Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Besserer Schutz für Patienten geplant
Wer hilft, wenn Ärzte Fehler machen? Die Regierung arbeitet an besseren Antworten
BERLIN - Fehler zu machen, ist menschlich. Wenn ein Mediziner etwas falsch macht, kann das aber schwere Schäden bei Patienten bewirken. Als Betroffener dann wenigstens Schadenersatz zu erstreiten, ist allerdings sehr schwierig. Das soll sich nun ändern.
Es sind Horrorvorstellungen: Eine Schere, die nach der Operation im Bauchraum vergessen wird. Das falsche Organ, das entnommen wird, der falsche Patient, der operiert wird, das falsche Medikament, das verordnet wird, die falsche Diagnose, die gestellt wird. Behandlungsfehler gibt es zu Tausenden. Jahr für Jahr. Doch sie landen äußerst selten vor Gericht.
Der Nachweis, dass ein Kunstfehler zu Schäden beim Patienten geführt hat, ist sehr schwer. Wem als Patient klar wird, dass bei seiner Behandlung etwa schief gelaufen ist und er deshalb unnötig leidet, schreckt zumeist vor einer Klage zurück. Bisher nämlich gilt: Der Patient trägt die Beweislast. Dass der Fehler des Arztes tatsächlich für den Gesundheitsschaden verantwortlich ist, muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen werden. „Ein solcher Nachweis ist in der Medizin allerdings kaum zu führen“, meint Karl-Josef Laumann, derzeit Chef der Gesundheitsministerkonferenz der Länder und früher Patientenbeauftragter der Bundesregierung. Fast immer kämen mehrere mögliche Ursachen in Betracht. Ausnahme seit 2013: Grobe Behandlungsfehler. Da muss der Arzt nachweisen, dass sein Fehler nicht ursächlich für den Schaden war. Jedoch gilt das nur für extreme Fälle, etwa wenn der Operateur ein anderes als das kranke Organ entnimmt.
Die Länder hatten deshalb bei ihrer Konferenz im Juni die Bundesregierung einhellig aufgefordert, hier etwas im Sinne der Patienten zu tun. Genau das soll nun passieren. Bevor sich der bisherige Patientenbeauftragte Ralf Brauksiepe in diesem Monat in die Privatwirtschaft verabschiedete, hat er dem Bundesjustizministerium noch eine Gesetzesänderung vorgeschlagen. Nach der soll in Zukunft beim Nachweis, dass der Fehler für den Schaden verantwortlich ist, die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“reichen. Denn die bisherige Praxis habe dazu geführt, dass oft die Schwere des Fehlers darüber entscheidet, ob ein Patient Schadenersatz erhält oder nicht. Ob der ärztliche Fehler leicht oder schwer war, soll aber für die Frage des Schadenersatzes ohne Bedeutung sein, heißt es von Bettina Godschalk, die die Geschäftsstelle des Patientenbeauftragten leitet.
Beweislast soll bei Ärzten liegen
Ein entsprechender Vorschlag werde derzeit mit den Ministerien für Justiz und Gesundheit diskutiert. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion hofft auf eine Einigung. Denn, sagt Sabine Dittmar, die mit dem Patientenrechtegesetz geregelte Umkehr der Beweislast bei einem groben Behandlungsfehler „war wichtig, ist aber bei Weitem nicht ausreichend“. Weitergehende Beweiserleichterungen seien notwendig, um Geschädigten zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber auch dann würden gerichtliche Verfahren noch lange dauern. Dittmar fordert deshalb zusätzlich einen Härtefallfonds, der Betroffenen Soforthilfe gewährt. Eine Forderung, die auch Sylvia Gabelmann, für die Linke im Gesundheitsausschuss, teilt. Man müsse Opfern von Kunstfehlern schnell und unbürokratisch Hilfe leisten. Ähnlich sieht das Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Die Beweislast für Geschädigte müsse herabgesetzt werden. Skepsis gibt es lediglich bei der FDP. Katrin Helling-Plahr, für Patientenschutz zuständig, fürchtet, dass Ärzte angesichts drohender Prozesse nicht mehr bereit seien, Verantwortung zu übernehmen.
Ob und wann eine Änderung Gesetz wird, lässt sich laut Bettina Godschalk derzeit nicht abschätzen. Das hängt wohl auch davon ab, ob rasch ein neuer, durchsetzungsfähiger Patientenbeauftragter gefunden wird. Und wie lange Union und SPD in der Bundesregierung bleiben.