Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
49-Jähriger sucht sich Kinder für Internet-Sex
Amtsgericht Lindau verurteilt Mann zu einem Jahr und sechs Monate wegen sexuellen Missbrauchs
LINDAU - Er hat sich im Internet über die Portale Knuddel und Instagram das Vertrauen der Mädchen erschlichen – und es schamlos ausgenutzt. Denn dem 49-Jährigen ging es nur um Nacktbilder und Chatsex. Das Amtsgericht Lindau hat den einschlägig vorbestraften Mann nun wegen sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen und versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Der 49-Jährige, der auch beruflich mit Kindern zu tun hat, muss für ein Jahr und sechs Monate ins Gefängnis.
Vor dem Amtsgericht ging es um drei Vorwürfe. Der erste Fall war bereits 2016. Laut Anklage soll der Mann aus dem Landkreis Lindau mit einem zwölfjährigen Mädchen gechattet haben, das er über die Internetplattform Knuddel kennengelernt hat. Er täuschte dabei vor, ein 13-Jähriger zu sein. Doch als „Knuddelfreund“wurde er rasch zudringlich: Er forderte das Mädchen wiederholt auf, ihm Nacktbilder zu senden. Als die Zwölfjährige lieber mit ihm telefonieren wollte, weigerte er sich, da er angeblich im Stimmbruch sei. Obwohl der Mann Druck aufbaute, zog das Kind rechtzeitig die Reißleine. Es kam nicht zur Übersendung von Nacktfotos.
So glimpflich ging es beim zweiten Fall im Herbst 2017 nicht aus. Diesmal, so die Anklage weiter, habe der Mann aus dem Landkreis Lindau mit einem 13-jährigen Mädchen auf Instagram eindeutige Bilder und Texte ausgetauscht. Darunter waren zwei Nahaufnahmen von seinem erigierten Penis, auf einer der Aufnahmen war noch Sperma zu erkennen. Das Mädchen übersandte ihm nach Aufforderung auch Fotos ihrer Geschlechtsteile. Außerdem, so die Anklage weiter, sicherten die Beamten einen Chatsex, in dem der Mann pornografische Fantasien mit dem Kind teilte. Darüber hinaus warf die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor, kinderpornografisches Material zu besitzen. Die Polizei hatte im Zuge der Ermittlungen 2017 auch seinen Laptop eingezogen: Auf dem konnten im gelöschten Bereich kinderpornografische Videos wiederhergestellt werden.
Angeklagter wusste, dass sie erst zwölf und 13 Jahre alt waren
Den Instagram-Vorwurf räumte der Angeklagte, der aufgrund der dort geposteten Bilder klar zu erkennen war, gleich ein. „Das war ein Riesenfehler von mir“, sagte er. Aber das Mädchen habe ihn immer wieder angeschrieben, habe „stückweise die Tür bei mir eingerannt“. Und dass zu einer Zeit, als sein Selbstwertgefühl ganz am Boden war. An den „Knuddel-Vorwurf “aus dem Jahr 2016 wollte er sich indes zunächst „nicht erinnern“. Erst als Richterin Brigitte Grenzstein darauf hinwies, dass auch hier seine Handynummer erkennbar war, räumte er auch dieses Vergehen ein. Den Grund für seine vorübergehende Gedächtnislücke erklärt er mit dem „Chaos“, das bei ihm zu dieser Zeit geherrscht habe. Er sei in eine „Scheinehe“geraten, außerdem habe er unter dem Tod seiner Mutter gelitten, fühlte sich von allen ausgenutzt. Außerdem hatte er finanzielle Sorgen und beruflich unter Druck gestanden.
Wie die Videoaufnahmen auf seinen Rechner gekommen sind, konnte er sich bis heute nicht erklären: „Ich war ganz überrascht, dass die da waren.“Die Beweislage war in diesem Punkt nicht eindeutig, Der Fachmann, der den Laptop untersucht hatte, konnte zwar im gelöschten Bereich zwölf kinderpornografische Videos entdecken. Allerdings sei nicht mehr festzustellen, ob der Angeklagte sie auch angeschaut oder verbreitet habe. Der Vorwurf wurde daher fallengelassen.
„Ich habe alles gelesen, man kann es nicht schönreden“
Aus dem Chatverlauf wird klar, dass der Angeklagte genau wusste, dass die Mädchen, auf die er „endgeil“war, erst zwölf und 13 Jahre alt waren. Das hinderte ihn nicht daran, sehr deutlich zu werden und die Mädchen unter Druck zu setzen. Wenn man sich wirklich liebe, tausche man Nacktfotos aus, so seine Argumentation. Wer da nicht mitmache, sei eben verklemmt und uncool. Den Hinweis des Angeklagten, dass er in dieser schweren Zeit froh gewesen sei, mit Menschen mit ähnlichen Interessen zu sprechen, wischt Grenzstein vom Tisch: „Ich habe alles durchgelesen, man kann es nicht schönreden.“
Der Mann hat es bislang nicht nur beim Schreiben bewenden lassen. Bereits 2007 war er wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen hatte. Doch das sei nun vorbei, beteuerte der Angeklagte. „Die Sache hat mich wachgerüttelt.“Er gehe hart mit sich ins Gericht, wolle sein Selbstwertgefühl wieder aufbauen und sei auch bereit, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Verteidiger sah damit die Voraussetzungen für eine gute Sozialprognose und forderte eine Bewährungsstrafe.
Für die Richterin kam diese Einsicht zu spät. Sie verurteilte den 49Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen und versuchten sexuellen Missbrauchs zu einem Jahr und sechs Monaten – und lag damit zwei Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft.
Eine Bewährungsstrafe kam für sie trotz des Geständnisses nicht in Frage. Selbst eine Hausdurchsuchung im Frühjahr 2017 habe den Angeklagten nicht davon abgehalten, wenige Monate später wieder Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Außerdem habe er die Zeit nicht genutzt, um sich professionelle Hilfe zu holen. Die aber brauche er dringend, betonte Brigitte Grenzstein: „Ich bin nicht überzeugt, dass sie sich künftig von Kindern fernhalten.“