Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
So löst man keine Asyl-Probleme
Friedrich Merz, Kandidat auf den CDU-Parteivorsitz und möglicher Kanzlerkandidat für die Union, will am Grundrecht für Asyl herumdoktern. Doch sein Vorstoß ist Unfug – und er würde Europas Asyl-Probleme nicht lösen.
Der Vorstoß ist falsch, weil Merz’ Hauptargumente nicht stechen. Erstens haben – anders, als Merz behauptet – sehr wohl andere Länder ein individuelles Asylrecht in der Verfassung stehen: unter anderem Italien. Das Asylgrundrecht war deutschen wie italienischen Verfassungsvätern eine Lehre aus den mörderischen faschistischen Diktaturen Hitlers und Mussolinis.
Zweitens ist Merz’ Behauptung falsch, das Asylgrundrecht stünde einem besseren europäischen Asylsystem im Weg. Dieses Grundrecht ist längst auf europäische Lösungen getrimmt: Artikel 16a des Grundgesetzes wurde 1993 – nach heftigstem politischem Streit – massiv eingeschränkt: In ihm steht seither, dass Menschen sich nicht mehr auf das Grundrecht berufen dürfen, wenn sie aus einem anderen EU-Staat einreisen – oder aus einem sicheren Herkunftsland. Deshalb dürfen sich heute schon nur noch etwa ein Prozent der bleibeberechtigten Flüchtlinge aufgrund von Artikel 16a in Deutschland aufhalten. Die restlichen Erlaubnisse basieren auf Völkerrecht, wie der Genfer Flüchtlingskonvention. Und Völkerrecht – das dürfte Friedrich Merz wissen – hat in Deutschland in aller Regel dasselbe Gewicht wie Bundesrecht.
Merz hat recht, wenn er sagt, dass das europäische Asylsystem heute schlecht funktioniert. Aber das deutsche Asylgrundrecht ist nicht der Grund dafür. Viele Rückführungen von Asylbewerbern in andere Länder scheitern etwa, weil manche Staaten überfordert sind – zum Beispiel Italien und Griechenland. Und weil andere nur nationalem Egoismus folgen: Dazu gehört Frankreich, allzu oft aber auch Deutschland.
Die Überwindung dieses nationalen Egoismus wäre enorm wichtig, um ein besseres europäisches Asylrecht zu bekommen. Darauf sollte Friedrich Merz abzielen. Und nicht darauf, die AfD rechts zu überholen.