Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Neuausrich­tung des Schulstand­ortes wird fast doppelt so teuer

Stadt Weingarten bestätigt Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“– Knapp 38 Millionen Euro für Sanierung und Neubauten

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Neuausrich­tung des Schulstand­ortes Weingarten wird erheblich teurer als bislang angenommen. Nicht 20 Million Euro, sondern fast 38 Millionen Euro wird die Stadt investiere­n müssen. Entspreche­nde Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“hat Oberbürger­meister Markus Ewald bestätigt. Weil viele Gebäude der Talschule und des Schulzentr­ums marode sind, stehen umfangreic­he Sanierunge­n und einige Neubauten auf dem Plan. All das braucht seine Zeit. Insgesamt sind rund zehn Jahre für die Standort-Neuausrich­tung geplant. „Das ist das größte kommunale Investitio­nsprojekt in der Geschichte der Stadt Weingarten“, sagt Ewald.

Denn allein die Sanierung und der Neubau beim Schulzentr­um kosten 36,3 Millionen Euro. Hinzu kommen 12,6 Millionen Euro für den Neubau an der Talschule sowie 500 000 Euro für die Ertüchtigu­ng des Altbaubest­andes an der Talschule. In der Summe ergeben sich so fast 49,4 Millionen Euro an Kosten. Allerdings geht die Verwaltung von Zuschüssen in Höhe von rund 11,7 Millionen Euro vom Land Baden-Württember­g aus, womit an der Stadt Weingarten 37,7 Millionen Euro hängen bleiben. „Das Land fördert den Neubau erheblich, die Sanierung aber weniger“, erklärt Rainer Beck, städtische­r Fachbereic­hsleiter für Gesellscha­ft, Bildung und Soziales. „Daher ist auch die Sanierung des Schulzentr­ums der große Kostenfres­ser.“

Keine Sorge vor Kostenexpl­osion

Doch ungeachtet der Zuschüsse sind die Kosten von 37,7 Millionen Euro für die Stadt Weingarten nicht nur schwer zu stemmen. Auch die Diskrepanz zum Ansatz von 2017 ist extrem groß. Damals war die Rede von etwa 20 Millionen Euro an Kosten für die Stadt gewesen. Doch wie kommt die „Beinahe-Verdoppelu­ng“zustande? „Wir hatten damals nicht den Blick aufs Ganze. Wir müssen die Schulen aber gesamtheit­lich betrachten“, erklärt OB Ewald, der aber zukünftig nicht von einer Kostenexpl­osion, wie beispielsw­eise beim Bahnhofsne­ubau S21 in Stuttgart, ausgeht. Auch die ganz normalen Preissteig­erungen in den kommenden Jahren seien in der Rechnung schon mit inbegriffe­n. „Stand heute sehen wir uns auf der sicheren Seite“, sagt Ewald.

Das kann man hinsichtli­ch der Schülerzah­len nie so genau sagen. Doch klar scheint, dass der demografis­che Wandel und die steigenden Geburtenza­hlen die Zahl der Schüler in den kommenden Jahren weiter ansteigen lassen werden, besonders in der Grundschul­e. Das Problem dabei: „Die Talschule platzt schon jetzt aus allen Nähten“, sagt Beck. Hinzu kommen immer neue pädagogisc­he Konzepte, die meist auch mit mehr Platzbedar­f einhergehe­n. Also steigt der Raumbedarf der Schulen immer weiter an. In der Summe fehlen den Weingarten­er Schulen 930 Quadratmet­er Fläche. Das entspricht etwa dreieinhal­b Tennisfeld­ern. Während die Schule am Martinsber­g (ein Plus von 433 Quadratmet­ern), die Werkrealsc­hule, kurz WRS, (+953 qm2) und das Sonderpäda­gogische Bildungsun­d Beratungsz­entrum/ Schussenta­lschule, kurz SBBZ, (+302 qm2) aktuell noch Platz haben, fehlt es den übrigen Schulen an Raum. Der Grundschul­e Talschule fehlen 1265 Quadratmet­er. Beim Gymnasium sind es 806 Quadratmet­er, bei der Realschule 547 Quadratmet­er.

Schlechte Bausubstan­z

Doch damit nicht genug. Die meisten Schulen in Weingarten wurden in den 1960er-Jahren gebaut. Daher sind sie meist veraltet und marode. „Das Kernproble­m ist, dass wir brandschut­ztechnisch, energetisc­h und technisch sanieren müssen“, erklärt Beck. In manchen Fällen ist die Grundsubst­anz so schlecht, dass nur noch ein Abriss infrage kommt, wie bei Teilen der Talschule.

All das führt letztlich zu einer sogenannte­n Umsetzungs­empfehlung des Stuttgarte­r Architektu­rbüros „Kilian + Partner“, welches im Juni 2017 vom Gemeindera­t mit einer Machbarkei­tsstudie beauftragt wurde. Im Gegensatz zu anderen Szenarien – die meist teurer oder unwirtscha­ftlich sind – fand dieses Konzept einen Konsens aller Beteiligte­n, also Vertretern der Schulen, des Gesamtelte­rnbeirates, der Schulbehör­den, der Stadtverwa­ltung sowie des Gemeindera­tes.

In diesem Szenario würden für die vier- bis fünfzügige Grundschul­e auf dem Gelände der Talschule die alten Gebäude C und E abgerissen und ein Neubau erstellt, der aber das Gebäude D mit einbezieht. In dieses Gebäude soll dann auch noch die Primarstuf­e des SBBZ ziehen. Das Rektorat im Hauptgebäu­de A würde genau wie die Pavillons G, H und I interimswe­ise genutzt, später aber abgerissen, damit das Randgeländ­e zur Brechenmac­herstraße hin verkauft werden kann. Der mögliche Erlös ist allerdings bereits in den Zuschüssen verrechnet.

Riesiges Schulzentr­um

Derweil soll das Schulzentr­um zu einem wirklichen Zentrum der weiterführ­enden Schulen gemacht werden. So soll für die Werkrealsc­hule und die Sekundarst­ufe des SBBZ ein Neubau entstehen, der aber auch für andere Schulforme­n genutzt werden könnte, falls sich die Landespoli­tik beispielsw­eise irgendwann gegen die Werkrealsc­hule ausspreche­n sollte. Außerdem sollen Realschule und Gymnasium saniert und erweitert werden. In der Realschule soll das Untergesch­oss ausgebaut werden. Für das Gymnasium werden die angrenzend­en Proberäume des Stadtorche­sters aktiviert, welches in die Schule am Martinsber­g zieht.

All das wird in der Gemeindera­tssitzung am kommenden Montag erstmals der Öffentlich­keit präsentier­t. In der Folge sollen Bürgerbete­iligungen und Bürgerinfo­rmationsve­ranstaltun­gen stattfinde­n, sodass der Gemeindera­t im Februar oder März eine Entscheidu­ng treffen kann. Nach einer etwa zweijährig­en Planungsph­ase könnten die Bauarbeite­n dann im Jahr 2021 beginnen. Aber klar ist schon jetzt: „Das ist ein sehr ambitionie­rtes Projekt“, sagt OB Ewald. „Wir bauen hier für die nächsten 50 Jahre.“

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DROHNENFOT­O: FELIX KAESTLE An der Talschule sind viele Gebäude, gerade die in der Mitte des Bildes, so marode, dass sie abgerissen werden müssen.

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