Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Waldseer Abgeordneter unterzeichnete Waffenstillstand
Vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende – Alfred Weißhaupt hat sich auf Spurensuche begeben
BAD WALDSEE - 100 Jahre ist es her: das Ende des Ersten Weltkriegs. In den Häfen von Kiel und Wilhelmshaven startet die Revolution. Der deutsche Kaiser verschwindet ins Exil. Auf dem Balkon des Berliner Schlosses ruft Karl Liebknecht die sozialistische Republik aus. Auch in Waldsee – damals noch ohne Bad im Namen – ist die Revolution spürbar. Doch was erfuhren die Waldseer von diesen Ereignissen? Wie hat die Revolution hier ausgesehen? Und welche Auswirkungen hatte sie? Diesen Fragen hat sich Alfred Weißhaupt gewidmet.
Anhand von historischen Zeitungsartikeln arbeitete der ehemalige Geschichtslehrer das Ende des Ersten Weltkriegs und die Monate danach auf. Die Ergebnisse präsentiert er am Donnerstag um 19 Uhr in der Volkshochschule. „Ich hätte es schade gefunden, wenn zum Jubiläum dieser Revolution nichts zur Erinnerung gemacht werden würde.“Die Revolution habe ein freies Wahlrecht gebracht, Ladenschluss und der Acht-Stunden-Tag wurden eingeführt, in Waldsee kandidierte auf einmal eine Frau für den Gemeinderat. „Das alles einfach so vorübergehen zu lassen, ohne daran zu erinnern, fand ich schade.“
Die damalige Tageszeitung – das Waldseer Wochenblatt – hatte laut Weißhaupt nur wenig Bezug zur großen Politik, sie enthielt kaum Nachrichten zum Kriegsgeschehen oder der Revolution. Er belegt das mit verschiedenen
Beispielen: „Als die Amerikaner in den Ersten Weltkrieg eingetreten sind, berichtete die Zeitung darüber auf Seite vier.“
Die Rolle der Weltpolitik
Auch die Berichterstattung über Matthias Erzberger im Waldseer Wochenblatt hat Weißhaupt untersucht. Erzberger war ein Abgeordneter des Wahlkreises Biberach, Leutkirch, Waldsee und Wangen. Als Leiter der Waffenstillstandskommission unterschrieb er den Vertrag, der den Ersten Weltkrieg beendete. Obwohl ein hiesiger Abgeordneter in der Weltpolitik so eine große Rolle gespielt hat, berichtete die Tageszeitung in Waldsee nur wenig über ihn.
„Die Zeitung hat die Bevölkerung desinformiert anstatt informiert“, sagt Weißhaupt.
Trotzdem konnte er viel aus den alten Ausgaben herauslesen. Die Todesanzeigen zeigen nicht nur, wie viele Soldaten aus der Region am Ende des Krieges fallen, sondern erzählen ihm auch etwas über Krankheiten und Hungersnot. Es sterben zu dieser Zeit viele Frauen und Kinder. Schulen und Kinos werden aufgrund einer Grippewelle geschlossen. „Man sieht, dass auch auf dem Land die Zustände katastrophal waren, nicht nur in der Großstadt.“
Auch über die Auswirkungen der Revolution in Waldsee gibt die Zeitung Aufschluss. Am 15. November 1918 kommt es in Bad Waldsee zum Protest: Am Rathaus wird eine rote Flagge gehisst. Ein paar Tage später wird ein Bauern- und Arbeiterrat gewählt. Die Kirche und das Bürgertum fühlen sich davon bedroht und rufen ihrerseits zu Verhandlungen auf. Das Waldseer Wochenblatt steht auf der Seite der Kirche und der konservativen Zentrumspartei.
Insgesamt haben die Waldseer zu dieser Zeit aber eher an ihren alten, gewohnten Strukturen festgehalten. Das zeige sich laut Weißhaupt vor allem an den Öffnungszeiten des Schwimmbades. Denn dort waren nach wie vor die Badezeiten von Männern und Frauen strikt getrennt gewesen.