Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Expertin für alles, was man drunter trägt

Rose Vollmer aus Friedrichs­hafen ist Spezialist­in für Dessous – Ihre Kollektion­en werden weltweit verkauft

- Von Harald Ruppert ●» info@atelier-rose-vollmer.de

FRIEDRICHS­HAFEN - Als Rose Vollmer 15 Jahre alt war, wurde ihr klar gemacht, wie wichtig gute Unterwäsch­e für Frauen ist. Damals war sie im Rahmen eines Schüleraus­tauschs in Paris und ihre Gastmutter besah sich kopfschütt­elnd ihre Doppelripp-Unterwäsch­e vom Bodensee. „Sie hat mir gesagt, dass es an mir liege, meine Büste gesund und schön bis ins hohe Alter zu erhalten. Und dass dazu ein guter BH gehöre. Danach ging sie mit mir ins Dessous-Fachgeschä­ft. Sie hat mir gemeinsam mit einer Fachverkäu­ferin gezeigt, worauf ich achten muss – und mir meinen ersten BH geschenkt.“

Ob das die Initialzün­dung war? Seit 34 Jahren entwickelt Rose Vollmer Dessous. Die in Rottenburg am Neckar geborene Modedesign­erin lebt seit fünf Jahren in Friedrichs­hafen – und wie einst ihrer Gastmutter geht es ihr um Aufklärung. „50 bis 80 Prozent der Frauen wissen nicht, welche BHGröße sie haben und tragen deshalb die falsche. Dann wundern sie sich, dass er nicht sitzt oder unbequem ist“, erklärt sie. Besonders appelliert Rose Vollmer an die jungen Frauen. „Viele Mädchen haben eine schwere Büste. Wenn sie nicht den richtigen BH tragen, erschlaffe­n die Bänder und die Brustmusku­latur; und die Büste verliert ihren Stand.“Gern würde Rose Vollmer an den Schulen in Friedrichs­hafen die Runde machen, um die Mädchen in Sachen BH aufzukläre­n. Bei Interesse hat sie ein offenes Ohr.

Tücken beim BH-Kauf

BHs sind klein, aber oho. Mehr als 40 verschiede­ne Teile können darin verarbeite­t sein. Anders als bei einem T-Shirt ist die BH-Herstellun­g Präzisions­arbeit: „Die Näherinnen arbeiten im Millimeter­bereich. Ein paar Millimeter mehr oder weniger und der BH passt nicht mehr richtig gut“, sagt Rose Vollmer. Das Gerücht, wonach Bügel-BHs Brustkrebs auslösen könnten, sei „völliger Quatsch“, meint Rose Vollmer. Aber es konnte entstehen, weil man beim BH-Kauf vieles verkehrt machen kann.

Rose Vollmers Rat ist vielfach gefragt. Unlängst war sie Fachberate­rin für die zweite Staffel der ZDF-Serie „Marie fängt Feuer“, die im November ausgestrah­lt wurde. In der sechsten Folge brennt eine Näherei ab. Damit die Näherinnen ihre Jobs nicht verlieren, müssen ganz schnell 400 BHs genäht werden – ein Probeauftr­ag für einen Sexshop. Deshalb wird das Feuerwehrh­aus kurzerhand zur DessousWer­kstatt. Und Rose Vollmer sorgte dafür, dass die Dessous-Produktion realistisc­h aussah.

Für Rose Vollmer war dieser unverhofft­e TV-Auftrag eine Reminiszen­z an ihre früheren Berufsplän­e. „Während meiner Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim wollte ich Kostümbild­nerin werden und zum Film oder ans Theater gehen.“Kostümbild­nerei war aber schon damals eine brotlose Kunst. „Man bekam zwar Angebote von angesehene­n Häusern, aber umsonst oder für sehr wenig Geld; weil es ja ein Renommee ist, dort zu arbeiten. Irgendwann musste ich das aufgeben.“Rose Vollmer wechselte in die Industrie. Schon 1984 spezialisi­erte sie sich auf Dessous,

ANZEIGEN Bademoden, Nachtwäsch­e, Homewear und Strümpfe – „auf alles, was man direkt am Körper trägt“. An den Bodensee kam sie, weil die Firma Schiesser sie angeworben hatte. „1990 machte ich mich dann selbststän­dig.“Ohne Langstreck­enflüge geht es nicht bei ihrer Arbeit, denn die Textilindu­strie wurde immer mehr ins Ausland verlagert. „Irgendwann habe ich meine Kunden nicht mehr auf der Schwäbisch­en Alb besucht, sondern in Italien, Griechenla­nd, in der Türkei.“1988 reiste sie erstmals nach China. „Von 2000 bis 2010 war ich dann mehr in China als in Europa unterwegs.“

Sieben Jahre lang entwarf sie für ein großes Unternehme­n Kollektion­en für den chinesisch­en Markt. Mit den Vorstellun­gen eines Mitteleuro­päers kommt man in China allerdings nicht weit. Der wesentlich­e Faktor, der eine Dessous-Kollektion für China bestimmt, sind die ganz anderen Lebensumst­ände: „In China ist es üblich, dass man auf engstem Raum in der Großfamili­e wohnt, vom Großvater bis zum Urenkel“, sagt Rose Vollmer. „Es gibt auch keine durchgehei­zten Wohnungen.“Da ist aus einsichtig­en Gründen nichts allzu Aufreizend­es und Knappes gefragt. Zugleich stellt Rose Vollmer aber fest, dass sich auch im Modesektor der Geschmack zunehmend vereinheit­licht: „Das Landesübli­che löst sich immer mehr auf.“

Rose Vollmer bedauert eine generelle Werteverän­derung in der Mode und damit einhergehe­nd einen Qualitätsv­erfall. Früher wurde die Qualität eines Produktes anhand der Materialie­n, Verarbeitu­ng, Passform festgemach­t. Heute ist es die Begehrlich­keit der Marke. Und mit der Verlagerun­g in Billiglohn­länder gehe bei uns leider immer mehr Knowhow verloren. „Ich habe meine Entwürfe ins Ausland geschickt; und es kamen zum Teil hanebüchen­e Ergebnisse zurück. An der Umsetzung hat es gehapert.“Also musste sie den Produktion­sstätten genaueste Vorgaben machen und grundlegen­dste Informatio­nen über die richtigen Materialie­n, Schnitte und Verarbeitu­ngsschritt­e mitliefern. Da die Textilindu­strie immer weniger ausbildet und an Mitarbeite­rn spart, ist sie als freie Beraterin sehr gefragt. „Gelegentli­ch bin ich erstaunt, wie wenig Sachversta­nd in manchen Firmen noch vorhanden ist“, sagt sie.

Seit zwei Jahren arbeitet sie mit dem Institut Hohenstein in Bönnigheim zusammen, dem weltweit größten textiltech­nischen Institut. Hier hilft sie eine Abteilung aufzubauen, die dem immer weniger werdenden Wissen in der Branche entgegenwi­rkt. Gemeinsam mit den Kollegen vor Ort hat sie ein eigenes System speziell für die Entwicklun­g von BH-Schnitten am Computer entwickelt. Ihr Wissen um Materialie­n, Passform, Fertigung und Gestaltung von BHs wird für Workshops und Seminare aufbereite­t, um es jungen Kollegen weitergebe­n zu können. Wenn Frauen erfahren wollen, woran man einen guten BH erkennt und worauf es beim Kauf ankommt, ist Rose Vollmer die richtige Adresse. Vollmer

Kontakt zu Rose Vollmer per E-Mail unter

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FOTO: RUPPERT Rose

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