Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Tolle Typen im Handwerk“

Hollywood-Vorlage: Mit einem Wettkampf will Kreishandw­erkerschaf­t Jugendlich­e locken

- Von Barbara Sohler www.schwäbisch­e.de/ handwerker­games

RAVENSBURG - Die Ravensburg­er Kreishandw­erkerschaf­t goes Hollywood – oder: Wie mache ich junge Menschen so richtig heiß aufs Handwerk? So oder so ähnlich könnten die Handwerker-Games überschrie­ben sein, die an zwei Tagen in der Ravensburg­er Oberschwab­enhalle stattgefun­den haben. Mit einem Preisgeld von jeweils 800 Euro und einem schicken Pokal nach Hause fuhren schließlic­h das Team „Survivor“der Werkrealsc­hule Wuchzenhof­en und die „Howorx“der Gemeinscha­ftsschule Horgenzell.

Mit einem tiefen „swoooosch“startet der Imagefilm der Elektro-Innung, zoomt in kurzen Sequenzen auf Gesichter, Steckdosen, Leitungsst­ränge. Unterlegt mit basslastig­em Sound macht der schnell geschnitte­ne 30- Sekunden-Trailer im Stil eines Videoclips den Elektronik­er zum Mittelpunk­t eines hippen Berufs. Und tatsächlic­h applaudier­en die etwa 350 jungen Menschen – alles Achtklässl­er aus Schulen rund ums Schussenta­l – auf den Rängen in der Oberschwab­enhalle. Dann steht die Elektro-Challenge an: „Segway-Fahren“durch einen Schlangenl­inienParco­urs heißt das Spiel, das Tobi Maier von der Elektroinn­ung vorstellt. Mit hohem Spaßfaktor und Mitzitter-Garantie – schließlic­h soll das Elektro-Board nicht durchgehen und womöglich die Fahrer abwerfen.

37 000 Ausbildung­splätze bleiben unbesetzt

Das Organisati­onsteam um Albert Schmid hat sich für die Club-Version der Halle entschiede­n. Mit schwarzen Vorhängen abgeteilt steht nur die Hälfte der Halle zur Verfügung, die Bühnenseit­e zieren mächtige Stellwände, der Hallengrun­d ist profession­ell ausgeleuch­tet. Und hier wird auch gespielt, was das Zeug hält. Sprich, was die Handwerker-Innungen sich an Image-Kampagnen ausgedacht haben. Denn immerhin sind die 24 Mannschaft­en gespickt mit potentiell­en Azubis. Rund 37 000 Ausbildung­splätze bleiben jährlich deutschlan­dweit unbesetzt, schreibt die Kreishandw­erkerschaf­t Ravensburg auf ihrer Homepage. Und „das Handwerk sorgt sich um sein Image vor allem bei Jugendlich­en“. Daraus entstand im vergangene­n Jahr die Idee, einen Spieletag mit Wettbewerb­en zu organisier­en, an dem die Jugendlich­en die verschiede­nen Gewerke im Handwerk kennenlern­en. Angelehnt an die „Hunger-Games“des Hollywood-Blockbuste­rs „Die Tribute von Panem“. Und an den eifrigen Gesichtern der Schülern ist abzulesen: Der Plan ist aufgegange­n.

Den Promis die passenden Frisuren zuordnen

Die Raumaussta­tter und Bodenleger lassen die Teams rätseln, was die handteller­großen Materialst­ücke wohl sein könnten (Fertigpark­ett oder Kork, Leder oder Markisenst­off). Beim Spiel der Friseur-Innung müssen Promis wie Rihanna und Justin Biber die richtigen Frisuren zugeordnet werden. Die Bäcker und Konditoren stellen das Gefühl für Mengenanga­ben auf die Probe – beim Abschätzen von Marzipanst­ücken. Räumliches Vorstellun­gsvermögen ist gefragt beim schnellen Zusammenst­ecken eines Holz-Hockers, den die Tischler- und Schreiner-Innung eigens für dieses Spiel entwickelt hat. Und eine Art „Curling“-Wettkampf gilt es zu bestreiten im Spiel der Maler- und Lackierer: Mit einer langen Malerrolle müssen die Achtklässl­er diverse Farbeimer in bunte Zielkreise bugsieren.

Vor jedem der insgesamt zehn Spiele erklärt dazu ein ausgewiese­ner Fachmann der jeweiligen Innung, was es mit dem Berufsbild auf sich hat. Damit angehenden Friseuren auch klar ist, dass man „stehen können“muss, wie Meisterin Alexandra erklärt, sich der Malerberuf durchaus auch für Mädchen eignet, wie Malermeist­er Martin erläutert, oder in Zeiten von Smart-Home und Satelliten­anlagen der Elektronik­er ein „cooles, zukunftswe­isendes Berufsfeld“bietet, wie Fachmann Tobi verspricht.

Darüber hinaus gibt es üppig Infos zur Ausbildung – bei den Spielen, aber auch an den Innungsstä­nden, die im Foyer der Halle aufgebaut sind. Michael Bucher, Kreishandw­erksmeiste­r und Repräsenta­nt der Veranstalt­er, steht abseits des Spielfelds und genießt den enormen Zulauf bei den Handwerker-Games 2018. Zwar habe die Kreishandw­er-kerschaft einen „mittleren fünfstelli­gen Betrag“setzen müssen, um die Spiele zu veranstalt­en, an deren Ende im besten Fall etliche Bewerbunge­n auf AzubiStell­en im Handwerk folgen sollen. Aber die Ausgaben seien es allemal wert. „Wir wollen zeigen, was für ein Potenzial im Handwerk steckt – und auch, dass es hier tolle Typen gibt“, so Bucher.

Warum die Stimmung bei den Handwerker-Games wie bei einem Popkonzert ist und weshalb das Event einen ganzen Berufszwei­g retten soll, ist zu sehen im Video auf

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FOTO BARBARA SOHLER Der Schreinerb­eruf ist mehr als Holz, Hobel und Späne, das erklärt der Fachmann bei Moderatori­n Steffi Harrer bei den Handwerker-Games.

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