Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Seefeld und die kleinen Dinge
Auch nach Doppel-Gold bei Olympia bleiben dem Nordischen Kombinierer Johannes Rydzek reizvolle Ziele
OBERSTDORF - Das mit den Erinnerungen ist so eine Sache nach zehn Wintern Weltcup. „Gute und weniger gute“verbindet Johannes Rydzek inzwischen mit eigentlich jedem Ort, an dem er nordisch kombiniert hat. Sagt’s und lacht. „Ich versuch’ dann immer, das Positive rauszunehmen. Andersrum wär’s schlechter.“Schwer möglich zudem im Fall Kuusamo – dort beginnt dieses Wochenende die neue Saison. Viermal schon (2014, zweimal 2016 und 2017) ist Johannes Rydzek in Finnlands Nordosten der Beste gewesen in der Addition von Sprung und Lauf. Das mag im Hinterkopf helfen. Für die Beine aber gilt: „Man muss erst mal seine Leistung bringen.“
Prognosen sind nicht das Ding des 26-Jährigen vom Skiclub 1906 Oberstdorf, können es nicht sein in einer Sportart, die 2017/18 bei 22 WeltcupWettbewerben sieben verschiedene Sieger und 17 Athleten auf dem Podest gesehen hat. Akito Watabe aus Japan dominierte in der Gesamtwertung, Johannes Rydzek (zwei Tageserfolge) wurde Vierter. Ausgerichtet allerdings war sein Formaufbau auf Olympia, in Pyeongchang musste es passen, da funktionieren. Tat es: Zwei Goldmedaillen binnen 50 Stunden – von der Großschanze erst, dann im Team – machen demütig. „Unglaublich dankbar“, sagte Johannes Rydzek unlängst im ZDF-Sportstudio, sei er „für das, was ich in den letzten Jahren erreichen durfte, erleben durfte“. Will heißen, in Zahlen ausgedrückt: für sechs Weltmeistertitel – vier bei vier Starts 2017 in Lahti –, vier silberne und eine bronzene WM-Plakette, für zweimal Olympiagold plus je einmal Silber und Bronze.
Vom Standesamt zum Lehrgang
Verändert, die Frage bleibt nicht aus, hat aller Erfolg, hat vor allem Südkorea Johannes Rydzek nicht. „Ich habe zu Hause immer noch die alten Freunde und die Familie.“Und er hat Lissi, Partnerin seit 2011, Ehefrau seit 1. September. Die Toskana-Flitterwochen waren der standesamtlichen Trauung ganz unkonventionell vorausgegangen, zwei Tage nach der Hochzeit nämlich bat Bundestrainer Hermann Weinbuch seine Kombinierer zum nächsten Lehrgang ...
Wo nun steht der Sportler Rydzek, der auch als Student – Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau in Kempten – gut gefragt war diesen Sommer? Der Olympiasieger-PR-Termine mit Bedacht nur in Maßen wahrnahm? Der dem Kopf Allgäuer Frischluft bei manch knackiger Bergtour gegönnt hat, seinem individuellen Trainingsergänzungsprogramm? Auf dem Skispringen lag der Fokus der deutschen Vorbereitung; die Eisspuren in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck erlaubten zuletzt allerlei Feinarbeit. Läuferische Grenzen blieben unverschoben. „In der Loipe“– Johannes Rydzek grinst – „muss ich dieses Jahr vielleicht ein bissel mehr über meine Erfahrung kommen.“Das sollte gelingen. Einem, der vergangene Saison auf Position drei der „Best Skier Trophy“zu finden war, der TeilRangliste allein der Langlaufplatzierungen. Hinter Alessandro Pittin nur und Ilkka Herola, vor allen übrigen 74 Weltcup-Startern.
Wo also steht Johannes Rydzek? Zweifellos auf der vorsichtigen Seite – sein jüngstes Befindlichkeits-Update aus Kuusamo, Stand Mittwoch: „Derzeit fühle ich mich weder besonders gut noch hätte ich etwas zu beklagen.“Überdies: „Die Vorbereitung ist die Vorbereitung.“Der Wettkampf zählt, und der, das lehrt ein Jahrzehnt Weltcup, „ist immer wieder anders“.
Gesamtweltcup? Nicht planbar!
Auch deshalb wird das Thema „Gesamtwertung“vorerst keines; zu lang die Saison, zu vieles unwägbar. Sicher allerdings ist: WM kommenden Februar ist in Seefeld. Johannes Rydzeks fünfte Titelkämpfe wären das, viermal Gold hätte er zu verteidigen. Eine große Aufgabe, eine reizvolle Aufgabe. Sie motiviert, treibt an. Doch nicht allein sie, erfuhr das Sportstudio-TVPublikum: „Die Freude an den kleinen Dingen – es muss nicht immer der Sieg sein –, die hab’ ich zum Glück noch nicht verloren.“
Eine prima Basis für Positives. In Kuusamo. Und anderswo.
Weltcup-Auftakt in Kuusamo/Ruka: Fr., 23. 11., 15 Uhr MEZ: Qualifikation; Sa., 24. 11., 11/15 Uhr MEZ: Einzelwettbewerb (Großschanze/10 km); So., 25. 11., 9:45/15 Uhr MEZ: Teamwettbewerb (Großschanze/4x5 km). – Das deutsche Aufgebot: Manuel Faißt (SV Baiersbronn), Eric Frenzel (SSV Geyer), Vinzenz Geiger (SC 1906 Oberstdorf), Fabian Rießle (SZ Breitnau), Johannes Rydzek (SC 1906 Oberstdorf) und Terence Weber (SSV Geyer).