Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die Hälfte der Schüler kommt erschöpft nach Hause
Trotzdem gehen fast alle Kinder gerne zur Schule – Herkunft entscheidet über spätere Chancen
BERLIN – Den meisten Kindern in Deutschland geht es gut. Sie gehen gerne zur Schule, tauschen sich mit Eltern und Geschwistern aus und haben einen Freundeskreis. Das zeigt der Datenreport des Statistischen Bundesamt, der in diesem Jahr vor allem der Frage nachging „Wie leben Kinder in Deutschland?“
Die gute Nachricht: „Alles in allem gehe ich gerne zur Schule“sagen über vier Fünftel aller Schüler. Besonders Gymnasiasten (89 Prozent), aber auch Realschüler (88) und Grundschüler (86 Prozent) besuchen gerne den Unterricht, etwas weniger können sich die Hauptschüler (79 Prozent) begeistern. Fast alle verstehen sich mit ihren Mitschülern gut (über 90 Prozent) und sie fühlen sich von ihren Lehrern ernst genommen.
Kaum Zeit für Freunde
Doch bei all den guten Noten für Schule und Lehrer gibt es auch einen Befund, der aufhorchen lässt: Rund die Hälfte aller Schüler (57 Prozent der Gymnasiasten und 49 Prozent der Hauptschüler) fühlt sich nach der Schule meistens erschöpft. Rund ein Drittel klagt überdies: „Die Schule lässt mir kaum Zeit, mich mit meinen Freunden zu treffen“. Als „große Belastung“empfinden vor allem Hauptschüler den Unterricht (24 Prozent), wogegen nur 13 Prozent der Grundschüler sich überfordert fühlen.
Kein Wunder, dass die Zeit für Freunde geschrumpft ist. Während sich früher Kinder oft täglich mit Freunden trafen, tun sie dies heute ein- bis zweimal pro Woche. Zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten zählen an erster Stelle Sport treiben, dicht gefolgt vom Internet. Bücher lesen kann es mit Computer, Handy oder Spielkonsole nicht mehr ganz aufnehmen. Nur die Grundschüler lesen noch zu 84 Prozent, bei den Gymnasiasten sind es nur noch 63 Prozent. Dagegen sitzen rund 75 Prozent der älteren Schüler und 70 Prozent der Grundschüler gerne vor dem Computer.
Gymnasiasten spielen erste Geige
Ein Musikinstrument spielen die meisten Grundschüler, der Spaß am Musizieren lässt aber mit dem Alter nach. Knapp über die Hälfte der Gymnasiasten, aber nur 30 Prozent der Hauptschüler musizieren.
Drei viertel aller Kinder wachsen mit Vater und Mutter auf, auch wenn die Zahl der Haushalte von Alleinerziehenden steigt. Rund 17 Prozent wohnen bei nur einem Elternteil, vor 20 Jahren waren dies erst 12 Prozent.
Mutter bleibt die Beste: Erster Ansprechpartner bei Problemen ist die Mutter. Jedes dritte Kind unter drei Jahren geht in eine Kita oder zur Tagesmutter. In Westdeutschland sind es im Schnitt 29 Prozent, im Osten 52 Prozent.
Nach wie vor hängen die Bildungschancen von Kindern stark von ihrer sozialen Herkunft ab. Wenn die Eltern Abitur oder Studium haben, besuchen auch die Kinder das Gymnasium, wenn die Eltern Hauptschüler waren, bleiben die Kinder auf der Hauptschule. „Die Chancen von Kindern auf höhere Bildungsabschlüsse sind also höher, wenn die Eltern selbst einen hohen Bildungsstand haben“, heißt es im Bericht des Statistischen Bundesamts. „Klassenpositionen werden quasi vererbt“, sagt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung.
Während die Ausgaben für Kitas (gemessen am Anteil des Bruttoinlandsprodukt) gesteigert wurden, sanken die Ausgaben für Schulen in den letzten zehn Jahren leicht ab.
Beschämender Befund
Nach wie vor ist die Kinderarmut in Deutschland hoch. Sie stagniert seit Jahren: 15,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als armutsgefährdet. „Für eine reiche Volkswirtschaft wie Deutschland, deren wirtschaftliche Performance immer wieder gepriesen wird, ist das ein mehr als beschämender Befund“, sagt
Thomas Krüger. 36 Prozent der Kinder insgesamt haben einen Migrationshintergrund, das sind 4,9 Millionen in Deutschland. Bei ihnen ist das Risiko, von Armut gefährdet zu sein, dreimal höher als bei Kindern ohne Migrationshintergrund. Sie leben in Haushalten mit schlechterer finanzieller Ausstattung, auf weniger Wohnraum und besuchen seltener ein Gymnasium.
Vor diesem Hintergrund lobt Thomas Krüger das Gute-Kita-Gesetz als Schritt in die richtige Richtung. Der frühkindlichen Bildung komme eine große Bedeutung zu, und hier sei ein stärkeres Engagement nötig, „je früher, je besser“. Nach wie vor werde in Deutschland zu wenig für die Einzelförderung von Kindern getan, die am wichtigsten sei.