Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Das Verstummen der Lagerfeuer-Barden
Wo sind sie nur geblieben, die unschuldigen Jugendtage, da der heranwachsende Mensch einzig aus Spaß an der musikalischen Freud ebenso falsch wie vielstimmig die Reste seines Stimmbruchs am Lagerfeuer hinausjauchzte? Um damit die Brünette mit pubertären Hautproblemen und der Cola in der Hand zu bezirzen, begleitet von grausligem Gitarrengezirpe und -Gezupfe. Um sie musikalisch zu fragen, wo sie bloß alle geblieben sind, die Blumen. Um ihr zu späterer Stunde zuzugrölen, dass man – fast so dicklippig wie Mick Jagger – keinerlei „Satisfaction“kriegen könne. In jenen Zeiten also, als Musik noch weniger Geschäft als vielmehr Katalysator hormoneller Ausnahmezustände war.
Heute gibt es zwar immer noch Hormone und auch Musik. Aber an vielen Lagerfeuern ist es still geworden. Nicht zuletzt, weil viele Menschen den künstlichen Schein ihrer Smartphones den echten Flammen der Holzscheite vorziehen. Dabei verbrennt man sich ja auch nicht die Finger – und ein jugendlich’ Herz kann nicht so leicht Feuer fangen.
Dass Helene Fischer an all dem schuld ist, haben wir nicht behauptet. Allerdings fällt auf, dass sie länger nicht an einem Lagerfeuer gesehen wurde. Dafür aber auf der „Forbes“-Liste, die seit Jahrzehnten nur ein Kriterium für den Wert eines Künstlers kennt – nämlich die Höhe des geschätzten Vermögens, wie wir seit Kurzem wissen, weil Helene Fischer weltweit auf Platz acht der am besten bezahlten Musikerinnen geklettert ist. Mit ein paar Freunden am Lagerfeuer, die Brünette mit der Cola nicht zu vergessen, ist so viel Umsatz freilich nicht zu schaffen. (nyf)