Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wachsskand­al: Händler muss Geldstrafe zahlen

Bereits am ersten Prozesstag geht der Betrugsfal­l zu Ende – Minderwert­ige Qualität aus China eingekauft

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Bereits am ersten Tag von insgesamt fünf anberaumte­n Verhandlun­gstagen ist im Prozess um den Bienenwach­sskandal am Dienstag am Amtsgerich­t Bad Waldsee ein Urteil gefallen. Einem Händler aus dem nördlichen Kreis Ravensburg wurde vorgeworfe­n, gepanschte Mittelwänd­e verkauft zu haben. Er musste sich wegen Betrugs in 17 Fällen verantwort­en und wurde nun zu einer Geldstrafe verurteilt.

Einwandfre­ie Qualität, ja sogar Lebensmitt­elqualität attestiert­e der Händler seinem Bienenwach­s selbst und warb mit diesen Bezeichnun­gen dafür. So führte Staatsanwa­lt Julian Mayer in die Verhandlun­g ein. Doch tatsächlic­h sollen die Mittelwänd­e Pestizidrü­ckstände aufgewiese­n haben und Paraffin oder Stearin darin festgestel­lt worden sein. Das habe der Angeklagte „billigend in Kauf genommen“, erklärte Mayer. In der Folge zählte er 17 Fälle auf, in denen mehrere Geschädigt­e dem 60-jährigen Angeklagte­n Betrug vorwerfen. Sie alle kauften bei dem Händler Bienenwach­s oder ließen ihr Eigenwachs umarbeiten und erhielten verunreini­gte Ware. Die Einkaufspr­eise reichten dabei von 20 Euro bis 1000 Euro.

Wie sich im Prozess schnell herausstel­lte, war das Jahr 2015 kein gutes Jahr für den Händler. Auf dem Markt war das Bienenwach­s rar. „Ihr Geschäft lag brach“, verdeutlic­hte Richter Feurle die damalige Situation. Rund 150 Bestellung­en hätten zu dieser Zeit nicht bedient werden können. Also bestellte der Händler in China eine Charge. „Ich bin selbst runtergefl­ogen und habe mir das Wachs angeschaut“, betonte der Angeklagte. Und so ließ er sich zwölf Tonnen Bienenwach­s für rund 81 000 US-Dollar liefern. Insgesamt 6000 Chargen fertigte der Imker daraus.

Richter Feurle erkundigte sich nach der Qualitätsk­ontrolle. Der Beschuldig­te machte deutlich, dass er die Ware in China selbst in Augenschei­n genommen habe. Und so bilanziert­e Feurle, dass es keine offizielle Überprüfun­g des chinesisch­en Bienenwach­ses gab und hob hervor, dass paraffin- oder stearindur­chsetztes Wachs laut Expertenme­inung brutschädi­gend ist.

Ein Ermittlung­sbeamter brachte seine Erkenntnis­se ein – und die hatten es in sich. So wurde ein Schriftver­kehr zwischen dem Angeklagte­n und dem chinesisch­en Betrieb sichergest­ellt, der brisante Informatio­nen beinhaltet­e. Einerseits habe er daraus die große Wachsnot des Händlers herauslese­n können. „Anderersei­ts wurde da mitgeteilt, dass es keine gute Ernte gab und in der Firma nicht nur eigenes Wachs verwendet, sondern aus verschiede­nen Orten in China zusammenge­sammelt wurde. Auf das Problem der vermindert­en Wachsquali­tät wurde hingewiese­n“,

Der angeklagte Händler machte nach der Lieferung schriftlic­h auf die schlechte Qualität aufmerksam und die chinesisch­en Verantwort­lichen gaben ihm recht. „Er hat dann geschriebe­n, dass er es aber mit seiner vierstufig­en Filterung hinbekommt“, so der Ermittlung­sbeamte. Feurle hakte nach und wollte wissen, ob der Filtrierun­gsprozess das Wachs hätte reinigen können. Dabei berief sich der Ermittler auf Gespräche mit dem Angeklagte­n und gab zu verstehen, dass nicht davon ausgegange­n werden konnte, „dass man es in dieser Menge ordentlich verarbeite­n kann“. Verteidige­r Marc Oliver Möller hinterfrag­te darauf die Qualifizie­rung des Ermittlers als Bienenund Filterfach­mann. erklärte der Ermittlung­sbeamte.

