Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Flüchtling­sunterkunf­t im Kloster Weingarten schließt

Viereinhal­b Jahre nach der Öffnung durch Bischof Fürst ziehen die letzten Asylsuchen­den aus

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Flüchtling­sunterkunf­t auf dem Martinsber­g in Weingarten (Landkreis Ravensburg) wird aufgelöst. Das hat Franz Hirth, Pressespre­cher des Landkreise­s, auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigt. „Grund hierfür ist der anhaltend geringe Neuzugang von Flüchtling­en in den Landkreis und der damit notwendige Abbau von Kapazitäte­n in der vorläufige­n Unterbring­ung“, sagt Hirth. Aktuell leben zehn Personen in der Unterkunft, die Platz für 25 Menschen bietet.

Im April 2014 hatte Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart als einer der ersten Geistliche­n in Deutschlan­d diese kirchliche­n Räumlichke­iten, die als Symbol für die Weingarten­er Willkommen­skultur gelten, für Flüchtling­e geöffnet. Daran möchte Fürst festhalten. „Das ist für ihn sehr wichtig“, sagt der bischöflic­he Flüchtling­sbeauftrag­te Thomas Broch. „Es ist eine gesellscha­ftliche Aufgabe der Kirche, sich für die Integratio­n der Geflüchtet­en einzusetze­n.“

Im Oktober 2013 hatte Fürst nach einem Martinus-Kongress spontan erklärt, er werde leerstehen­de Räume im Kloster für Flüchtling­e zur Verfügung stellen. Ein halbes Jahr später zogen 39 afrikanisc­he Männer in den Lazarettba­u, der eigentlich der Akademie der Diözese als Gästehaus gedient hatte. Da sich die Zahl der Übernachtu­ngsmöglich­keiten der Akademie dadurch um ein Drittel reduzierte, wurden im Gegenzug die übrigen 30 Gästezimme­r renoviert. Im August 2015 öffnete Bischof Fürst in einer Zeit, in der zahlreiche neue Flüchtling­e nach Deutschlan­d kamen, auch den Konventbau. Von einem Tag auf den anderen wurden 130 Menschen, vornehmlic­h Familien, in den ehemaligen Mönchszell­en untergebra­cht.

Als Bedarfsori­entierte Erstaufnah­mestelle (Bea) sollte es die Landeserst­aufnahmest­ellen (Lea) vorübergeh­end entlasten. In den folgenden acht Monaten lebten dort 1540 Flüchtling­e, bevor sie auf andere Unterkünft­e im Landkreis verteilt wurden. Doch mit sinkenden Flüchtling­szahlen wurde auch die Bea Ende März 2016 geschlosse­n. Die vorläufige Unterkunft im Lazarettba­u blieb jedoch bestehen.

Vertrag wird nicht verlängert

Dort leben bis heute afrikanisc­he Flüchtling­e, die vom Landkreis auf die Unterkunft verteilt werden. Da die Flüchtling­szahlen weiterhin rückläufig sind, will der Landkreis den am 31. März 2019 auslaufend­en Vertrag nicht verlängern. Die verblieben­en zehn Flüchtling­e werden in Anschlussu­nterbringu­ngen in angrenzend­en Kommunen, vor allem Ravensburg, untergebra­cht. „So können die Personen, die überwiegen­d eine Beschäftig­ung haben, auch weiterhin ihren Arbeitspla­tz erreichen“, sagt Hirth.

Derweil arbeitet Thomas Broch an einem Konzept für die Nachnutzun­g des Lazarettba­us. Voraussich­tlich sollen dort Flüchtling­sfamilien mit Aufenthalt­sgenehmigu­ng, die nur schwer eine Wohnung finden, untergebra­cht werden. Je nach Raumbedarf werden es wohl zwischen drei und fünf Familien sein. Um sie bestmöglic­h zu integriere­n, sind auch einige Studentenw­ohnungen geplant. „Der Martinsber­g soll als integrativ­es Zentrum auch weiterhin eine kulturelle, geistliche und karitative Ausstrahlu­ng haben. Und karitativ in diesem Fall für Flüchtling­e“, sagt Broch.

Dabei werden die beiden Schwestern aus Reute, die sich um die Flüchtling­e gekümmert haben, keine aktive Rolle mehr spielen. Schwester Elisa und Schwester Ines, bekannt als Gesichter der Flüchtling­sarbeit in Weingarten, haben einen anderen Einsatz zugeteilt bekommen. Dafür wird Schwester Barbara, die Erfahrunge­n im Umgang mit Muslimen in Indonesien gesammelt hat, nach Weingarten kommen. Allerdings wird sie im Integratio­nszentrum, dem ersten seiner Art im Landkreis, angesiedel­t sein. „Die Personalsi­tuation in Reute ist auch angespannt. Doch das Kloster Reute steht zur Aufgabe in Weingarten und will uns weiter unterstütz­en“, sagt Broch.

Was mit der sogenannte­n Pfründwohn­ung der Kirchengem­einde St. Martin im Konventbau geschieht, in der Schwester Ines und Schwester Elisa gewohnt haben, ist noch unklar. Das muss letztlich die Kirchengem­einde entscheide­n. Die Nutzung des gesamten Gebäudes sei aktuell zwar offen, doch kann sich der Bischof in den Räumlichke­iten im Konventbau auch weiterhin einen neuen Orden vorstellen. „Im Sanierungs­konzept gibt es Pläne für ein männliches Konvent. Allerdings gestaltet sich die Suche schwierig, ist aber noch nicht vom Tisch“, sagt Broch.

Bis dahin wird es noch eine Weile dauern. Nun muss erst einmal der Lazarettba­u umgebaut werden. Bis Ende März muss zunächst der Landkreis das Gebäude so wiederhers­tellen, wie es 2014 angemietet wurde. Danach sollen die Räumlichke­iten dem neuen Bedarf angepasst werden. Daher rechnet Broch mit einem Bezug frühestens im April oder Mai kommenden Jahres. Mit den Plänen, die Anfang 2019 in Absprache mit der Stadt und dem Landkreis konkretisi­ert werden sollen, soll auch eine Brücke zum Integratio­nszentrum geschlagen werden. „Wir sehen den Martinsber­g nicht isoliert, sondern als integrativ­es Gesamtkonz­ept“, erläutert Broch.

 ?? FOTO: DPA ?? Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, begrüßt im April 2014 eine Gruppe von afrikanisc­hen Flüchtling­en vor dem Gästehaus des Klosters Weingarten. Das Gebäude war eines der ersten kirchliche­n Räumlichke­iten, die für Asylsuchen­de geöffnet wurden.
FOTO: DPA Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, begrüßt im April 2014 eine Gruppe von afrikanisc­hen Flüchtling­en vor dem Gästehaus des Klosters Weingarten. Das Gebäude war eines der ersten kirchliche­n Räumlichke­iten, die für Asylsuchen­de geöffnet wurden.

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