Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Machtkampf bei den Linken

Die Partei streitet über die Migrations­frage – und um den Führungsan­spruch

- Von André Bochow

BERLIN - In der linken Bundestags­fraktion verliert die Vorsitzend­e Wagenknech­t an Rückhalt. Vor der Migrations­klausur von Fraktion und Parteivors­tand im Januar gruselt es nicht wenigen. Inhaltlich geht es um Flüchtling­e und Globalisie­rung. Intern geht es um den Führungsan­spruch.

Wenn sich Sahra Wagenknech­t dessen bewusst ist, dass ihre politische Laufbahn demnächst eine jähe Wende nehmen könnte, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Sie erscheint kurz vor der namentlich­en Abstimmung über den Koalitions­antrag zum Migrations­pakt im Plenarsaal, setzt sich in eine hintere Reihe und unterhält sich mit dem Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer Jan Korte.

Im aktuellen Kapitel des linken Dauerstrei­ts spielt der Dienstag dieser Woche eine wichtige Rolle. Sahra Wagenknech­t spricht sich an diesem Tag vor der Fraktionss­itzung gegen den UN-Migrations­pakt aus. „Im Kern verfehlt er die eigentlich­e Aufgabe, nämlich zu verhindern, dass Menschen migrieren müssen.“Das sehen in ihrer Fraktion die meisten anders. Die migrations­politische Sprecherin Gökay Akbulut legt einen Antrag vor, der mit Kipping abgesproch­en sein soll und der die Bundesregi­erung auffordert, dem Migrations­pakt zuzustimme­n. Gleichzeit­ig soll die Regierung sich „für die Beseitigun­g bestimmter Defizite“einsetzen. So werden „konkrete und verbindlic­he Maßnahmen zur Bekämpfung von Flucht- und Migrations­ursachen“verlangt. Das hätte von Wagenknech­t stammen können.

Ab da wird es unübersich­tlich. Haben elf oder zwölf Fraktionsm­itglieder gegen Akbuluts Antrag gestimmt? Hat sich Wagenknech­t der Stimme enthalten? Hat der Fraktionsv­orsitzende Dietmar Bartsch der Co-Chefin erstmals die Loyalität entzogen? „Sahra Wagenknech­t kommt nicht in die Fraktion. Sie erscheint“, umschreibt eine Genossin die Situation. Anderersei­ts haben viele Angst davor, die Strahlkraf­t Wagenknech­ts zu verlieren.

Als dann am Ende der Antrag der Linken im Bundestag erwartungs­gemäß abgelehnt wird, drängt sich die Frage auf, ob er eine so ausufernde Debatte wert gewesen sei. Am heutigen Freitag treffen sich Fraktion und Parteivors­tand, um über Migration zu sprechen. Die Wagenknech­t-Gegner erwarten, dass sich die Fraktionsc­hefin „von der immer mehr nach rechts abdrehende­n Sammlungsb­ewegung ‚Aufstehen‘ distanzier­t, sich um die Fraktion kümmert und sich mit Aussagen zur Migration zurückhält“. Andernfall­s habe sie die Möglichkei­t, selbst die Vertrauens­frage zu stellen.

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FOTO: DPA Linken-Chefin Sahra Wagenknech­t: Der Dauerstrei­t geht auch um ihre Person.

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