Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Hochgewachsene Schüler verlaufen sich
VfB Friedrichshafen lässt Herrsching im DVV-Pokal beim 3:0 (25:13, 25:14, 25:19) keine Chance
HERRSCHING - Wenn die Emotionen überlaufen, traut man sich auch die aberwitzigsten Dinge zu. Athanasios Protopsaltis zum Beispiel, griechischer Volleyballprofi des VfB Friedrichshafen, versuchte sich am Samstagabend in einer clownesken Einlage. Mit dem Rücken zum Basketballkorb stellte er sich also nach dem Spiel auf, etwa zehn Meter war der Ring von ihm entfernt, er nahm einen Volleyball in die Hand und schleuderte diesen über den Kopf nach hinten. Es hätte niemanden in der Herrschinger Nikolaushalle gewundert, wenn sein abenteuerlicher Versuch ungestreift durch die Reusen geflogen wäre – Friedrichshafen hatte im Viertelfinale des deutschen Pokals eine Darbietung geboten, der so gar nichts Humorvolles innewohnte, im Gegenteil.
Nüchtern und präzise wie ein Notar bei der Testamentseröffnung bewältigten die Gäste vom Bodensee bei ihrem Besuch am Ammersee ihr Programm. Bereits nach nur 71 Minuten war die einseitige Partie beendet. Es war eine Lehrstunde, wie sie die Herrschinger in eigener Halle wohl noch nie erhalten haben. „Sie haben uns von Anfang bis zum Ende zur Verzweiflung gebracht“, sagte Libero Ferdinand Tille nach der 0:3Niederlage (13:25, 14:25, 19:25). Nicht ein Mal lag Herrsching in Führung.
Nicht den Hauch einer Chance
In allen drei Sätzen waren die Herrschinger grotesk unterlegen, es wirkte fast so, als hätte sich ein paar hochgewachsene Schüler bei den Erwachsenen verlaufen, Friedrichshafen war überall besser, bei den Annahmen, bei den Pässen, bei den Blocks und bei den Angriffsbällen. Friedrichshafens Trainer Vital Heynen entschuldigte sich hinterher fast bei den Zuschauern für den Auftritt, der der Perfektion gefährlich nahe kam. „Das war unser bisher bestes Spiel in dieser Saison“, befand der Belgier, der Polen in diesem Jahr zum WMTitel coachte. Nach ein, zwei Sekunden fügte er hinzu: „Wenn wir fehlerlos spielen, ist es nicht so einfach für die andere Seite. Ich hatte sogar ein bisschen Mitleid mit ihnen.“
Vielleicht war es ganz gut, dass Maximilian Hauser die Demütigung nicht in der Halle miterleben musste. Wenn der gegnerische Coach sein Mitgefühl ausspricht, muss in der Tat Erstaunliches passiert sein. Herrschings Cheftrainer lag am Samstag zu Hause im Bett, er hatte sich bereits drei Tage vor dem Spiel wegen einer hartnäckigen Grippe abgemeldet. Sein langjähriger Assistenztrainer Uwe Lindemann vertrat ihn an der Seitenlinie und konnte angesichts der Unterlegenheit aber nicht mehr viel beeinflussen, auch seine häufigen Wechsel halfen nicht. „Wir müssen akzeptieren, dass Friedrichshafen wie aus einem Guss spielte“, befand Lindemann. Von Anfang wirkte der Pokalsieger schneller, wacher – im Kopf und in den Beinen. Die Friedrichshafener spielten im Angriff sehr variabel, sie fanden mit den herausragenden Protopsaltis, David Sossenheimer und Jakob Günthör immer wieder die Lücken und hechteten in der Defensive nach Bällen, die andere Mannschaften längst verloren gegeben hätten.
Und wie endete nun Protopsaltis‘ Zirkusnummer? Sein Versuch verfehlte den Korb, weil sein Ball die unter der Decke hängenden Ringe touchierte. Alles gelang den Gästen aus Friedrichshafen dann eben doch auch nicht.