Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Beim Topspiel ist richtig Druck drauf“
Sport1-Chefredakteur Dirc Seemann über Volleyball als Fernsehsportart und die Zukunft der Übertragung
RAVENSBURG - Als Fernsehsender bedient Sport1, ehemals DSF, seit 25 Jahren nicht nur die Nachfrage nach der großen Fußballwelt, sondern stellt auch immer wieder andere Sportarten in den Fokus. Seit dieser Saison ist auch die Volleyballbundesliga wieder verstärkt präsent. Felix Alex hat mit Chefredakteur Dirc Seemann über den VfB Friedrichshafen, den Volleyball-Clasico und die Zukunft der regionalen Übertragung gesprochen.
Herr Seemann, Ihr Sender setzt wieder verstärkt auf Volleyball. Was macht den Reiz bzw. die Fernsehtauglichkeit dieser Sportart aus?
Volleyball ist in höchstem Maße dynamisch und die deutschen Topmannschaften sind auch international in der Lage sich erfolgreich zu messen. Internationale Spitzenspieler sind ebenfalls in der Liga und deshalb sollte der Volleyball durchaus den Wettbewerb mit Basketball, Eishockey und sicher auch Handball aufnehmen. Zudem ist es den Ligen gelungen, im Bereich Professionalität einen Schritt nach vorne zu machen – bei den Übertragungen, bei der Verlässlichkeit als TV-Partner, aber auch im ganzen Erscheinungsbild des Sports. Früher hat man schon mal in der Großturnhalle gespielt.
Ist der Zuschauermarkt bei dem reichhaltigen Sportangebot denn überhaupt vorhanden?
Wir haben jetzt bis Ende der Saison 2020/21 eine Kooperation mit der Volleyball-Bundesliga abgeschlossen und es ist auch unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Sportart mehr Aufmerksamkeit generiert. Das tun wir aktuell unter anderem mit dem Volleytalk auf unseren digitalen Plattformen und HighlightClips. Bisher sind wir sehr zufrieden, auch wenn die Messungen sehr sprunghaft sind. Da darf man sich nicht erschrecken, wenn ein Spiel mal nur 60 000 Zuschauer hat. Wenn die Topspiele aber auf über 200 000 in der Spitze kommen, wissen wir schon, dass da richtig Druck drauf ist.
Nun steht das Topspiel des VfB Friedrichshafen gegen Berlin an. Wie wichtig ist so ein Zugpferd?
Solche Spiele sind selbst für den Nicht-Volleyballinsider ein Clasico. Mit diesem absoluten Topspiel und seinen Facetten können wir sehr gut Geschichten erzählen und das Ganze größer fahren. Und wenn du so ein Pfund hast, sind auch wir als Sender gefordert.
Vor allem in diesem Jahr, nachdem Sie im vergangenen keine Rechte besaßen als sich durch die Rückkehr Stelian Moculescus nach Berlin und dem Titelkrimi die Ereignisse überschlugen. Da ärgert man sich schon gewaltig oder?
Wenn man so eine Vorlage bekommt, würde man die gerne mitnehmen, klar. Schauen wir nun einfach, ob das aktuelle Jahr einen ähnlichen Spannungsbogen bietet. Die Strahlkraft von Friedrichshafen ist ohnehin groß, deshalb zeigen wir die Häfler im Dezember direkt nochmal gegen Düren. Es ist wichtig, dass wir die verschiedenen Hochburgen mobilisieren.
Auffällig ist, dass der Anteil der Spiele der Frauen-Liga über dem der Männer liegt. Spielen da auch die optischen Anreize eine Rolle, die vielleicht noch ein paar mehr Zuschauer bringen?
Vorneweg: Wir machen keine Zuschauerumfragen. Es sollte mich sehr wundern, aber wenn das ein Einschaltimpuls ist, dann ist es ein Beiwerk, jedoch kein Grund für uns zu übertragen. Die Qualität des Frauensports fällt in der Dynamik im Vergleich zu den Männern beim Zuschauen nicht so stark ab und deshalb ist es bei beiden Geschlechtern hochinteressant. Ich glaube sogar, dass, wenn ein Frauensport eine Chance hat, sich aus dem Schatten der Männer zu bewegen, dann gelingt es am ehesten im Volleyball.
Themenwechsel: Mit sporttotal.tv (festinstallierte Kameras auf Amateurplätzen) ist der nächste Schritt gegangen. Ist das die Zukunft der Sportübertragung?
Es ist auf jeden Fall eine Zukunft der Sportübertragung. In der Startphase wird ja noch parallel produziert und wir denken, dass dieses Kamerakonzept Potenzial besitzt. Wer hat zum Beispiel als Friedrichshafener immer eine Chance zu jedem Auswärtsspiel zu fahren? Wenn ich das Match allerdings immer serviert bekomme, halte ich das für einen attraktiven Service für den Fan.
Das betrifft auch die unteren Fußballligen, aber dann reden wir auch plötzlich von der zweiten Liga im Volleyball. Wenn es wirklich nur eine Einmalinvestition im niedrigen fünfstelligen Bereich ist, man einmal aufgehängt alle Spiele zeigen kann – da können wir alle nur gewinnen. Es werden natürlich keine Straßenfeger, sondern Streams, die vor allem regional eine Rolle spielen. Es ist ein gutes Alternativangebot, ohne der Stadionkultur etwas wegzunehmen.