Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Was an Merz’ Aussagen dran ist
Ist das deutsche Asylrecht besonders großzügig? Ein Überblick
Nur in Deutschland?
Friedrich Merz sagt: „Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen hat.“Stimmt das?
Die Fakten: Das Recht auf Asyl steht unter anderem in Frankreich und Italien in der Verfassung. Dem Rechtswissenschaftler Steve Meili von der Universität im US-amerikanischen Minnesota zufolge ist das allein in der Europäischen Union in zwölf Staaten der Fall. Mit Individualrecht ist gemeint, „dass jeder, der Asyl beantragt hat, gegen eine ablehnende Entscheidung klagen kann“, sagt Europarechtler Thomas Groß von der Universität Osnabrück. Das ist europarechtlich in der ganzen EU garantiert, in jedem Mitgliedsstaat können abgelehnte Asylbewerber klagen.
Einladung an alle?
Merz sagt auch: „Dieses Individualgrundrecht auf Asyl richtet sich an alle Menschen auf der Welt, die nach Deutschland kommen wollen und einen Asylgrund vortragen.
Die Fakten: Asylanträge kann man nicht irgendwo auf der Welt stellen, man muss es nach Deutschland schaffen. Und es gibt Länder, deren Bürger kein Asyl beantragen können. Das sind alle EU-Staaten sowie Norwegen und die Schweiz, weil diese Länder die Genfer Flüchtlingskonvention umsetzen („sichere Drittstaaten“). „Asyl“im von Merz gebrauchten Sinne, als politisch Verfolgte, bekommen in Deutschland wenige Menschen. In den Jahren seit 2009 waren es um die ein Prozent derer, die bleiben durften. Knapp die Hälfte wurde stattdessen nach der Genfer Konvention anerkannt, was ihnen die gleichen Rechte verleiht, aber auch nichtstaatliche Verfolgung umfasst.
Hindernis für Europa?
Merz fragt rhetorisch: „Wenn wir denn eine Lösung in Europa wollen, müssten wir dann nicht auch einen Gesetzesvorbehalt in das Grundgesetz hineinschreiben, dass dieses Grundrecht auf Asyl auch unter dem Vorbehalt europäischer, gemeinsamer Regelungen steht?“
Die Fakten: Nach Einschätzung von Rechtsexperten sind die deutschen Asylregeln nicht besonders großzügig. Der Europarechtler Groß sagt: „Es gibt einige EU-Länder, die bei der Unterbringung oder Versorgung erheblich weniger tun als Deutschland oder gar nichts – das hat aber mit der Entscheidung über den Asylantrag nichts zu tun.“Selbst wenn man den Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“aus dem Grundgesetz streichen würde, hätte das laut Rechtsexperten für Asylbewerber keine Auswirkungen. „Für die Betroffenen macht es keinen Unterschied, ob ein Individualrecht auf Asyl im Grundgesetz verankert ist oder nicht“, sagt Constantin Hruschka vom Münchner Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik unter Verweis auf die europäischen Reglungen.