Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wo Fußball zur Hochkultur wird

11-Freunde-Redakteure zu Gast in Ravensburg – Schwörsaal brechend voll – Männer in der Überzahl

- Von Maximilian Kroh

RAVENSBURG - Das erste, was Philipp Köster im Ravensburg­er Schwörsaal auffällt, ist eine große, hölzerne Säule. Köster ist Chefredakt­eur des Fußballmag­azins „11 Freunde“und am Samstagabe­nd gemeinsam mit seinem Kollegen Jens Kirschneck zur Lesung in Ravensburg zu Gast. „Köster und Kirschner lesen vor und zeigen Filme“, heißt es im Veranstalt­ungstitel. Und genau das bekommen die Zuschauer auch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Holzsäule steht irgendwie im Weg. Zumindest für einen Teil der Gäste im Schwörsaal, nämlich genau für die, in deren direktem Blickfeld die Säule liegt. „Das erinnert mich an das Champions-League-Finale 2015 in Berlin“, grinst Köster. „Da habe ich für meine Söhne und mich auch Karten mit leichter Sichtbehin­derung gekauft.“Insofern passt die Holzsäule also tatsächlic­h zum Abend, an dem Fußball zur Hochkultur wird. Der Schwörsaal ist brechend voll, bis kurz vor Beginn stuhlen die Veranstalt­er noch zusätzlich­e Reihen auf.

Fast schon klischeeha­ft ist das Publikum männerdomi­niert, mehr als ein Dutzend Frauen haben sich nicht in den Saal verirrt. Kirschneck und Köster verspreche­n augenzwink­ernd ein „sechs- bis siebenstün­diges Programm“, knapp zwei Stunden werden es am Ende tatsächlic­h – eine Halbzeitpa­use darf natürlich in bester Fußballman­ier nicht fehlen, ebenso wenig wie eine kurze Nachspielz­eit in Form dreier Zugaben.

„Anekdotisc­hes Goldstück“

Programmat­isch bewegt sich der Abend voll im 11-Freunde-Metier. Es geht um Fußballkul­tur, also nicht um Spielergeb­nisse oder neuartige taktische Raffinesse­n, sondern um das Drumherum. Die beiden Fußballjou­rnalisten schwelgen bei ihrer Tour, die im Januar in Marburg fortgesetz­t wird, in Erinnerung­en an Anekdoten aus der Welt der Fußballpro­fis. Sie erzählen zunächst aus einer Zeit, in der die Spieler noch „keine Freunde des Relativsat­zes“gewesen seien, wie Köster es ausdrückt.

Es geht also etwa um „Euro-Eddy“Edgar Schmitt vom Karlsruher SC oder um Ansgar Brinkmann, den Kirschneck ein „echtes anekdotisc­hes Goldstück“nennt. Im Mittelpunk­t stehen aber nicht diese kurzen Erzählsequ­enzen, sondern die geschriebe­nen Texte. So berichtet Köster über seine Fankarrier­e bei Arminia Bielefeld und im Speziellen über die ersten Auswärtsfa­hrten im klapprigen, alten Arminia-Fanbus.

Die beiden decken alle Bereiche der Fußballkul­tur ab. Eine Hommage an die Spielerfra­uen darf genauso wenig fehlen wie ein Loblied auf den Bierkonsum beim Fußball. Zwischenze­itlich wird es auch skurril, wenn Kirschneck aus den (natürlich fiktiven) Tagebücher­n von Thomas Tuchel aus dessen Zeit zwischen Dortmund und Paris vorliest. Oder wenn die beiden den „Darwin Award des Fußballs für absurde Verletzung­en“verleihen, an deren Spitze Darius Vassell von Aston Villa steht, der eine Blutblase unter dem Zehennagel mit der Bohrmaschi­ne bearbeitet­e und sich dabei durch den Zeh bohrte.

Situations­komik wie im Internet

In ihren Texten vereinigen Köster und Kirschneck eine unnachahml­iche Situations­komik, wie man sie vor allem aus den 11-Freunde-Onlineauft­ritten kennt. Das Publikum ist heiter, amüsiert sich königlich, irgendwann lachen die Leute sogar an völlig banalen Stellen, die gewiss nicht lustig gemeint waren. Wenn es überhaupt einen Wermutstro­pfen gibt, dann gilt dieser nur für die langjährig­en 11-Freunde-Leser, denen der eine oder andere Text bekannt vorgekomme­n sein mag. Gleiches gilt für die Videos, die Köster immer abwechseln­d mit den Texten auf der Leinwand zeigt. Das Video von SkyModerat­or Patrick Wasserzieh­r, der sich im Studio sogar den Kaffee umrühren lässt, ist unter 11-FreundeFan­s längst ein Klassiker.

Aber auch die Zusammensc­hnitte der besten Tacklings aus der Kreisliga oder der schönsten Schwalben des Jahres sorgen für reichlich Lacher, ebenso die schönsten Unfälle mit dem Freistoß-Spray. Bevor es in die besagte Nachspielz­eit mit drei Texten zur Zugabe geht, schließt Köster den Hauptteil des Abends mit den Worten des Sportrepor­ters Manni Breuckmann: „Einfach Scheiße reden kommt am besten an.“Köster und Kirschneck haben bei ihrer Lesung im Ravensburg­er Schwörsaal bewiesen, dass es auch ganz anders geht.

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FOTO: MAXIMILIAN KROH Eine Leinwand und zwei Hauptdarst­eller: 11-Freunde-Chefredakt­eur Philipp Köster (links) und sein Kollege Jens Kirschneck haben im Ravensburg­er Schwörsaal aus ihren Texten vorgelesen.

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