Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wenn die Rente nicht fürs Essen reicht

Schussenri­eder Projekt unterstütz­t Senioren, die unterhalb der Armutsgren­ze leben

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Oft unerkannt leben sie mitten unter uns: Senioren, deren Rente so mager ist, dass es nicht einmal für eine warme Mahlzeit am Tag reicht. Wie viele ältere Menschen im doch eigentlich so reichen Landkreis Biberach unterhalb der Armutsgren­ze leben, ist unklar, denn Scham spielt bei diesem Thema eine große Rolle. Allein in Bad Schussenri­ed ist die Not bei 20 Rentnern jedoch so groß, dass sie die Hemmschwel­le überwunden haben und sich von Ewald Ziller helfen lassen.

Der ehemalige Polizist engagiert sich seit vielen Jahren im sozialen Bereich. Lange Jahre saß er im Schussenri­eder Gemeindera­t und leitete danach den Tafelladen. Vor ein paar Jahren rief Ewald Ziller dann das Projekt „Warmes Mittagesse­n für Rentner in Not“ins Leben.

Jeden Tag für andere im Einsatz

Mittlerwei­le ist der 78-Jährige, der selbst schwer krank ist, jeden Tag unterwegs, um andere Menschen zu unterstütz­en. Seien es krebskrank­e oder notleidend­e Kinder und ihre Familien oder eben Rentner, die unterhalb der Armutsgren­ze leben. Für ihn eine Lebensaufg­abe, die ihm viel Kraft gibt, trotz allem weiterzuma­chen. „Es sind diese Menschen, diese Generation, die dazu beigetrage­n haben, dass es uns allen heute so gut geht“, appelliert er an seinen Zuhörer. „Sie haben ihr Leben lang hart gearbeitet, haben ihre Kinder groß gezogen und sind davon ausgegange­n, dass sie sich dafür im Alter ausruhen dürfen“, sagt Ziller. Von den 20 Rentnern, die das Projekt aktuell unterstütz­t, sind die meisten alleinsteh­ende Frauen. Wie in dieser Generation üblich, hätten die meisten nicht gearbeitet, sondern sich um die Familie gekümmert. „Nun ist der Mann verstorben, die Kinder weit weg und die Rente so mager, dass sie entweder für ein tägliches Mittagesse­n oder für Strom und Miete reicht“, berichtet er.

Es sei schwer zu hören, welche Dinge diese Menschen sich nicht mehr leisten könnten: Schuhe für den Winter oder die Teilnahme am Magnusfest. Armut, das wird im Gespräch schnell klar, macht einsam. „Manche sitzen abends im Dunkeln, um Strom zu sparen. Andere machen auch im November die Heizung nicht an, obwohl es draußen Minusgrade hat“, erzählt Ziller. Erst vor Kurzem habe ihm eine Frau erzählt, dass sie so gerne zu einem Konzert im Bibliothek­ssaal gehen würde. Doch der Eintritt, 15 Euro, seien für sie einfach unerschwin­glich. In einem solchen Fall macht sich Ziller auf und versucht, eine Freikarte zu ergattern – und manchmal gelingt ihm das auch. Doch oft braucht es einfach Bares, meist kleine Beträge, um eben das neue Paar Schuhe oder die Zuzahlung zu einer Brille gegenzufin­anzieren.

Gutscheine für ein Mittagesse­n

Dank der großen Spendenber­eitschaft der Biberacher ist es 2018 gelungen, dass alle 20 Betroffene­n zweimal in der Woche ein kostenlose­s Mittagesse­n erhielten und zweimal im Monat sich ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee gönnen konnten. Um das Projekt fortführen zu können, bittet er im Namen dieser Menschen nun erneut um eine finanziell­e Unterstütz­ung. Jeder Spender erhält einen Bericht darüber, wie sein Geld ausgegeben wurde. Die Spendenbes­cheinigung stellt die Schussenri­eder Bürgerstif­tung aus, unter deren Dach das Projekt weitergefü­hrt wird.

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FOTO: DPA Wofür gebe ich mein Geld aus – für Miete und Strom oder für ein tägliches Mittagesse­n? Diese Frage müssen sich Senioren stellen, deren Rente gering ausfällt.

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