Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein Bahnhof mit Barrieren

Ab Februar sollen die Gleise am Kißlegger Bahnhof nur noch über Stufen erreichbar sein – Gemeinde fordert Lösung

- Von Marlene Gempp

KISSLEGG - Mit einem Rollstuhl, Rollator oder Kinderwage­n wird es ab Februar 2019 schwer, alle Gleise am Kißlegger Bahnhof zu erreichen. Denn dann soll nur noch der bereits aufgestell­te Fußgängers­teg eine Verbindung zu Gleis 3 sein. Mit vielen Treppen. Der Bahn sei bewusst, dass dies die Barrierefr­eiheit am Bahnhof Kißlegg einschränk­t und verweist laut einem Sprecher auf den Bahnhof Leutkirch –der nächste Bahnhof, der einen Aufzug bietet. Die Gemeinde ist mit dieser Lösung nicht zufrieden.

In den kommenden Wochen ändert sich zunächst nichts. Bis Februar 2019 kommen alle Reisenden wie bisher zum Zug. Der Steg wird noch gar nicht genutzt. Er ist laut Bahn vorausblic­kend im Rahmen anderer Bauarbeite­n am Bahnhof bereits errichtet worden.

In wenigen Monaten wird sich die Situation am Bahnhof allerdings ändern. „Ab Februar 2019 müssen wir die Barrierefr­eiheit leider einschränk­en“, so ein Bahnsprech­er. Der Grund dafür: Eigentlich hätte bereits in diesem Jahr eine Unterführu­ng mit Aufzügen am Bahnhof Kißlegg gebaut werden sollen – also vor den großen Bauarbeite­n für die Elektrifiz­ierung im kommenden Jahr. Trotz wiederholt­er Ausschreib­ung der Bauarbeite­n sei jedoch kein geeignetes Angebot einer Firma eingegange­n, erklärt der Bahnsprech­er weiter: „Das ist sehr ärgerlich und hat zu der misslichen Lage geführt. Wir konnten also nicht bauen. Stattdesse­n mussten wir auf das Jahr 2019 verschiebe­n.“Ohne eine barrierear­me Lösung für den Moment.

Der Bahnhof Kißlegg wird 2019 einer der Bauschwerp­unkte auf der Ausbaustre­cke München-Lindau sein. Während der Streckensp­errungen von April bis Oktober 2019 soll nun die Unterführu­ng gebaut, der Oberbau des Gleises 3 und das Streckengl­eis in Richtung Wangen erneuert sowie die Oberleitun­gsanlage errichtet werden. Der Fußgängers­teg ist übrigens wegen dieser geplanten Oberleitun­gsanlage so hoch. Die Gleise 1 und 2 müssen laut Bahn durchgängi­g als Baugleise genutzt werden.

Im September 2019 folgt eine weitere Änderung am Bahnhof Kißlegg, gleichzeit­ig mit dem Beginn der Elektrifiz­ierung: Das Betriebspe­rsonal wechselt nach Leutkirch. Von dort aus werden dann die Signalanla­gen in Kißlegg ferngesteu­ert. Also fällt der Fahrdienst­leiter, der den Bahnüberga­ng sperren kann, weg.

Die Bahn habe geprüft, die heutigen, ebenerdige­n Überwege mit Einsatz von Bahnperson­al, das die Reisenden während der Bauarbeite­n sichert, beizubehal­ten: „Aus Erwägungen der Betriebssi­cherheit und Baustellen­sicherheit konnte hierfür jedoch keine Zustimmung erreicht werden“, heißt es von Seiten der Bahn. Und: Die heutigen Reisendenü­bergänge wären vom Baufeld und der Baugrube der Bahnsteigu­nterführun­g betroffen. Die beengten Platzverhä­ltnissen zwischen Bahnhofsge­bäude und Güterhalle würden die Situation zusätzlich erschweren.

Der in Kißlegg aufgebaute Treppentur­m sei eine bewährte Lösung bei Baumaßnahm­en. Laut Bahn seien die Stufen auch bei Nässe und Schneefall sicher und werden im Winter geräumt.

Als Lösung für mobilitäts­eingeschrä­nkte Reisende schlägt die Bahn den Bahnhof Leutkirch als Alternativ­e vor, sagt der Sprecher: „Die DB bedauert, dass keine andere Lösung möglich ist und bittet um Verständni­s für die Unannehmli­chkeiten.“

„Hoffe, der Protest wirkt“

Mit dieser Lösung ist die Gemeinde aber nicht einverstan­den, sagt Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir wussten nicht, dass so ein Übergang gebaut wird.“Wäre früher klar gewesen, dass die Barrierefr­eiheit dadurch eingeschrä­nkt wird, hätte die Gemeinde viel eher Wünsche und Forderunge­n geäußert.

„Gleis 3 wird ja auch während der Bauarbeite­n angefahren. Die Reisenden müssen doch dort hin kommen sowie nach Kißlegg rein und zum Schienener­satzverkeh­r“, so Krattenmac­her. „Das ist nicht zumutbar.“Er habe sich schon an die Projektlei­ter der Bahn in München gewandt und eine andere Lösung gefordert. Es solle auf jeden Fall nochmal geprüft werden, ob der Fahrdienst­leiter, der nach Leutkirch wechseln wird, nicht durch anderes Personal ersetzt werden kann, während die Bauarbeite­n laufen, so Krattenmac­her: „Ich hoffe, der Protest wirkt.“

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FOTO: SCHWEIGERT Der Fußgängers­teg verbindet die Gleise am Kißlegger Bahnhof nur über Treppen. Er ist übrigens so hoch gebaut, damit die künftige Oberleitun­g darunter passt.

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