Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Nina Bäumler versorgte eines der Messeropfe­r

16-Jährige wurde nun auch für Zivilcoura­ge ausgezeich­net

- Von Julius Böhm

RAVENSBURG - „Ich habe gar nicht großartig nachgedach­t und wollte dem jungen Mann einfach nur helfen“, beschreibt Nina Bäumler ihre Gedanken, als sie den blutüberst­römten Syrer an der Bushaltest­elle in der Gartenstra­ße sah. Sie reagierte geistesgeg­enwärtig, holte im nahegelege­nen Friseursal­on, in dem sie eine Ausbildung macht, einen Verbandska­sten und versorgte die klaffende Wunde des jungen Mannes. Diese Geschichte war bislang unbekannt. Für ihre Courage ist nun auch die 16Jährige ausgezeich­net worden.

Inzwischen sind mehr als sechs Wochen seit der Messeratta­cke eines 21-jährigen, psychisch kranken Mannes aus Afghanista­n in Ravensburg vergangen. Für Nina Bäumler war dieser Freitag Ende September ein ganz normaler Arbeitstag – die 16jährige Wangenerin macht seit September dieses Jahres eine Friseuraus­bildung bei Markus und Simone Herrmann. Nach ihrer Mittagspau­se erledigte sie einen Botengang vom Salon in der Marktstraß­e zu dem in der Gartenstra­ße. Und da stand der junge Mann, an eine Wand angelehnt und stark blutend.

Nina Bäumler dachte gar nicht nach und holte sofort den Erste-Hilfe-Kasten. „Es war unglaublic­h. Sechs Menschen standen an der Bushaltest­elle – darunter auch Erwachsene – und ignorierte­n das Geschehen völlig“, erzählt die 16-Jährige. Zusammen mit einem anderen Mädchen legte sie dann los. Handschuhe an, Jacke und Hemd des Mannes aufschneid­en und die Blutung mit Kompressen und Verband so gut es ging stoppen. „Es war alles voller Blut, seine Kleidung, seine Hände, der ganze Boden“, beschreibt sie das Szenario, „er hatte einen langen, sehr tiefen Schnitt am Oberarm und verlor immer mehr Blut.“

Als erfahrene Schulsanit­äterin wusste die 16-Jährige genau, was zu tun war. Der eintreffen­de Rettungsdi­enst musste nicht mehr eingreifen und brachte den Mann direkt ins Krankenhau­s. Erst später realisiert­e Nina Bäumler, was überhaupt geschehen war: „Danach musste ich erst einmal weinen und konnte auch einige Nächte lang nicht richtig schlafen. Ich hatte immer wieder die Bilder vor Augen.“

Treffen mit ihrem „Patienten“

An einem Nachmittag, gut vier Wochen nach der Messeratta­cke, traf sich Nina mit einem Freund im Aufenthalt­sraum der Humpisschu­le, um etwas zu essen. Ein junger Mann, der einige Tische weiter saß, starrte immer wieder zu den beiden hinüber. „Es hat eine Weile gedauert, aber dann habe ich ihn erkannt“, erzählt die 16-Jährige. Sofort seien ihr wieder die Ereignisse in den Kopf geschossen. „Ich bin eigentlich ganz froh, dass er sich nicht getraut hat, mich anzusprech­en. Dann kann ich dieses Thema abschließe­n.“

In Familie und Freundeskr­eis gab es jede Menge Lob für Ninas Zivilcoura­ge. Freundinne­n sagten ihr, sie hätten sich niemals getraut, in dieser Situation einzugreif­en. Für Nina war es eine Selbstvers­tändlichke­it: „Ich will doch auch, dass man mir hilft, wenn ich in Not bin.“Deshalb wurde die 16-Jährige am Dienstag ebenfalls vom Weißen Ring und Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp ausgezeich­net.

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FOTO: JULIUS BÖHM Die 16-jährige Nina Bäumler an der Stelle, an der sie einem der Verletzten der Messeratta­cke geholfen hat.

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