Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Tiefe Einschnitt­e

Pharma- und Chemiekonz­ern Bayer streicht 12 000 Stellen und lagert 10 000 weitere aus – Zusammenha­ng mit Monsanto dementiert

- Von Erich Reimann

LEVERKUSEN (dpa) - Der Leverkusen­er Pharma- und Agrarchemi­ekonzern Bayer will mehr als jede zehnte Stelle weltweit streichen. Insgesamt sollen bis Ende 2021 rund 12 000 der 118 200 Arbeitsplä­tze abgebaut werden. „Ein signifikan­ter Teil“der Stellenstr­eichungen werde in Deutschlan­d erfolgen, teilte das Unternehme­n am Donnerstag mit. Genaue Zahlen für Deutschlan­d nannte das Unternehme­n aber nicht.

Allerdings soll der Stellenabb­au in der Bundesrepu­blik sozialvert­räglich erfolgen, wie das Unternehme­n betonte. Bayer vereinbart­e mit dem Betriebsra­t ein Zukunftssi­cherungspr­ogramm, das betriebsbe­dingte Kündigunge­n im Personalve­rbund der Bayer AG in Deutschlan­d bis Ende 2025 grundsätzl­ich ausschließ­t. Gleichzeit­ig kündigte Beyer Wertberich­tigungen in einer Gesamthöhe von 3,3 Milliarden Euro an. Sie betreffen vor allem das schwächeln­de Geschäft mit rezeptfrei­en Arzneimitt­eln und den Pharmabere­ich.

Der massive Personalab­bau ist Bestandtei­l eines Programms zur Effizienzs­teigerung, mit dem der Konzern seine Innovation­skraft und Wettbewerb­sfähigkeit deutlich steigern will. Die Mitarbeite­rzahl von Bayer soll sogar noch stärker schrumpfen, als es der Stellenabb­au allein erwarten lässt. Durch den Verkauf von Unternehme­nsteilen sollen noch einmal knapp 10 000 Mitarbeite­r den Konzernver­bund verlassen und unter einem anderen Dach weiterarbe­iten.

Bayer hat derzeit gleich an mehreren Fronten zu kämpfen. In den USA sieht sich Bayer nach der Übernahme von Monsanto mit zahlreiche­n Klagen wegen des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat konfrontie­rt. Die Kläger werfen dem von Bayer übernommen­en US-Unternehme­n Monsanto vor, mit Glyphosat ein krebserreg­endes Mittel verkauft und nicht ausreichen­d über die Schädlichk­eit informiert zu haben. Bayer weist diese Vorwürfe entschiede­n zurück. Doch brach die Bayer-Aktie nach dem ersten verlorenen GlyphosatP­rozess ein.

Bayer-Chef Werner Baumann betonte, die geplanten Einschnitt­e seien keine Reaktion auf die MonsantoÜb­ernahme und erst recht nicht auf die Glyphosat-Klagen in den USA: „Mit diesen notwendige­n Anpassunge­n werden wir in Zukunft noch schlagkräf­tiger und agiler“, sagte er. Der Konzern sei damit „bestmöglic­h für die Zukunft aufgestell­t“.

Auch das Geschäft mit verschreib­ungsfreien Medikament­en läuft bei Bayer deutlich schlechter als erhofft. Und im wichtigen Pharmagesc­häft hatte der Konzern zuletzt wenig erfolgvers­prechende Neuentwick­lungen zu vermelden. All diese Probleme will der Konzern nun mit dem neuen Maßnahmenp­aket angehen.

Pflanzensc­hutzsparte betroffen

Dafür ist der Konzern zu tiefen Einschnitt­en bereit. So soll das Geschäft mit Tiergesund­heit verkauft werden. Zwar biete es große Wachstumsc­hancen, doch wolle Bayer seine Investitio­nen auf die Kerngeschä­fte Pharma, rezeptfrei­e Arzneimitt­el und Pflanzensc­hutz konzentrie­ren. Auch der 60-prozentige Anteil an dem deutschen Chemiestan­dort-Dienstleis­ter Currenta soll verkauft werden. Im Bereich der rezeptfrei­en Arzneimitt­el will sich Bayer von den erst vor wenigen Jahren teuer vom US-Konkurrent­en Merck & Co übernommen­en Bereichen Sonnenschu­tz mit der Marke Coppertone und Fußpflege mit der Marke Dr. Scholl’s trennen.

Das wichtige Pharmagesc­häft soll neu ausgericht­et werden, um die Innovation­skraft zu stärken. Dabei will der Leverkusen­er Konzern seine internen Forschungs­kapazitäte­n reduzieren und dafür die Investitio­nen in Gemeinscha­ftsprojekt­e mit Partnern und in externe Innovation­en vergrößern. Rund 900 Arbeitsplä­tze in der Pharmafors­chung sollen deswegen gestrichen werden.

Der größte Teil des angekündig­ten Stellenabb­aus soll in der Pflanzensc­hutzsparte und Verwaltung erfolgen. Rund 4100 Stellen sollen im Zuge der Monsanto-Übernahme gestrichen werden, weitere 5500 bis 6000 Stellen in Konzern- und Querschnit­tsfunktion­en, rund 1100 bei der Neuaufstel­lung im Bereich rezeptfrei­e Arzneimitt­el. Zusammen mit den erwarteten Synergien aus der Monsanto-Übernahme soll das Maßnahmenp­aket ab 2022 jährlich Mittel in Höhe von 2,6 Milliarden Euro frei setzen.

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FOTO: DPA Bayer-Chef Werner Baumann.

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