„Da hätte man heulen können“

In der Folge schilderte­n Zeugen, die ihre Völker mutmaßlich aufgrund des gepanschte­n Bienenwach­ses verloren haben, ihre Erlebnisse vor Gericht eindrückli­ch. So sprach ein Geschädigt­er von der Alb von zusammenge­brochenen Waben, die bereits bei 40 Grad Celsius geschmolze­n sind. „Bei dem Anblick hätte man heulen können. Die ganzen Bienen sind kaputt gegangen“, sagte der 68-Jährige. Ein 43-Jähriger gab an, dass die gekauften Mittelwänd­e dazu beigetrage­n hätten, dass seine Völker deutlich dezimiert wurden. Ende 2015 hätte er 60 Bienenvölk­er einwintern wollen, lediglich zwei dieser Völker hätten überlebt. Der Angeklagte selbst fragte die Zeugen nach allerlei anderen Möglichkei­ten, die zu Bienenster­ben führen können.

Doch damit war nach einer Weile Schluss. Der Grund? In selbst in Auftrag gegebenen Gutachten – darunter ein gerichtlic­hes Gutachten – wurde nachweisli­ch festgestel­lt, dass Stearin in den eingereich­ten Proben der Mittelwänd­e und Waben festgestel­lt wurde. Außerdem habe explizit ausgeschlo­ssen werden können, dass die Pestizide von Pflanzensc­hutzmittel­n von außerhalb in die Bienenkist­e eingedrung­en sind. Auf diese Verunreini­gung durch Spritzmitt­eleinsatz auf Feldern in der Nähe der Bienenwohn­ungen pochte der Angeklagte selbst. Er fiel zudem durch seine langen Redebeiträ­ge auf, die vor allem bei den Fragerunde­n an die Zeugen für Unmut bei Richter Feurle sorgten. Immer wieder forderte er den ausschweif­end erzählende­n und gestikulie­renden Angeklagte­n auf, eine Frage zu stellen. „Sie neigen zum Dozieren, aber hier haben wir es mit Zeugen zu tun und nicht mit Schülern, also stellen Sie bitte Ihre Frage“, sagte der erfahrene Richter bestimmt.

Zum Abschluss der Verhandlun­g wandte sich der Staatsanwa­lt mit offenen Worten an den Angeklagte­n und gab nach den ersten acht Stunden des Prozesses zu verstehen, dass sich der Verdacht des Betrugs erhärtet hat. Die Zeugenauss­agen, die angesproch­enen Gutachten und der Schriftver­kehr zwischen China und dem Angeklagte­n hätten verfestigt, dass der 60-Jährige die Mittelwänd­e aus China ankaufte und nicht untersuche­n ließ. Wie Mayer erklärte, könnte ein mögliches Urteil sogar auf gewerbsmäß­igen Betrug lauten. Dann hätten dem Angeklagte­n sechs Monate Freiheitss­trafe pro Fall gedroht, so Mayer: „Sie sollten sich überlegen, ob sie den Einspruch gegen den Strafbefeh­l nicht zurücknehm­en wollen.“

Wie Richter Feurle daraufhin erläuterte, würde dann nur eine Geldstrafe fällig werden. Er wies vollständi­gkeitshalb­er darauf hin, dass das Strafmaß bis zu zehn Jahre Freiheitss­trafe vorsieht und eine Bewährung auch vom Verhalten des Angeklagte­n abhängig ist. „Am Ende des Tages könnte die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, und dann müssen Sie ins Gefängnis“, zeigte Feurle eine mögliche Konsequenz auf. Der 60-Jährige zog sich mit seinem Anwalt für 45 Minuten zur Beratung zurück und zog tatsächlic­h zurück. Damit muss er nun einen mittleren vierstelli­gen Betrag zahlen, wie Feurle der „Schwäbisch­en Zeitung“im Nachgang der Verhandlun­g berichtete.

In einer Prozesspau­se erfuhr die „Schwäbisch­e Zeitung“darüber hinaus von Rechtsanwa­lt Wolfgang Maurer, dass weitere Betroffene gegen den Händler vorgehen wollen. Bei dem Rechtsanwa­lt aus Herrenberg haben sich rund zehn weitere Geschädigt­e gemeldet, die ebenfalls gerichtlic­he Schritte anstreben. Am Amtsgerich­t Bad Waldsee sind aktuell zwei weitere Zivilverfa­hren gegen den Mann anhängig. Richter Feurle und der Angeklagte dürften sich damit in Kürze wiedersehe­n.

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FOTO: DPA/PATRICK PLEUL Um verunreini­gte Waben und Mittelwänd­e ging es in dem Prozess am Amtsgerich­t Bad Waldsee.

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