Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Urteil zu Wasserversorgungsbeitrag gefallen
Gericht: Vorgehen der Stadt ist rechtswidrig – Freude bei Aulendorfer „Wasserbetroffenen“
AULENDORF/SIGMARINGEN - Es ist ein Erfolg für die „Wasserbetroffenen“in Aulendorf: Nach jahrelangem Streit um die rückwirkende Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen ist nun ein Urteil zugunsten der Betroffenen gefallen. Das Verwaltungsgericht in Sigmaringen ließ zwar nicht alle Argumente der „Wasserbetroffenen“gelten, trotzdem hob es den Beitragsbescheid für den verhandelten Musterfall auf. Ins Gewicht fiel dabei offenbar die jahrzehntelange schludrige Vorgehensweise der Aulendorfer Stadtverwaltung im Wasser- und Abwasserwesen. Das geht aus der Urteilsbegründung hervor, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Die Stadt Aulendorf prüft derzeit, ob sie das Urteil anfechten will.
Freude bei den Betroffenen
„Die Freude bei den Betroffenen ist groß. Letztlich zählt, was als Ergebnis herausgekommen ist“, berichtet Dietrich Kuntz, der den Fall als freier Mitarbeiter der Kanzlei Lützow seit Langem begleitet. Mit der Urteilsbegründung indes sei er weniger zufrieden. So hätte er sich etwa eine grundsätzliche Aussage zur Problematik der Höchstgrenze, bis wann Beiträge rückwirkend erhoben werden dürfen, gewünscht. Geurteilt hatte das Gericht über einen Fall, in dem die Stadt Ende 2016 einen Beitragsbescheid über knapp 3000 Euro verschickt hatte – für eine Anschlussmöglichkeit, die bereits 1993 oder 1996 entstand.
Rückblick: Über viele Jahre hinweg hatte die Stadt Aulendorf es versäumt, in allen Fällen Wasserversorgungsbeiträge zu erheben. Nachdem sie eine neue Wasserversorgungssatzung erließ, die 2012 in Kraft trat, wollte sie dies nachholen. Von den ursprünglich angenommenen rund 1000 alten Veranlagungsfällen, über die Beiträge von rund einer Million Euro in die Stadtkasse hätten kommen sollen, sind am Ende nur wenige geblieben. Für 17 Altfälle verschickte die Stadt letztlich Ende 2016 noch Beitragsbescheide an die Grundstückeigentümer. 15 Parteien wehrten sich gegen die bis zu 30 Jahre rückwirkende Erhebung und klagten schließlich. Dabei geht es insgesamt heute noch um knapp 200 000 Euro an Beiträgen.
Urteil überrascht im Rathaus
Die nun entschiedene Klage wurde als Musterverfahren geführt, quasi stellvertretend für die anderen 14 Klagen weiterer „Wasserbetroffener“, deren Verfahren in der Zwischenzeit ruhten. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Wasserversorgungsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid vom Landratsamt aufzuheben sind, „weil sie rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzt“. So stuft es das Vorgehen der Stadt als rechtswidrig ein, „weil sie (die Stadt, Anm. d. Red.) gegen den Grundsatz von Treu und Glauben in Form der unzulässigen Rechtsausübung verstößt“. Dabei geht es nicht um die lange Zeit, die seit 1993/96 vergangen ist, sondern auch um Pflichtverletzungen der Stadtverwaltung. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass es unter Berücksichtigung aller Aspekte „nicht mehr zumutbar“ist, einen Wasserversorgungsbeitrag über knapp 3000 Euro zu erheben.
Im Aulendorfer Rathaus liegt das Urteil vom 12. September samt Begründung vollständig seit dem 30. Oktober vor. „Wir waren schon überrascht“, sagt Bürgermeister Matthias Burth. Ob die Stadt das Urteil anfechten will, „werden wir mit unserem Anwalt besprechen und das Thema dann im Gemeinderat entscheiden“, so Burth. Das Thema nun auf sich beruhen zu lassen und die 14 anderen Bescheide zurückzunehmen, kommt für Burth so einfach nicht infrage. „Eine Gerechtigkeit gibt es hier nicht mehr“, aber es gelte zu prüfen, was die gerechteste Variante sei, sagt das Stadtoberhaupt und verweist auf eine „Gesamtverantwortung gegenüber allen Beitragszahlern“, die irgendwann Beiträge bezahlt haben. Der Gemeinderat wird sich noch im November mit dem Thema befassen müssen, denn die Stadt hat nur noch bis Monatsende Zeit, beim Verwaltungsgericht in Sigmaringen gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen.
Bei Anschluss eines Grundstückes an die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung müssen Grundstückseigentümer einen sogenannten Anschlussbeitrag zahlen. Durch diese Beiträge finanziert die Gemeinde die Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen wie beispielsweise Kanäle, Kläranlagen und Regenrückhaltebecken. Die Höhe des Wasserversorgungsbeitrags richtet sich nach der Wasserversorgungssatzung der Stadt Aulendorf. Die Rechtsgrundlage bildet das Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg. (pau)