Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Umständehalber: Familie sucht Gesicht
Beim Eishockey-Deutschland-Cup in Krefeld berät der DEB erstmals die Frage, wer auf Marco Sturm nachfolgt
KREFELD - Gesprächsstoff hätte der
29. Deutschland Cup auch dann ausreichend geliefert, wäre er n-u-r der
29. Deutschland Cup: Erstmals steigt das Viernationenturnier des Deutschen Eishockey-Bundes in Krefeld, Turnierrückkehrer Schweiz gibt seine Visitenkarte als WM-Zweiter ab (mit immerhin fünf Mann seines Silberteams vom Mai), Deutschland bringt elf jener Akteure aufs Eis, deren Namen seit Pyeongchang gern und allüberall das Attribut „Olympiaheld“vorangestellt wird. Auftaktgegner Russland (Do., 19 Uhr; Sport1) tritt auch 2018 mit einer Perspektivmannschaft an, in der sich Jugend und Höchstbegabung nicht ausschließen. Die Slowakei schließlich probt erstmals für den Ernstfall: für ihre HeimWeltmeisterschaft in Bratislava und Kosice kommenden Frühling.
Themen noch und noch. Randthemen, seitdem bekannt ist, dass Marco Sturm nach Krefeld kein Bundestrainer mehr sein wird, sondern Assistant Coach bei den Los Angeles Kings. National Hockey League – Vertrag vorerst bis 2021, Cheftrainer-Zukunft nicht ausgeschlossen: Dass derlei passieren könnte, wussten sie im Deutschen Eishockey-Bund (DEB). Dass es genau jetzt passiert(e)? „Was wir nicht vorausgesehen haben“, sagte Marco Sturm am Mittwoch in Krefeld, „war Olympia. Das hat für uns alle und mich persönlich einiges verändert.“Silber macht salonfähig. Auch in der Mutter aller Ligen.
Somit hat Marco Sturm nun a) die Chance, seinen Traum zu leben, b) ein Abschiedsturnier (bei dem die Angreifer Fabio Pfohl, Phil Hungerecker und Lean Bergmann die letzten Debütanten unter seiner Regie werden dürften) und c) ein wenig den Blues: „Die Zeit war wunderschön. Wir haben Wundervolles erreicht. Wir sind zusammengewachsen als Familie.“
Der fehlt nun „ein Gesicht, ein Aushängeschild“. Als solches nämlich hat DEB-Präsident Franz Reindl den Scheidenden auch erlebt – und genau das werden er und seine Mitstreiter jetzt suchen. „Mit Ruhe und Bedacht“, mit einer ganz klaren weiteren Prämisse: „Die inhaltliche Übereinstimmung mit unseren Vorstellungen, wie es mit der Nationalmannschaft weitergehen soll, ist wichtiger als der Name der Person.“Das Deutschland-Cup-Wochenende soll Brainstorming-Wochenende werden, die DEB-Oberen wollen sich kurzschließen – auch mit der Deutschen Eishockey Liga –, sie werden sondieren, ein Anforderungsprofil und eine Kandidatenliste erstellen.
Bewerbungen gibt es (laut Franz Reindl schon eine Vielzahl), Spekulationen gibt es (kaum überraschend: über Ralph Krueger, Pavel Gross, Harold Kreis, Uwe Krupp), ein präsidiales Muss gibt es: „Deutschsprachig sollte er (der Neue; d. Red.) auf jeden Fall sein.“Hatten Marco Sturms Kabinenansprachen doch Maßstäbe gesetzt, seine Öffentlichkeitsarbeit dito.
Sein Arbeitspensum sowieso. „Das kannst du“, weiß Franz Reindl, „nicht mehr nebenbei machen.“Was einen Trainer mit bestehendem Vereinsengagement (etwa: Ralph K., Pavel G., Harold K., Uwe K.) allenfalls „als Übergangslösung“in Frage kommen ließe. Und den 29. Deutschland Cup so richtungsweisend macht. Jenseits der Bande.
In 70 Länderspielen hat Marco Sturm bislang als Bundestrainer und General Manager Verantwortung für die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft getragen. Die Bilanz: 24 Siege, sechs Siege nach Verlängerung, vier Siege nach Penaltyschießen, 26 Niederlagen, fünf Niederlagen nach Verlängerung, fünf Niederlagen nach Penaltyschießen, 192:200 Tore. Bei den drei Weltmeisterschaften der Ära Sturm gab es die Plätze sieben (2016), acht (2017) und elf (2018); Olympia 2018 beendete die DEB-Auswahl mit der wohl größten Sensation ihrer 108-jährigen Geschichte – mit der Silbermedaille. (lin)