Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bahnsanierung dauert länger als gedacht
Investitionsstau soll sich auf 50 Milliarden belaufen
BERLIN - Die Bahn plant eine Investitionsoffensive und hat dafür Rückendeckung des Bundes. Für zufriedene Kunden, mehr Schienenverkehr und gute Unternehmenszahlen muss der Staatskonzern mehr Geld in die Hand nehmen. Es ist nicht die einzige Botschaft von Bahn-Chef Lutz nach der Klausurtagung.
Bahnkunden müssen sich angesichts der vielen Probleme bei Technik und Pünktlichkeit auf eine längere Fahrt des Staatskonzerns aus der Krise einstellen. Bahnchef Richard Lutz sieht zwar Unterstützung für seinen Kurs, er stellt aber auch klar: „Zur Wahrheit gehört: Dieser Weg wird länger dauern als gedacht.“
Alle kleinen und großen Probleme, vom teils schwachen Service bis hin zum gewaltigen Schuldenberg, will der Vorstand nun angehen. Auf rund 200 Seiten hatte Bahnchef Richard Lutz die Misere zusammenfassen lassen.
In einem Brief an Führungskräfte der Bahn schreibt der Konzernchef: „Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen als geplant: mehr für eine modernere Infrastruktur, mehr für bessere Fahrzeuge und mehr für zusätzliches Personal ebenso wie für Qualität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.“
„Wir setzen in den kommenden Jahren voll auf Wachstum“, heißt es in dem am Sonntag bekannt gewordenen Schreiben weiter. Gleichzeitig müsse die Ertrags- und Finanzkraft in den nächsten Jahren deutlich gesteigert werden. Die aktuellen Zahlen bestätigen laut Lutz, „dass wir die abgesenkte Ergebnisprognose von 2,1 Milliarden Euro für das Jahr 2018 voraussichtlich erreichen werden, wenn wir weiterhin konsequent gegensteuern“. Die Oktober-Zahlen sehen nach seinen Worten „jedenfalls für den gesamten Konzern recht ordentlich aus“.
Am Ende des Mittelfristzeitraums sollen alle für das Geschäft und die Zukunft notwendigen Ausgaben ohne zusätzliche Verschuldung gestemmt werden, betonte Lutz. „Die Herausforderungen dabei sind enorm“, heißt es in dem Brief.
Lutz äußerte sich nach einer zweitägigen Sitzung des Aufsichtsrates der bundeseigenen Bahn AG. Das Kontrollgremium hatte nach der Klausurtagung Investitionen „auf Rekordniveau“in den kommenden Jahren angekündigt. Allerdings nannte der Staatskonzern keine Zahl zum geplanten Volumen. Damit bleibt der Umfang der „Agenda für eine bessere Bahn“offen. Unklar ist auch, wie viel der Bund als Eigentümer beisteuern wird. Dazu sind in nächster Zeit Gespräche zwischen Vorstand und Verkehrsministerium geplant.
Zuvor war aus dem Unternehmen die Summe von fünf Milliarden Euro bekannt geworden, die allein in den kommenden vier Jahren zusätzlich nötig sei, um Pünktlichkeit und Kapazitäten zu erhöhen. Diesen Betrag wolle die Bahn selbst aufbringen, hatte Lutz jüngst klargestellt. Aus Aufsichtsratskreisen verlautete, der Investitionsstau Bahnchef Lutz zum Investitionsprogramm bei der Bahn belaufe sich derzeit auf 50 Milliarden Euro.
Der FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung sprach sich dafür aus, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Auflösungsverträge für die Vorstandsmitglieder Lutz, Ronald Pofalla (Infrastruktur) und Berthold Huber (Personenverkehr) ANZEIGE vorbereiten „und die drei Herren von ihren Aufgaben“bei der nächsten regulären Sitzung des Aufsichtsrates entbinden sollte.
Geht es nach Anton Hofreiter, dem Fraktionschef der Grünen, wäre die Bahn bald kein großer Konzern mehr. Netz und Betrieb sollen getrennt, Anteile an der Spedition Schenker und der britischen Tochter Arriva verkauft werden. So sagte es Hofreiter der „Süddeutschen Zeitung“. Schienenwege, Energiesparte und Bahnhöfe will er in einer staatlich betriebenen Gesellschaft zusammenfassen. Eine alte Idee der Grünen. So soll auf der Schiene mehr Wettbewerb entstehen. Der Teilverkauf der Tochterunternehmen wiederum soll die nötigen Milliarden für den Aufbau einer modernen Bahn einbringen, zum Beispiel durch den Kauf weiterer Züge.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Als erstes meldete sich der Vorsitzende der Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu Wort. Die Trennung von Netz und Betrieb löse keines der aktuellen Probleme“, betonte Alexander Kirchner. „Dort, wo man es probiert hat, kehrt man zum integrierten Konzern zurück“, sagte er mit Blick auf Frankreich und Großbritannien.
Die Bahn brauche nicht mehr Trennung, sondern im Gegenteil eine stärkere Bündelung der Aufgaben sowie massive Investitionen in die Infrastruktur.
„Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen als geplant.“