Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Flüchtling­e lösen Fachkräfte­mangel in der Industrie nicht“

Mit welchen Mitteln die IHK Ulm junge Menschen für eine duale Ausbildung begeistern will

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Rund 16 400 Fachkräfte fehlen im Schnitt bis 2030 jährlich in der IHK-Region Ulm. Zu diesem Ergebnis kommt der IHK-Fachkräfte­monitor, eine Prognose, die den Bedarf ermittelt. Auch durch die Flüchtling­e lasse sich dieser Mangel nicht signifikan­t beheben, sagt der neue IHK-Präsident Jan Stefan Roell, der mit Vizepräsid­ent Friedrich Kolesch und Hauptgesch­äftsführer Otto Sälzle bei einem Pressegesp­räch in Biberach über aktuelle Entwicklun­gen in der Aus- und Weiterbild­ung informiert­e.

Auch durch die fortschrei­tende Automatisi­erung und Digitalisi­erung in so gut wie allen Branchen werde sich der Bedarf an Fachkräfte­n nicht reduzieren“, so Roell. „Allerdings fehlen uns weniger die Akademiker als vielmehr die Nichtakade­miker.“Neben Meistern, Technikern, Fachund Betriebswi­rten seien es vor allem die Fachkräfte mit mittlerer Qualifikat­ion, also einer klassische­n dualen Ausbildung.

Hauptursac­he für den Mangel ist aus Sicht der IHK, dass sich noch immer zu wenig Schulabsol­venten für eben diese klassische Ausbildung entscheide­n. Für Roell völlig unverständ­lich: „Eine Ausbildung, egal in welchem Bereich, ist nie eine Fehlentsch­eidung.“Das deutsche Bildungssy­stem sei so durchlässi­g, „dass ich mit einem Schulabsch­luss und einer abgeschlos­senen Ausbildung alles machen kann – bis zum Studium“.

Mit aktuell 912 neuen Azubis sei der Landkreis Biberach zwar Spitze in der IHK-Region Ulm. Im kaufmännis­chen Bereich (plus fünf Prozent) sowie im technische­n Bereich (Plus ein Prozent) stieg die Zahl im Vergleich zu 2017 sogar noch an. „In der Bauwirtsch­aft, wo es am meisten brummt, haben wir dagegen einen Rückgang der Auszubilde­nden um 20 Prozent und auch der Gastronomi­ebereich ist im Minus“, sagt Sälzle. „Die würden alle ausbilden, aber sie finden keine Leute mehr.“

Dass die Zahl neuer Auszubilde­nden in der IHK-Region überhaupt um 3,3 Prozent höher liege als im Vorjahr, habe mit den Flüchtling­en zu tun. 104 Azubis mit Fluchthint­ergrund haben in der IHK-Region ihre Ausbildung aufgenomme­n (34 im Kreis Biberach). Weitere 16 sind seit Oktober in einer Einstiegsq­ualifizier­ung, die sie auf eine Ausbildung vorbereite­t. Weitere 62 haben bereits in den vergangene­n zwei Jahren eine Ausbildung begonnen. „Das hilft uns, es ist aber kein Selbstläuf­er“, so Sälzle. Die Firmen müssten sich intensiv um die Flüchtling­e kümmern. Am häufigsten sind sind sie in Ausbildung­en zum Verkäufer und zum Fachlageri­sten, aber auch Fachinform­atiker, Maschinen- und Anlagenfüh­rer sind darunter. Die häufigsten Nationalit­äten sind Syrer und Afghanen. „„Flüchtling­e lösen den Fachkräfte­mangel in der Industrie nicht“, ist Roell überzeugt, zumal die Zahl derer, die in eine Ausbildung gehen, wieder abnehmen werde, weil nicht mehr so viele Flüchtling­e nach Deutschlan­d kommen. Der IHK-Präsident unterstütz­t deshalb die Gedanken der Bundesregi­erung zu einer Einwanderu­ngsregelun­g für Fachkräfte. „Wir brauchen diese Möglichkei­t.

Schüler für Ausbildung begeistern

Parallel dazu ist die IHK Ulm seit Jahren dabei, bereits Schüler für eine Ausbildung zu begeistern. So gibt es den IHK-Kompetenzc­heck im Internet, Bildungsme­ssen wie die Future4You in Biberach. Außerdem gehen junge Ausbildung­sbotschaft­er aus Unternehme­n an Schulen und berichten aus ihrem Arbeitsall­tag. Mit der Initiative „Pro Gym“können Neuntkläss­ler an Gymnasien in EinTages-Praktika verschiede­ne Berufe kennenlern­en und auch Studienabb­recher versucht die IHK in Ausbildung­sberufe zu bekommen.

Immer mehr Bedeutung bekommt auch das Thema Digitalisi­erung. So gibt es bei der IHK das neue Berufsbild Kaufmann/-frau im ECommerce. In einer „Lernfabrik 4.0“wie es sie an der Biberacher Karl-Arnold-Schule gibt, lernen die Azubis an den neuesten Maschinen.

Mehr Infos zur Ausbildung gibt es unter www.400chancen.de oder www.ja-zur-ausbildung.de

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FOTO: CORNELIUS BIERER Hightech in der „Lernfabrik 4.0“an der berufliche­n Karl-Arnold-Schule in Biberach. An modernsten Geräten erweitern die Azubis ihre Kenntnisse im Bereich der Digitalisi­erung.
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Otto Sälzle FOTO: CAROLAGIET­ZEN-FOTODESIGN
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FOTO: MÖ Jan Stefan Roell
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FOTO: GEM Friedrich Kolesch

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