Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Vordergründig mutmachend
Bayern München kann erst nachdem das 2:0 gegen AEK Athen gefallen ist, überzeugen
MÜNCHEN - Das Wort „Altherrenfußball“wird in diesem Text nicht fallen, vor allem nicht in Bezug auf Jérôme Boateng oder Mats Hummels. Die Leistung beider Innenverteidiger des FC Bayern München beim 2:0 (1:0) gegen AEK Athen in der Champions League, durch das die Münchner die Tabellenführung in ihrer Gruppe übernahmen, bot keinen Anlass für ehrabschneidende Bewertungen; als solche hat Bayerns Vorstandschef die Umschreibung „Altherrenfußball“in der schon legendären „Auf-die-Fressekonferenz“(„Süddeutsche Zeitung“) ja bewertet.
Nun wäre interessant zu wissen, ob das Wort „Alibifußball“ebenfalls auf dem Index des Vorstandsvorsitzenden steht – oder ob man das von den Münchner Spielern in dieser letzten Partie vor dem schicksalhaften Gipfeltreffen am Samstag beim Bundesliga-Ersten Borussia Dortmund über weite Strecken Dargebotene doch lieber anders beschreiben soll. Etwa so: Man konnte den Münchnern beim 2:0 gegen AEK Athen oberflächlich betrachtet den Willen zum Passen, Pressen, Angreifen, Spielen und Toreschießen durchaus zusprechen. Sogar um die Umsetzung dieser fußballerischen Tugenden machten sich die Spieler verdient.
Pässe hoppeln, Gegenpressing als Kann-Aufgabe
Vordergründig betrachtet übte sich Thomas Müller fleißig im Flankenschlagen, versuchten Serge Gnabry und Franck Ribéry durchaus häufig, ihre Gegner im Dribbling zu verladen, machte Leon Goretzka aus dem zentralen Mittelfeld Druck auf die ballführenden Gegner, grätschte Javi Martínez, erarbeitete sich Robert Lewandowski Chancen und traf sogar zweimal (31., 71.). Kurz: Die Münchner versuchten, dominanter, überzeugender als in den Wochen zuvor und auch als Einheit aufzutreten. Oberflächlich betrachtet gelang dies auch.
Doch wer genauer hinsah, musste auch zur Kenntnis nehmen, dass in der ersten Halbzeit von allen Bayern nur Martínez eine positive Zweikampfbilanz hatte. Oder dass Gnabry und Ribéry sich ziemlich häufig festrannten. Dass Goretzkas Pässe auch zum Gegner hoppelten. Oder dass Gegenpressing von vielen eher als Kann-Aufgabe interpretiert wurde. Und dass beide Tore Lewandowskis aus Standardsituationen resultierten: das 1:0 durch einen sogar selbst erarbeiteten Elfmeter, das zweite nach einer feinen Ecke des Bösingers Joshua Kimmich.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieses Heimspiel nach dem 2:0 dann auch auf den zweiten, dritten und vierten Blick überzeugend wurde und dass diese letzten 15 Minuten auch als Mutmacher taugen für die weit anspruchsvollere Aufgabe bei Borussia Dortmund am Samstag. Bei einer Niederlage würde der Rückstand der Bayern auf den BVB sieben Punkte betragen, Trainer Niko Kovac könnte dann womöglich auch nicht mehr auf die spielerisch überzeugende Schlussviertelstunde gegen den griechischen Meister verweisen, der – sollte irgendwann nicht nur die Superliga, sondern womöglich auch eine zweitklassige Auchganztollliga gegründet werden – in der zweitgenannten im Normalfall gegen den Abstieg spielen müsste.
Bei einer Niederlage am Samstag könnte Niko Kovac vielleicht auch nicht darauf verweisen, dass es am Mittwoch nicht erst 70 Minuten und auch nicht 45 oder 15 Minuten brauchte, bis „der mal ’nen Geistesblitz“hatte, wie Lisa Müller beim 1:1 gegen Freiburg auf Instagram geätzt hatte: Lisa Müllers Gatte Thomas Müller spielte gegen Athen von Anfang an. Er war indirekt auch am 1:0 beteiligt. In der 28. Minute kam er nach der Ecke an den Ball, zog direkt ab – und verschoss. Wer hier nur auf Müller und seinen etwas sorglosen Umgang mit der Chance achtete, konnte durchaus übersehen, dass ein paar Meter weiter Robert Lewandowski auf den Rasen fiel. Mindestens einer der Schiedsrichter hatte dies aber gesehen – und auch wahrgenommen, dass Lewandowski von Uros Cosic zu Fall gebracht worden war. Der Torjäger trat selber zum Elfmeter an und brachte die Münchner eiskalt in Führung. Bis dahin hatten auch die Athener ein paar Chancen gehabt, danach aber nicht mehr. War das 1:0 der erste Weckruf, war das 2:0 dann so etwas wie die Initialzündung, sich wirklich einzuspielen für Dortmund. Dort wird es ein anderes Spiel geben. Sagte auch Niko Kovac: „Das heute war kein Feuerwerk, aber das war auch nicht zu erwarten. Gegen Dortmund müssen wir uns sicher noch steigern, aber der BVB spielt auch nach vorne.“
Bayern München – Athen 2:0 (1:0) München: Neuer - Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba - Martínez Gnabry (87. Sanches), Müller, Goretzka, Ribéry (84. Rafinha) Lewandowski (90.+1 Wagner). – Tore: 1:0, 2:0 Lewandowski (31., Foulelfmeter, 71.). – Zuschauer: 70 000 (ausverkauft).