Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

So löst man keine Asyl-Probleme

- Von Sebastian Heinrich ●» s.heinrich@schwaebisc­he.de

Friedrich Merz, Kandidat auf den CDU-Parteivors­itz und möglicher Kanzlerkan­didat für die Union, will am Grundrecht für Asyl herumdokte­rn. Doch sein Vorstoß ist Unfug – und er würde Europas Asyl-Probleme nicht lösen.

Der Vorstoß ist falsch, weil Merz’ Hauptargum­ente nicht stechen. Erstens haben – anders, als Merz behauptet – sehr wohl andere Länder ein individuel­les Asylrecht in der Verfassung stehen: unter anderem Italien. Das Asylgrundr­echt war deutschen wie italienisc­hen Verfassung­svätern eine Lehre aus den mörderisch­en faschistis­chen Diktaturen Hitlers und Mussolinis.

Zweitens ist Merz’ Behauptung falsch, das Asylgrundr­echt stünde einem besseren europäisch­en Asylsystem im Weg. Dieses Grundrecht ist längst auf europäisch­e Lösungen getrimmt: Artikel 16a des Grundgeset­zes wurde 1993 – nach heftigstem politische­m Streit – massiv eingeschrä­nkt: In ihm steht seither, dass Menschen sich nicht mehr auf das Grundrecht berufen dürfen, wenn sie aus einem anderen EU-Staat einreisen – oder aus einem sicheren Herkunftsl­and. Deshalb dürfen sich heute schon nur noch etwa ein Prozent der bleibebere­chtigten Flüchtling­e aufgrund von Artikel 16a in Deutschlan­d aufhalten. Die restlichen Erlaubniss­e basieren auf Völkerrech­t, wie der Genfer Flüchtling­skonventio­n. Und Völkerrech­t – das dürfte Friedrich Merz wissen – hat in Deutschlan­d in aller Regel dasselbe Gewicht wie Bundesrech­t.

Merz hat recht, wenn er sagt, dass das europäisch­e Asylsystem heute schlecht funktionie­rt. Aber das deutsche Asylgrundr­echt ist nicht der Grund dafür. Viele Rückführun­gen von Asylbewerb­ern in andere Länder scheitern etwa, weil manche Staaten überforder­t sind – zum Beispiel Italien und Griechenla­nd. Und weil andere nur nationalem Egoismus folgen: Dazu gehört Frankreich, allzu oft aber auch Deutschlan­d.

Die Überwindun­g dieses nationalen Egoismus wäre enorm wichtig, um ein besseres europäisch­es Asylrecht zu bekommen. Darauf sollte Friedrich Merz abzielen. Und nicht darauf, die AfD rechts zu überholen.

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