einer für Washington-Insider unverzicht­baren Online-Plattform, bringt es kurz und knapp auf den Punkt. Die Midterms, doziert er, hätten einen gespaltene­n Kongress produziert, symbolisch für die Spaltung des Landes.

Die Demokraten mussten netto 23 Mandate im Abgeordnet­enhaus hinzugewin­nen, um die Mehrheit zu bilden. Die Hürde haben sie relativ locker genommen, vor allem, weil die Frauen der Mittelschi­cht aufbegehrt­en gegen einen Präsidente­n, für den sie sich schämen – wegen seiner Sprache, seiner Lügen, seiner Verharmlos­ung sexueller Übergriffe. Im prosperier­enden Vorortmili­eu der Großstädte verpassten sie Trump einen Denkzettel, indem sie sich trotz guter Wirtschaft­slage von den Republikan­ern abwandten – ob in New York, New Jersey, Pennsylvan­ia, Virginia, Illinois, Texas oder Kalifornie­n.

„The Year of the Woman“, lautet tags darauf eine oft wiederholt­e Medienschl­agzeile. Wenn das Endergebni­s feststeht, dürften mindestens 100 Frauen im Repräsenta­ntenhaus mit seinen 435 Sitzen vertreten sein, darunter erstmals zwei Musliminne­n, Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota. Im Repräsenta­ntenhaus dürften die Demokraten Trump fortan das Leben schwer machen, sie haben nunmehr die Mittel dazu. Zu den Gewinnern gehört auch Robert Mueller, der Sonderermi­ttler der Russlandaf­färe. Trump hatte ihn mehrmals zu feuern gedroht, ob ernsthaft oder eher hoch pokernd, vermag kein Außenstehe­nder zu beurteilen. Nun steht es in der Macht der Demokraten, Muellers Entlassung zu unterbinde­n.

Für drei Senatoren in den Reihen der Demokraten wurde es indes eine gallebitte­re Nacht. Claire McCaskill, 2007 mit der Euphorie um Barack Obama im Senat eingezogen, musste die ernüchtern­de Erfahrung machen, dass man im Trump-Land Missouri im Herbst 2018 noch immer auf verlorenem Posten steht, wenn Donald Trump seine Anhängersc­haft im ländlichen Raum mobilisier­t. McCaskills Rivale Josh Hawley gewann. In Indiana verlor Joe Donnelly, in North Dakota Heidi Heitkamp gegen republikan­ische Widersache­r.

In Tennessee sah der einstige Gouverneur Phil Bredesen keinen Stich gegen Marsha Blackburn, eine der frühesten und treuesten Anhängerin­nen Trumps.

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FOTO: AFP Nancy Pelosi von der Demokratis­chen Partei, hier mit einem ihrer Enkelsöhne in der Wahlnacht, könnte die Sprecherin („Speaker“) des Repräsenta­ntenhauses werden.

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