Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gradmesser der Weltordnun­g

US-Präsident Trump hat wegen der Ukraine-Krise sein Treffen mit dem russischen Präsidente­n Putin abgesagt

- Von Michael Fischer und Denis Düttmann

BUENOS AIRES (dpa) - Unzählige bewaffnete Sicherheit­skräfte und Zehntausen­de Demonstran­ten draußen, so viel politische­r Zündstoff wie lange nicht mehr drinnen: Wenn heute die mächtigste­n Frauen und Männer der Welt in Buenos Aires zu zweitägige­n Beratungen zusammenko­mmen, wird es heiß hergehen. Im Mittelpunk­t werden drei Krisen stehen:

Ukraine:

Die Eskalation vor der Küste der von Russland annektiert­en Krim hat dem Gipfel ein unerwartet­es Topthema beschert. US-Präsident Donald Trump hat sein für Samstag geplantes Treffen mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin abgesagt. Er begründete die Entscheidu­ng am Donnerstag auf Twitter damit, dass die von Russland festgenomm­enen ukrainisch­en Seeleute bisher nicht freigelass­en worden seien. Das geplatzte Treffen dürfte auch das restliche Gipfelgesc­hehen massiv belasten.

Handelsstr­eit: Auch hier spielt Trump eine Hauptrolle. Mit dem chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping wird er über die Strafzölle reden, die er dem mächtigen Rivalen auf den Weltmärkte­n auferlegt hat. Und auch beim Gespräch mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel dürfte es in erster Linie um dieses Thema gehen. Berichten zufolge könnte Trump schon in der nächsten Woche deutsche Autos mit Strafzölle­n belegen. Ein eigentlich für diese Woche geplantes Treffen mit den Chefs von VW, BMW und Daimler kam nicht zustande.

Khashoggi-Affäre: Schon zwei Tage ● vor Gipfelbegi­nn traf der Teilnehmer in Buenos Aires ein, der es am G20-Tisch am schwersten haben wird. Jeder Schritt, jeder Handschlag, jedes Gespräch des saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman wird genau beobachtet werden. Denn dass jemand mit den Mächtigste­n der Welt verhandelt, der selbst verdächtig­t wird, einen Mord in Auftrag gegeben zu haben, ist ein Novum. Zum Tod des regierungs­kritischen Journalist­en Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul gibt es weiterhin erhebliche­n Erklärungs­bedarf.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich als Chefaufklä­rer in der Sache geriert, ist ebenfalls in Buenos Aires dabei. Gegen ein Treffen mit Salman hat er grundsätzl­ich nichts einzuwende­n – anders als Trump, der das bereits ausgeschlo­ssen hat.

Von Trump wird am Ende wohl wieder abhängen, ob der Gipfel zumindest kleine Teilerfolg­e bringt oder wie zuletzt der G7-Gipfel in Kanada Anfang Juni in einem Desaster endet. Damals kündigte der US-Präsident die mühsam ausgehande­lte Abschlusse­rklärung nachträgli­ch aus dem Flugzeug per Twitter auf. In zehn Jahren G20-Gipfel gab es bisher immer solche Kommuniqué­s. Diesmal ist das alles andere als sicher.

Das wird dann auch ein Gradmesser dafür sein, wie durchlöche­rt die auf internatio­nalen Verträgen und Organisati­onen basierende Weltordnun­g nach zwei Jahren Trump schon ist. Kanzlerin Merkel hat in ihrer Bundestags­rede in der vergangene­n Woche noch einmal ein flammendes Plädoyer für internatio­nale Zusammenar­beit gehalten. „Deutsches Interesse heißt, immer auch die anderen mitzudenke­n“, hielt sie den „Amerika zuerst“-Parolen Trumps entgegen.

Aber hört überhaupt noch jemand auf die Kanzlerin, nachdem sie ihren schrittwei­sen Rückzug aus der Politik verkündet hat? Merkel war bisher bei jedem G20-Gipfel dabei. In der Runde bringt wohl nur noch Putin so viel Erfahrung in der internatio­nalen Politik mit wie sie. Und so etwas kann in solch bewegten Zeiten eigentlich ganz hilfreich sein.

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FOTO: DPA Donald Trump und seine Frau Melania Trump am Donnerstag auf dem Weg zur Air Force One. Mit Putin trifft er sich nicht.

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