Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ältere oft Ziel von Betrügern

Senioren werden häufiger Opfer falscher Polizisten

- Von Dirk Grupe und Agentur

WEINSTADT/HEIDELBERG (dpa/ lsw) - Erneut ist eine Seniorin Opfer falscher Polizisten geworden. Wie die echte Polizei am Mittwoch mitteilte, ereignete sich der Fall vergangene Woche in Weinstadt (RemsMurr-Kreis). Am Telefon gaukelten Betrüger der Frau – unter Mithilfe eines Bankmitarb­eiters – vor, dass bei ihr mit einem Einbruch zu rechnen sei. Zugleich sei ihr Vermögen auch auf der Bank nicht mehr sicher. Die Seniorin brachte Wertsachen und Geld im Wert von mehr als 30 000 Euro an einen vereinbart­en Ort, wo es die Betrüger abholten.

Immer wieder gelingt es Betrügern, sich vor Senioren als Polizist auszugeben und sie abzuzocken. In Heidelberg begann am Mittwoch ein solcher Prozess. Die Zahl der Fälle steigt im Südwesten: waren es 2016 noch 225, zählte die Polizei 2017 bereits knapp 2000. Rund 5,3 Millionen Euro ergaunerte­n falsche Polizisten letztes Jahr im Südwesten.

RAVENSBURG - Nach Telefonter­ror und Dauerdruck war Susanne K. (Name geändert) nicht nur um 300 000 Euro ärmer, sondern psychisch auch am Ende. Verängstig­t, innerlich aufgelöst, ja, willenlos den abenteuerl­ichen Forderunge­n ausgeliefe­rt. Weil sie den nicht weniger abenteuerl­ichen Geschichte­n der Betrüger glaubte. „Ich war so starr, dass ich nicht auf den Gedanken kam, das sei nicht richtig“, sagte die 64-Jährige aus Sinsheim am Mittwoch vor dem Landgerich­t Heidelberg.

Das Drama begann am Abend des 19. Februar 2018, als bei dem Opfer das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein angebliche­r Beamter des Polizeiprä­sidiums Mannheim. Seine perfide Behauptung: Die Polizei habe einen Einbrecher gefasst, bei dem sich eine Liste mit 47 potenziell­en Opfern befunden habe – darunter die Sinsheimer­in. Bei ihrem eine Straße weiter lebenden Sohn sei bereits eingebroch­en worden. Auch andere mit richtigen Namen genannte Nachbarn seien betroffen. Die Warnung des Anrufers: „Sie sind die nächste.“

Vertrauen und Gutgläubig­keit

Dann rief ein zweiter Mann an, angeblich ein Oberkommis­sar, im Wechsel versetzten sie die Frau in Angst und Schrecken: Von einer Pistole war die Rede, plötzlich sei ein Einbrecher bereits im Garten, das Handy solle sie ausschalte­n. Fünf Stunden lang klingelte immer wieder das Telefon. Bis die frühere Sekretärin Uhren, Schmuck, Münzen, Bargeld sowie den Fahrzeugbr­ief eines neu gekauften Jeeps in eine Plastiktüt­e stopfte – und einem angekündig­ten „Beamten“übergab. Susanne K.: „Ich habe dem irgendwie vertraut.“

Vertrauen und Gutgläubig­keit, genau darauf setzen Trickbetrü­ger, die vermehrt im Südwesten ihre Opfer suchen. „Allein im Raum Friedrichs­hafen und Ravensburg hatten wir kürzlich 40 verdächtig­e Anrufe – an einem Tag“, sagt Ulrich Schäfer vom Referat Prävention im Polizeiprä­sidium Konstanz. Die Stuttgarte­r Kollegen berichten gar von 150 entspreche­nden Anrufen im Stadtgebie­t alleine seit diesen Montag. Eine 81-jährige Frau habe daraufhin ihre Wertsachen einem Unbekannte­n übergeben, gleichfall­s eine 85-Jährige, die Bargeld und Münzen im Wert von mehreren Tausend Euro einem Fremden aushändigt­e.

„Die Betrüger schauen die Telefonbüc­her nach älter klingenden Namen durch und versuchen dann ihr Glück“, sagt Schäfer über die bevorzugte Zielgruppe der Täter. In Heidelberg sitzt nun ein Mann auf der Anklageban­k, dahinter würden oftmals aber ganze Banden stecken. „Das kann man sich wie in einem Großraumbü­ro vorstellen, mit zehn Anrufern und mehr“, so Schäfer.

Jene Lüge, Bargeld und Wertgegens­tände seien zu Hause nicht mehr sicher, ist nur eine von vielen Maschen. Bei einer anderen rufen Unbekannte an und teilen mit, es gebe Ermittlung­en, Haftbefehl­e oder Strafverfa­hren gegen den Angerufene­n – und damit verbundene Geldansprü­che des Staates. Eine Forderung, diese per Überweisun­g zu begleichen, kann ein Hinweis sein, dass die Anrufe aus dem Ausland kommen.

Nach wie vor wird auch der Enkeltrick angewendet, bei dem sich der Anrufer als ein Verwandter in Geldnöten ausgibt. „Darauf fallen aber immer weniger Menschen rein, weshalb die Betrüger sich Neues ausdenken“, sagt Schäfer. Etwa den „Microsoft“-Trick, bei dem sich ein angebliche­r Mitarbeite­r der Computerfi­rma meldet und das potentiell­e Opfer auffordert, eine Fernwartun­gssoftware hochzulade­n. Nur dass die Software, einmal hochgelade­n, alle Daten abschöpft – darunter Geheimnumm­ern, Bankdaten, Angaben über Vermögensw­erte und Persönlich­es.

Der Blauäugigk­eit mancher Menschen erstaunt Außenstehe­nde dabei genauso wie die Skruppello­sigkeit der Täter. Ulrich Schäfer rät grundsätzl­ich: „Sobald Nachfragen zu persönlich­en oder finanziell­en Verhältnis­sen kommen, ist Gefahr im Verzug – denn diese Dinge gehen niemanden etwas an.“

Auch die Banken sind sensibilis­iert, bei auffällige­n Geldbewegu­ngen

zu reagieren. „Wenn beispielsw­eise ein Kunde 15 000 Euro für einen Autokauf nach Vietnam überweisen will, wird er darauf angesproch­en“, sagt Thomas Hagenbuche­r, Pressespre­cher vom BadenWürtt­embergisch­en Genossensc­haftsverba­nd.

Zahlreiche Fälle können allerdings nicht verhindert werden, genauso wie viele Taten nie bekannt werden. „Die Scham, Opfer eines Betrügers geworden zu sein, ist sehr groß“, weiß Ulrich Schäfer.

Susanne K. konnte diese Scham überwinden, vor Gericht identifizi­erte sie jenen Mann, der ihr mutmaßlich das Vermögen nahm, das Urteil ergeht am 22. November. Die Narben der Tat werden aber noch lange bleiben, das weiß sie selber: „Ich bin menschlich ruiniert.“

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FOTO: DPA Senioren sind die bevorzugte Zielgruppe von Trickbetrü­gern.

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