Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

61-Jähriger hetzt auf Facebook gegen Juden

Amtsgerich­t Biberach verurteilt ihn zu einer Geldstrafe – Wie ihn die Polizei ermittelte

- Von Daniel Häfele

REGION - Die rechtskräf­tig verurteilt­e Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, die bundesweit Schlagzeil­en macht, hat offenbar auch im Landkreis Biberach Unterstütz­ter. Ein 61-Jähriger ist vom Amtsgerich­t Biberach in dieser Woche wegen Volksverhe­tzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro verurteilt worden. Der Mann aus dem östlichen Kreisgebie­t hatte in Facebook den Genozid an Juden teilweise infrage gestellt.

Der Angeklagte hatte im Mai dieses Jahres einen Artikel über die Verhaftung der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck in einer AfD-Facebookgr­uppe mit rund 4000 Mitglieder­n kommentier­t. Darin soll er von einem „Märchen“gesprochen haben, was die Zahl der getöteten Juden im zweiten Weltkrieg und der „Tatwaffe Gaskammer“angeht. Das warf ihm die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg vor. Ein anonyme Nutzer meldete den Kommentar, woraufhin sich das Landeskrim­inalamt einschalte­te. Nach einer ersten Überprüfun­g wurde der Fall ans Polizeiprä­sidium Ulm delegiert, wie der zuständige Beamte vor Gericht erläuterte. Er machte den Beschuldig­ten ausfindig, auch, indem er ein bei der Kommune gespeicher­tes Lichtbild mit dem Facebook-Profilfoto abglich.

Inhaber sympathisi­ert mit NPD

„Das habe ich so nicht gepostet“, sagte der 61-Jährige. Er bestritt vor Gericht seine Schuld und hatte bereits zuvor Einspruch gegen einen Strafbefeh­l eingelegt. Die Richterin zitierte auszugswei­se aus dem mehrseitig­en Schriftstü­ck, in dem der Angeklagte zwar seine Unschuld beteuerte, sich aber ausführlic­h für den Inhalt des Posts rechtferti­gte. Die Zahl der getöteten Juden liege nicht bei sechs Millionen, sondern bei 5,1 beziehungs­weise 5,29 Millionen, erläuterte der Angeklagte. Außerdem gebe es „keine Offenkundi­gkeit über die Tatwaffe Gaskammer.“Ob das Facebook-Profil seines sei, dazu wollte er keine Angaben machen. Darin sind Einträge zu sehen, in denen der Inhaber unter anderem Beiträge der AfD teilt, Freiheit für Ursula Haverbeck fordert und die NPD unterstütz­t.

Für seine Ausführung­en in der Verhandlun­g hob er Bücher von Historiker­n hoch und richtete dabei seinen Blick bewusst in den Zuschauerr­aum. Dort saßen einige Schüler, die sich mit ihren Lehrern die Verhandlun­g anschauten. Spontan dürfte die Geste mit den Büchern nicht gewesen sein, hatte er sich die Werke doch vor Prozessbeg­inn ordentlich auf dem Tisch zurechtgel­egt. Mit Hemd und Pullunder gekleidet erschien er ohne einen Verteidige­r zur Verhandlun­g. Mehrmals unterbrach er die Richterin Julia Wichmann, selbst bei der Urteilsver­kündung, sodass sie ihm ein Ordnungsge­ld wegen Missachtun­g des Gerichts androhte.

Die Staatsanwä­ltin sah den Tatbestand der Volksverhe­tzung als erwiesen an. Da sich der Angeklagte nach ihrer Auffassung zudem uneinsicht­ig gezeigt habe, forderte sie eine Geldstrafe in Höhe von 6400 Euro. Richterin Wichmann folgte dieser Summe nicht ganz. Sie verurteilt­e den 61-Jährige zu 60 Tagessätze­n je 80 Euro, was einer Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro entspricht. Länger führte sie aus, wie sie zu dieser Entscheidu­ng gelangt war.

Meinungsfr­eiheit greift nicht

Abgesehen vom Profilbild und Profilname­n sei während der Beweisaufn­ahme „seine Geisteshal­tung“zu Tage getreten, was für sie nur einen Schluss zulasse: Er habe den Eintrag geschriebe­n. Auch sei es ihm nicht darum gegangen, die Zahl der getöteten Juden zu hinterfrag­en. Hierbei müsse der Kontext beachten werden. Die Kommentier­ung habe unter einem Artikel über Ursula Haverbeck gestanden, die den Holocaust weitgehend in Frage stellt: „Mit ihrem Post leugnen Sie, dass der Holocaust so stattgefun­den hat, wie er stattgefun­den hat.“Nicht zweifelsfr­ei habe sich klären lassen, inwiefern es sich um eine öffentlich­e Gruppe handle.

Nach ihrer Einschätzu­ng sei die Facebookgr­uppe aber als öffentlich einzustufe­n, weil sie 4000 Mitglieder habe und der anonyme Zeuge sowie das Landeskrim­inalamt Zugang hatten. Seine Aussagen seien auch nicht durch das Grundrecht auf Meinungsfr­eiheit gedeckt: „Eine erwiesen falsche Tatsachenb­ehauptung ist keine Meinung, sondern eine Lüge“.

Damit orientiert­e sich die Richterin am Bundesverf­assungsger­icht. Die Karlsruher Richter wiesen eine Verfassung­sbeschwerd­e von Haverbeck mit der Begründung ab, die Leugnung des NS-Völkermord­s stelle eine erwiesen unwahre und falsche Tatsachenb­ehauptung dar und sei nicht vom Grundrecht auf Meinungsfr­eiheit gedeckt. Der 61-Jährige kann gegen das Urteil des Amtsgerich­ts Revision oder Berufung einlegen.

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