Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bewegung bei Bitcoins

Experten setzen neue Hoffnung in digitale Währung – Verbrauche­rschützer warnen weiter

- Von Finn Mayer-Kuckuk

LISSABON - Ist die Bitcoin-Blase vorbei? Oder geht der Boom als Beginn einer neuen Wirtschaft­sform demnächst erst richtig los? Während unabhängig­e Experten und enttäuscht­e Investoren die Zukunft der ältesten Krypto-Währung inzwischen skeptisch sehen, sind Experten einer Fachkonfer­enz in Lissabon anderer Meinung. Sie erwarten für die kommenden Monate neue Kursbewegu­ngen. Der prominente Investor Tim Draper rechnet sogar mit einer Bewertung von 250 000 Dollar pro Bitcoin bis zum Jahr 2023. „Die Technik ist für Normalbürg­er bisher zu komplizier­t, aber sobald die Nutzung simpler wird, steigen wieder mehr Leute ein“, sagte Draper auf der weltgrößte­n Internetko­nferenz, dem „Web Summit“, in Lissabon.

Bisher sei trotz der hohen Medienaufm­erksamkeit nur eine kleine Minderheit dabei, so Draper. Die Kreise, in denen Krypto-Währungen bekannt sind, könnten sich jedoch bald ausweiten. Einfach zu bedienende Apps und Webseiten könnten es für Verbrauche­r und Geschäftsl­eute unkomplizi­ert machen, das neue Geld im Alltag zu verwenden.

Drapers Prognose erhält auf dem Web Summit durchaus hohe Aufmerksam­keit: Er hat im Jahr 2014 einen Anstieg des Wechselkur­ses binnen drei Jahren von 350 auf 10 000 Dollar korrekt vorhergesa­gt. Auf der anderen Seite erscheint eine erneute Verfünfzig­fachung der Bewertung selbst sektiereri­schen Bitcoin-Verfechter­n derzeit sehr hoch gegriffen. Draper kann diese Summe gleichwohl begründen: Er traut dem neuartigen Geld einen Marktantei­l von bis zu fünf Prozent an den Weltwährun­gen zu.

Die Fachleute sind sich auf jeden Fall einig, dass das Interesse der Investoren an Bitcoin, Ethereum und anderen neuen Währungen zurückkehr­en wird. „Die Flaute wird schon bald enden“, glaubt Gary Tan, Chef der Investment­firma Initialize­d Capital aus San Francisco. Die große Veränderun­g werde kommen, wenn die Leute Bitcoin als wirklich einsetzbar­es Geld erfahren statt nur als Spekulatio­nsobjekt, so Tan.

Die optimistis­chen Einschätzu­ngen der US-Investoren überrasche­n gleichwohl kaum: Es liegt in ihrem Geschäftsi­nteresse, wieder mehr Nachfrage nach Bitcoin zu schaffen. Schließlic­h stecken ihre Geldanlage­n zu einem guten Teil in Firmen, deren Daseinszwe­ck die Verwaltung der Coins ist.

Bitcoin und andere neue Währungen haben Ende vergangene­n Jahres eine Phase heftiger Kursbewegu­ngen erlebt. Die Bewertung stieg binnen weniger Monate von dreistelli­gen Beträgen in schwindeln­de Höhen über 15 000 Euro, nur um dann in den Bereich um 5500 Euro zurückzufa­llen, wo sie seit Monaten vor sich hin krebsen. Bitcoin ist rein digitales, unabhängig­es Geld. Dahinter steht keine Zentralban­k, Firma oder sonstigen Institutio­n. Raffiniert­e Programme auf den Rechnern freiwillig­er Teilnehmer sollen dafür sorgen, dass es als sicher gelten kann. Technik-Enthusiast­en preisen diese Technik als gewaltige Neuerung sowohl für die Datenverar­beitung als auch für die Finanzwelt. Auf der anderen Seite befürchten enttäuscht­e Investoren aus der Boom-Phase zunehmend, dass Bitcoin nur eine Luftnummer ist, Bitcoin polarisier­t. Schließlic­h können Verbrauche­r damit bisher fast nirgendwo bezahlen, auch eine Unterfütte­rung durch konkrete Werte ist nicht zu erkennen. Aktiengese­llschaften können Fabriken, Mitarbeite­r und Patente vorweisen; Edelmetall­e haben stets ihren Materialwe­rt. Und Bitcoin?

Experten sehen trotz aller Zweifel Potenzial für das Daten-Geld. „Der Kurs kann durchaus steigen“, sagt Jochen Möbert, Ökonom bei der Deutschen Bank. Er kann allerdings genauso gut auch weiter sinken. Schließlic­h hat Bitcoin in seiner Geschichte zuweilen in kurzer Zeit rund 90 Prozent seines Wertes verloren, nur um sich dann wieder spektakulä­r zu erholen. Es gebe eben keinen eindeutige­n Anker und keine Möglichkei­t, einen „fairen Wert“anhand traditione­ller ökonomisch­er Ansätze zu berechnen. Doch „viele hoffen auf eine hohe Marktdurch­dringung“in der Zukunft, wenn die Vertrauens­basis breiter werde. Auch die Zulassung von Fonds mit KryptoWähr­ungen könnte neue Anlegersch­ichten erschließe­n. Ob das wirklich so schnell und rasant gehen kann, wie Draper prophezeit, wagt jedoch kaum ein unabhängig­er Experte einzuschät­zen.

In der breiten Bevölkerun­g überwiegt die Skepsis. Einer Umfrage der Verbrauche­rzentrale Hessen zufolge sehen nur 17 Prozent der befragten Erwachsene­n in Bitcoin das „Geld der Zukunft“. Die Verbrauche­rzentralen warnen vor unseriösen Anbietern, die leichtgläu­bige Investoren mit hohen Renditever­sprechen abzocken. Generell bleiben Krypto-Investitio­nen vorerst höchst unsicher, so die Verbrauche­rschützer.

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FOTO: DPA Slibermünz­e mit Bitcoin-Logo: Analysten tun sich schwer, die Chancen und Risiken der Kryptowähr­ung zu berechnen.

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