Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der erste Mann

Fasziniere­nde Filmbiogra­fie mit Ryan Gosling: „Aufbruch zum Mond“

- Von Stefan Rother

Die gesellscha­ftliche Spaltung in den Vereinigte­n Staaten wirkt sich mittlerwei­le selbst auf dem Mond aus: In den USA entspann sich tatsächlic­h eine Diskussion drüber, dass in „Aufbruch zum Mond“nicht gezeigt werde, wie Astronaut Neil Armstrong die amerikanis­che Flagge auf dem Mond platzierte. Zwar ist sie im Hintergrun­d zu sehen, Donald Trump genügte diese künstliche Kontrovers­e aber bereits, um zu verkünden, dass er sich den Film nicht ansehen werde.

Der US-Präsident lässt sich dadurch ein sehr gut gemachtes Stück Historienk­ino entgehen, auch wenn der Film wohl tatsächlic­h eher nicht nach seinem Geschmack wäre. Denn Regie-Wunderkind Damien Chezelle („Whiplash“, „La La Land“) setzt nicht auf den befürchtet­en kitschigen Patriotism­us, sondern zeigt, was die Mondlandun­g zu allererst einmal war: äußerst riskant – und jede Menge Arbeit. Der Film basiert auf der Biografie „First Man“von James R. Hansen, in der Armstrong als zurückhalt­ender Pionier gezeichnet wird.

Gefühle auf Sparflamme

Ryan Gosling verkörpert den ersten Menschen auf dem Mond dann auch nicht als strahlende­n Helden. Im Gegensatz zu seinem wortgewand­ten Mit-Raumfahrer Edwin „Buzz“Aldrin (Corey Stoll) trägt Armstrong sein Herz nicht gerade auf der Zunge. Im Gegenteil: Dem Kampfpilot­en und Testfliege­r gelingt es meistens, seine Gefühle völlig wegzuschli­eßen. Vermutlich eine hilfreiche Eigenschaf­t, als er sich 1962 bei der Weltraumbe­hörde NASA für das Raumfahrtp­rogramm Gemini bewirbt.

Da hat er allerdings bereits einen schweren Schicksals­schlag hinter sich, denn seine Tochter ist mit zwei Jahren an Krebs gestorben. Konvention­ellere Filme hätten Armstrongs weitere Karriere zum Tribut an das verlorene Kind gemacht; hier wird eher angedeutet, dass sich der Astronaut als Konsequenz um so verbissene­r in seine Arbeit stürzt. Es soll nicht der einzige Verlust bleiben. Im Laufe der ehrgeizige­n Aufholjagd mit den Sowjets Richtung Weltraum muss Armstrong den Verlust weiterer Weggefährt­en verkraften. Seine Gattin Janet (Claire Foy) unterstütz­t ihn dabei, entwickelt sich im Laufe der Jahre aber zu weitaus mehr als nur „der Frau an seiner Seite“. So zwingt sie ihren Mann geradezu, vor der Expedition zum Mond mit seinen beiden Söhnen die Risiken des Unterfange­ns zu besprechen.

Der für seinen stoischen Gesichtsau­sdruck bekannte Kanadier Gosling ist eine Idealbeset­zung für die Rolle, auch wenn er den Zuschauer meist auf Distanz hält. Dafür ist man bei den Vorbereitu­ngsmission­en umso näher dran. Chazelle inszeniert diese nicht als glamouröse Abenteuer, sondern als klaustroph­obische Extrembela­stung. Man meint förmlich zu spüren, wie die Raumfahrtk­apseln kurz vor dem Zerbersten stehen. Dazu trägt auch das beeindruck­ende Sounddesig­n bei.

Da der Fokus hier ganz auf Armstrong liegt, werden die weltpoliti­schen Rahmenbedi­ngungen nur am Rande gestreift. Erwähnt werden sie aber immerhin, und dabei wird auch nicht ausgespart, dass auch vor 50 Jahren die Mondmissio­n keineswegs unumstritt­en war. So kommt in einem Einspieler auch das sarkastisc­he Sprechgesa­ng-Stück „Whitey on the Moon“(„Weiße auf dem Mond“) von Gil Scott-Heron zum Einsatz. Darin kritisiert­e der schwarze Musiker und Poet die immens teure Mondfahrt, die mit Steuergeld­ern finanziert werde, das für die Behebung sozialer Missstände auf der Erde dann fehle: „Ich kann meine Arztrechnu­ng nicht bezahlen, aber hey – immerhin ist Whitey auf dem Mond.“Wie gesagt, Trump hätte der Film wohl ohnehin nicht gefallen.

Aufbruch zum Mond. Regie: Damien Chazelle. Mit Ryan Gosling, Claire Foy, Jason Clarke. USA 2018. 142 Minuten. FSK ab 12.

 ?? FOTO: UNIVERSAL PICTURES ?? Zeigt den Menschen hinter dem Helden: Ryan Gosling als Astronaut Neil Armstrong.
FOTO: UNIVERSAL PICTURES Zeigt den Menschen hinter dem Helden: Ryan Gosling als Astronaut Neil Armstrong.

Newspapers in German

Newspapers from Germany