Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Russland führt die Ukraine vor“

CDU-Verteidigu­ngsexperte Roderich Kiesewette­r warnt vor einer Eskalation im Ukraine-Konflikt

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RAVENSBURG - Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o hat Deutschlan­d um militärisc­he Unterstütz­ung im Konflikt seines Landes mit Russland gebeten. Im Gespräch mit Theresa Gnann erklärt der Aalener Bundestags­abgeordnet­e und CDU-Verteidigu­ngsexperte Roderich Kiesewette­r, warum der Konflikt auf keinen Fall eskalieren darf und wie die Bundesregi­erung reagieren sollte.

Herr Kiesewette­r, Poroschenk­o fordert Hilfe. Was sollte Deutschlan­d jetzt tun?

Deutschlan­d muss vor allem im Rahmen der EU, Nato und den Vereinten Nationen die Aufmerksam­keit für die Krise im Asowschen Meer erhöhen und auf Basis von Fakten Schlussfol­gerungen beraten. Jeder Schritt der Eskalation würde Putins Propaganda in die Hände spielen. Wenn wir klar analysiere­n, was vorgefalle­n ist und deutlich den Rechtsbruc­h feststelle­n – der liegt alleine durch Russland schon darin, auf ukrainisch­e Boote geschossen zu haben – kommen wir einer Lösung näher.

Wie sehr ist Deutschlan­d direkt betroffen?

Die gesamte EU und Nato ist betroffen, weil gemeinsame Werte angegriffe­n werden. Die Bekräftigu­ng internatio­nalen Rechts und nationaler Souveränit­ät ist die gemeinsame Basis unseres Handelns, übrigens auch für Russland, das im Jahr 1990 der Charta von Paris zugestimmt hat und auch an das bilaterale Abkommen mit der Ukraine aus dem Jahr 2003 gebunden ist. Nach diesem Abkommen ist die freie Durchfahrt für beide Seiten durch die Meerenge von Kertsch gestattet, explizit auch für die Militärmar­ine.

Kann dieser Konflikt überhaupt diplomatis­ch gelöst werden?

Ja, er kann gelöst werden und der Schlüssel liegt in Moskau. Der Kreml behindert seit Mai dieses Jahres die freie Schifffahr­t der Ukraine zur Versorgung ihrer Küstenstäd­te im Asowschen Meer durch langwierig­e Inspektion­en. Die neuerliche Eskalation durch den Beschuss und das Rammen der ukrainisch­en Marine stellt eine schleichen­de Unterminie­rung des bilaterale­n Abkommens mit der Ukraine dar und läuft bei einem unveränder­ten Kurs Moskaus auf eine Quasi-Annexion des Asowschen Meeres hinaus.

Die EU will zunächst auf weitere Sanktionen gegen Russland verzichten. Wäre es nicht wichtig, Stärke zu zeigen?

Wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen und analysiert wurden, ist ein klares Urteil möglich. Russland ist gefordert, die gefangen gehaltenen Marinesold­aten und die beschlagna­hmten Schiffe freizugebe­n, tut es das nicht, so sind weitere Sanktionen folgericht­ig.

Welche Gründe hat Russland, den Streit jetzt eskalieren zu lassen?

Russland führt damit die Ukraine wegen ihrer militärisc­hen Unterlegen­heit vor und destabilis­iert sie weiter. Zudem wird der Zusammenha­lt des Westens erneut auf die Probe gestellt und seine Handlungsf­ähigkeit ausgeteste­t. Begleitet von einer einseitige­n Berichters­tattung zu einer angebliche­n Eskalation durch die Ukraine wird daraus innenpolit­isches Kapital geschlagen. Angesichts der jüngsten, unbeliebte­n Rentenrefo­rm und anderer innenpolit­ischer Probleme Russlands scheint sich der Kreml wieder steigende Zustimmung­swerte zu erhoffen. Durch die Selbstisol­ation schadet sich aber Russland langfristi­g selber, ohne aus dieser Sackgasse herauszuko­mmen. Das müssen wir Russland klar vor Augen führen.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Der CDU-Abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r plädiert dafür, die Aufmerksam­keit für die Krise zu erhöhen.

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