Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Neuausrichtung des Schulstandortes wird fast doppelt so teuer
Stadt Weingarten bestätigt Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“– Knapp 38 Millionen Euro für Sanierung und Neubauten
WEINGARTEN - Die Neuausrichtung des Schulstandortes Weingarten wird erheblich teurer als bislang angenommen. Nicht 20 Million Euro, sondern fast 38 Millionen Euro wird die Stadt investieren müssen. Entsprechende Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“hat Oberbürgermeister Markus Ewald bestätigt. Weil viele Gebäude der Talschule und des Schulzentrums marode sind, stehen umfangreiche Sanierungen und einige Neubauten auf dem Plan. All das braucht seine Zeit. Insgesamt sind rund zehn Jahre für die Standort-Neuausrichtung geplant. „Das ist das größte kommunale Investitionsprojekt in der Geschichte der Stadt Weingarten“, sagt Ewald.
Denn allein die Sanierung und der Neubau beim Schulzentrum kosten 36,3 Millionen Euro. Hinzu kommen 12,6 Millionen Euro für den Neubau an der Talschule sowie 500 000 Euro für die Ertüchtigung des Altbaubestandes an der Talschule. In der Summe ergeben sich so fast 49,4 Millionen Euro an Kosten. Allerdings geht die Verwaltung von Zuschüssen in Höhe von rund 11,7 Millionen Euro vom Land Baden-Württemberg aus, womit an der Stadt Weingarten 37,7 Millionen Euro hängen bleiben. „Das Land fördert den Neubau erheblich, die Sanierung aber weniger“, erklärt Rainer Beck, städtischer Fachbereichsleiter für Gesellschaft, Bildung und Soziales. „Daher ist auch die Sanierung des Schulzentrums der große Kostenfresser.“
Keine Sorge vor Kostenexplosion
Doch ungeachtet der Zuschüsse sind die Kosten von 37,7 Millionen Euro für die Stadt Weingarten nicht nur schwer zu stemmen. Auch die Diskrepanz zum Ansatz von 2017 ist extrem groß. Damals war die Rede von etwa 20 Millionen Euro an Kosten für die Stadt gewesen. Doch wie kommt die „Beinahe-Verdoppelung“zustande? „Wir hatten damals nicht den Blick aufs Ganze. Wir müssen die Schulen aber gesamtheitlich betrachten“, erklärt OB Ewald, der aber zukünftig nicht von einer Kostenexplosion, wie beispielsweise beim Bahnhofsneubau S21 in Stuttgart, ausgeht. Auch die ganz normalen Preissteigerungen in den kommenden Jahren seien in der Rechnung schon mit inbegriffen. „Stand heute sehen wir uns auf der sicheren Seite“, sagt Ewald.
Das kann man hinsichtlich der Schülerzahlen nie so genau sagen. Doch klar scheint, dass der demografische Wandel und die steigenden Geburtenzahlen die Zahl der Schüler in den kommenden Jahren weiter ansteigen lassen werden, besonders in der Grundschule. Das Problem dabei: „Die Talschule platzt schon jetzt aus allen Nähten“, sagt Beck. Hinzu kommen immer neue pädagogische Konzepte, die meist auch mit mehr Platzbedarf einhergehen. Also steigt der Raumbedarf der Schulen immer weiter an. In der Summe fehlen den Weingartener Schulen 930 Quadratmeter Fläche. Das entspricht etwa dreieinhalb Tennisfeldern. Während die Schule am Martinsberg (ein Plus von 433 Quadratmetern), die Werkrealschule, kurz WRS, (+953 qm2) und das Sonderpädagogische Bildungsund Beratungszentrum/ Schussentalschule, kurz SBBZ, (+302 qm2) aktuell noch Platz haben, fehlt es den übrigen Schulen an Raum. Der Grundschule Talschule fehlen 1265 Quadratmeter. Beim Gymnasium sind es 806 Quadratmeter, bei der Realschule 547 Quadratmeter.
Schlechte Bausubstanz
Doch damit nicht genug. Die meisten Schulen in Weingarten wurden in den 1960er-Jahren gebaut. Daher sind sie meist veraltet und marode. „Das Kernproblem ist, dass wir brandschutztechnisch, energetisch und technisch sanieren müssen“, erklärt Beck. In manchen Fällen ist die Grundsubstanz so schlecht, dass nur noch ein Abriss infrage kommt, wie bei Teilen der Talschule.
All das führt letztlich zu einer sogenannten Umsetzungsempfehlung des Stuttgarter Architekturbüros „Kilian + Partner“, welches im Juni 2017 vom Gemeinderat mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt wurde. Im Gegensatz zu anderen Szenarien – die meist teurer oder unwirtschaftlich sind – fand dieses Konzept einen Konsens aller Beteiligten, also Vertretern der Schulen, des Gesamtelternbeirates, der Schulbehörden, der Stadtverwaltung sowie des Gemeinderates.
In diesem Szenario würden für die vier- bis fünfzügige Grundschule auf dem Gelände der Talschule die alten Gebäude C und E abgerissen und ein Neubau erstellt, der aber das Gebäude D mit einbezieht. In dieses Gebäude soll dann auch noch die Primarstufe des SBBZ ziehen. Das Rektorat im Hauptgebäude A würde genau wie die Pavillons G, H und I interimsweise genutzt, später aber abgerissen, damit das Randgelände zur Brechenmacherstraße hin verkauft werden kann. Der mögliche Erlös ist allerdings bereits in den Zuschüssen verrechnet.
Riesiges Schulzentrum
Derweil soll das Schulzentrum zu einem wirklichen Zentrum der weiterführenden Schulen gemacht werden. So soll für die Werkrealschule und die Sekundarstufe des SBBZ ein Neubau entstehen, der aber auch für andere Schulformen genutzt werden könnte, falls sich die Landespolitik beispielsweise irgendwann gegen die Werkrealschule aussprechen sollte. Außerdem sollen Realschule und Gymnasium saniert und erweitert werden. In der Realschule soll das Untergeschoss ausgebaut werden. Für das Gymnasium werden die angrenzenden Proberäume des Stadtorchesters aktiviert, welches in die Schule am Martinsberg zieht.
All das wird in der Gemeinderatssitzung am kommenden Montag erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. In der Folge sollen Bürgerbeteiligungen und Bürgerinformationsveranstaltungen stattfinden, sodass der Gemeinderat im Februar oder März eine Entscheidung treffen kann. Nach einer etwa zweijährigen Planungsphase könnten die Bauarbeiten dann im Jahr 2021 beginnen. Aber klar ist schon jetzt: „Das ist ein sehr ambitioniertes Projekt“, sagt OB Ewald. „Wir bauen hier für die nächsten 50 Jahre.“