Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Abschied von der Jugend
Verstörend: Philip Grönings Film „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“
Eine einsame Tankstelle ist Schauplatz des Films „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“von Philip Gröning. Gedreht wurde er fast ausschließlich bei Geisingen und Immendingen im Landkreis Tuttlingen. Seine Premiere hatte er im Februar auf der Berlinale – wo er einen Teil der Zuschauer regelrecht nervte.
Ein Film mit Potenzial, im Positiven wie im Negativen. Philip Gröning erzählt als Autor (gemeinsam mit Sabine Timoteo) und Regisseur in knapp 180 statischen, ereignisarmen Minuten das Sommer-Wochenende eines inzestuösen Zwillingspaars in der Provinz, das sich im Vorfeld des Abiturs mit der Philosophie Martin Heideggers und des Heiligen Augustinus auseinandersetzt. Dabei spielen vor allem die Zeitbegriffe eine große Rolle – am Ende kulminieren diese 48 Stunden in einem abrupt-erschreckenden Finale.
Artifizielle Dialoge, schöne Bilder
Philip Gröning, der auch die Kamera führte, hat diese Geschichte in einer eigens errichteten Tankstellen-Kulisse bei Geisingen sowie in einem Naturschutzgebiet im nahen Immendingen aufgenommen. Da sich die Dreharbeiten über mehr als drei Monate erstreckten, die erzählte Zeit aber gerade einmal zwei Tage umfasst, musste zum Ende hin das eigens angebaute Getreide künstlich eingefärbt werden, um an allen Drehtagen gleich zu erscheinen.
Ein Film , der seinen Zuschauern viel abverlangt, der sich gängigen Seh-Vorstellungen widersetzt und mit seinem gewalttätigen Ende durchaus auch verstört. In Berlin verließen viele Gäste die Vorführungen vorzeitig, andere sahen in Grönings Werk einen herausragenden Wettbewerbsbeitrag (der allerdings wie die anderen deutschen Filme leer ausging). Äußere Handlungsarmut steht hier ausnehmend artifiziellen Dialogen gegenüber, die tief in die Sein-und-Zeit-Gedanken Heideggers eintauchen, aber auch dessen aufdringliche Verquastheit atmen und auch von unfreiwilliger Komik nicht frei sind. Ein Film über den Abschied von der Jugend – immerhin in schönen, epischen Bildern.
Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot. Regie: Philip Gröning. Mit Julia Zange, Josef Mattes, Stefan Konarske. Deutschland, Frankreich, Schweiz 2018.
172 Minuten. FSK ab 16.