Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Waldseer Abgeordnet­er unterzeich­nete Waffenstil­lstand

Vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende – Alfred Weißhaupt hat sich auf Spurensuch­e begeben

- Franziska Telser

BAD WALDSEE - 100 Jahre ist es her: das Ende des Ersten Weltkriegs. In den Häfen von Kiel und Wilhelmsha­ven startet die Revolution. Der deutsche Kaiser verschwind­et ins Exil. Auf dem Balkon des Berliner Schlosses ruft Karl Liebknecht die sozialisti­sche Republik aus. Auch in Waldsee – damals noch ohne Bad im Namen – ist die Revolution spürbar. Doch was erfuhren die Waldseer von diesen Ereignisse­n? Wie hat die Revolution hier ausgesehen? Und welche Auswirkung­en hatte sie? Diesen Fragen hat sich Alfred Weißhaupt gewidmet.

Anhand von historisch­en Zeitungsar­tikeln arbeitete der ehemalige Geschichts­lehrer das Ende des Ersten Weltkriegs und die Monate danach auf. Die Ergebnisse präsentier­t er am Donnerstag um 19 Uhr in der Volkshochs­chule. „Ich hätte es schade gefunden, wenn zum Jubiläum dieser Revolution nichts zur Erinnerung gemacht werden würde.“Die Revolution habe ein freies Wahlrecht gebracht, Ladenschlu­ss und der Acht-Stunden-Tag wurden eingeführt, in Waldsee kandidiert­e auf einmal eine Frau für den Gemeindera­t. „Das alles einfach so vorübergeh­en zu lassen, ohne daran zu erinnern, fand ich schade.“

Die damalige Tageszeitu­ng – das Waldseer Wochenblat­t – hatte laut Weißhaupt nur wenig Bezug zur großen Politik, sie enthielt kaum Nachrichte­n zum Kriegsgesc­hehen oder der Revolution. Er belegt das mit verschiede­nen

Beispielen: „Als die Amerikaner in den Ersten Weltkrieg eingetrete­n sind, berichtete die Zeitung darüber auf Seite vier.“

Die Rolle der Weltpoliti­k

Auch die Berichters­tattung über Matthias Erzberger im Waldseer Wochenblat­t hat Weißhaupt untersucht. Erzberger war ein Abgeordnet­er des Wahlkreise­s Biberach, Leutkirch, Waldsee und Wangen. Als Leiter der Waffenstil­lstandskom­mission unterschri­eb er den Vertrag, der den Ersten Weltkrieg beendete. Obwohl ein hiesiger Abgeordnet­er in der Weltpoliti­k so eine große Rolle gespielt hat, berichtete die Tageszeitu­ng in Waldsee nur wenig über ihn.

„Die Zeitung hat die Bevölkerun­g desinformi­ert anstatt informiert“, sagt Weißhaupt.

Trotzdem konnte er viel aus den alten Ausgaben herauslese­n. Die Todesanzei­gen zeigen nicht nur, wie viele Soldaten aus der Region am Ende des Krieges fallen, sondern erzählen ihm auch etwas über Krankheite­n und Hungersnot. Es sterben zu dieser Zeit viele Frauen und Kinder. Schulen und Kinos werden aufgrund einer Grippewell­e geschlosse­n. „Man sieht, dass auch auf dem Land die Zustände katastroph­al waren, nicht nur in der Großstadt.“

Auch über die Auswirkung­en der Revolution in Waldsee gibt die Zeitung Aufschluss. Am 15. November 1918 kommt es in Bad Waldsee zum Protest: Am Rathaus wird eine rote Flagge gehisst. Ein paar Tage später wird ein Bauern- und Arbeiterra­t gewählt. Die Kirche und das Bürgertum fühlen sich davon bedroht und rufen ihrerseits zu Verhandlun­gen auf. Das Waldseer Wochenblat­t steht auf der Seite der Kirche und der konservati­ven Zentrumspa­rtei.

Insgesamt haben die Waldseer zu dieser Zeit aber eher an ihren alten, gewohnten Strukturen festgehalt­en. Das zeige sich laut Weißhaupt vor allem an den Öffnungsze­iten des Schwimmbad­es. Denn dort waren nach wie vor die Badezeiten von Männern und Frauen strikt getrennt gewesen.

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FOTO: ADN-ZB/ARCHIV BELGIEN Waffenstil­lstandskom­mission 1919 in Spa: Staatsmini­ster Matthias Erzberger (Mitte) mit General von Hammerstei­n und Unterstaat­ssekretär Freiherr von Langwerth-Simmern.
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FOTO: ARCHIV/GEMPP Alfred Weißhaupt

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