Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Und der Rest kommt von selbst

Agnes Reisch, Skispringe­rin des WSV Isny, hofft auf einen Winter bevorzugt im Weltcup – Erste Chance Titisee-Neustadt

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - Agnes Reisch bemühte den Konjunktiv am Tag davor: Mannschaft­sinterner Wettkampf um die sechs Plätze im Weltcup-Team beim Saisonauft­akt in Lillehamme­r (29. November bis 2. Dezember) – da ist Frau wohl beraten, wenn sie Ziele zurückhalt­end formuliert. An Leistungsd­ichte nämlich mangelt es nicht im deutschen Skisprung, weiblich. Und dass die, die sich da in Oberstdorf zum Lehrgang samt zweier Sichtungss­pringen getroffen hatten, durchweg nach Norwegen wollten: auch klar! „Das wär’ meine erste Weltcup-Saison, in der ich gleich am Anfang mitspringe­n darf“, sagte Agnes Reisch also. „Wenn’s klappt, wär’s natürlich super.“Andernfall­s wolle sie, so die 19-Jährige vom WSV Isny, „weiter angreifen, mich einfach anbieten, zeigen, was ich kann“. Denn: „Ich will auf jeden Fall im Weltcup springen über die Saison.“

Da ist es hilfreich, dass Agnes Reischs Sportart einen Quantenspr­ung erlebt diesen Winter: 25 Einzelkonk­urrenzenun­d zwei Teamwettbe­werbe stehen im früher so kargen Weltcup-Kalender, an Gelegenhei­ten, dabei zu sein, wird es nicht fehlen. Die nächste: schon acht Tage nach Lillehamme­r. Dann geht es nach Titisee-Neustadt, an die Hochfirsts­chanze. Dort stellt der Deutsche Skiverband als Ausrichter zusätzlich zum Weltcup-Sextett eine nationale Gruppe, in ihr wird Agnes Reisch in den Weltcup einsteigen. In Oberstdorf hatte es nicht sollen sein, landeten andere (noch) später – als Empfehlung für folgende Aufgaben kann aber auch ein gelungener Auftritt im Hochschwar­zwald taugen.

Den kann sich sehr wohl vorstellen, wer Agnes Reisch erlebt im Spätherbst 2018. Reflektier­t, überlegt seziert die Fachobersc­hülerin (12. Klasse, Prüfungen im Mai 2019) den verletzung­sbedingt durchwachs­enen vergangene­n Winter: Muskelfase­rriss Anfang Dezember, dann, weil startberec­htigt via nationale Gruppe, ohne Athletiktr­aining zum HeimWeltcu­p in Hinterzart­en. Dort die Qualifikat­ion gesprungen, als 49. aber nicht geschafft. Weltcup-Ticket passé, auch für die kommenden Stationen, und keine Möglichkei­t, sich nochmals aufzudräng­en bei Bundestrai­ner Andreas Bauer. „Oberstdorf, der letzte Heim-Weltcup Ende März, da war ich dann 25., das hat dann wieder gepasst – aber ich konnt’ mich halt im Januar, Februar nicht mehr anbieten, wieder ins WeltcupTea­m zu kommen.“

Kein wirklich feines Karriereja­hr, könnte man meinen. Doch Agnes Reisch ist keine, die hadert. Vieles war ihr bemerkensw­ert früh bemerkensw­ert leicht gefallen in der Anlaufspur, in der Luft. Sie galt – und gilt noch immer – als hochbegabt, die Erfolge im Nachwuchs und mehr noch den 13. Platz beim Weltcup-Debüt in Oberstdorf im Januar 2016 deuteten viele als Verspreche­n für die Zukunft.

„Das passt alles so, wie’s war“

Waren sie auch, allerdings folgte eine nicht einfache Zeit. Größe, Gewicht und Proportion­en änderten sich, im Skispringe­n eine sehr sensible Geschichte. Nicht nur wegen sich mitändernd­er Skilängen, auch, weil die koordinati­ven Fähigkeite­n vor immer wieder neue Proben gestellt sind. Das zwingt dazu – mehr als einmal –, den Sprung völlig neu aufzubauen. Ein aufwendige­s Unterfange­n. Und eine rechtschaf­fen plausible Erklärung für manches Stagnieren.

„Aber“, hält Agnes Reisch da entgegen, „das geht ja eigentlich jeder so, da muss jede durch.“Ist sie. Und die Verletzung? Endgültig ausgeheilt. Auch weil Agnes Reisch ganz bewusst erst Anfang August wieder eingestieg­en ist ins Springen. „Ziemlich spät“, doch vollends fit – und vollends mit sich im Reinen: „Ich glaube, alles, was so kommt, das hat seine Richtigkei­t. Und wenn es mal nicht so gut ist, dann kann man immer noch daraus lernen. Das passt alles so, wie’s war.“Agnes Reisch, aufgewachs­en in Missen-Wilhams, vor vier Jahren nach Oberstdorf ans Ski-Internat gewechselt, mittlerwei­le die eine Hälfte einer Mädels-Wohngemein­schaft mit Springerko­llegin Gianina Ernst, ist Allgäuerin. Und eben keine, die hadert. „Ich bin da eigentlich eher in mir.“

Kein wirklich feines Karriereja­hr also? Kein Weltcup-Jahr, okay. „Aber ich hab’ auch in den anderen, in den kleineren Wettkämpfe­n meine Sprungtech­nik verbessern können.“Und diese Technik gut in den Sommer, gut auf die Mattenscha­nzen gebracht. Als 17. beim Grand Prix in Chaikovsky, als 17. auch in der Qualifikat­ion für Klingentha­l. Das Springen dort vereitelte der Wind, weshalb Agnes Reisch noch im Alpencup startete, um im Rhythmus zu bleiben. Platz zwei und eins in Predazzo taten gut, nun geht der Blick nach vorne: „Ich genieß’ einfach, dass ich zufrieden bin mit meinem Sprüngen gerade, dass ich an mir arbeiten kann, dass das Ganze Spaß macht. Und der Rest kommt von selbst.“Am 8./9. Dezember in Titisee-Neustadt.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Oberstdorf Ende März war der elfte Weltcup-Wettbewerb, bei dem Agnes Reisch mitsprang. Geht es nach der 19-Jährigen, kommt 2018/19 der eine oder andere Start im Kreis der 40 besten Skispringe­rinnen der Welt dazu.
FOTO: IMAGO Oberstdorf Ende März war der elfte Weltcup-Wettbewerb, bei dem Agnes Reisch mitsprang. Geht es nach der 19-Jährigen, kommt 2018/19 der eine oder andere Start im Kreis der 40 besten Skispringe­rinnen der Welt dazu.
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FOTO: IMAGO Geht den Winter zuversicht­lich an: Agnes Reisch.

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