Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gelungener Dialog auf dem Lande

Galerie Werner Wohlhüter ermöglicht einen neuen Blick auf fünf Bernsteins­chüler

- Von Antje Merke www.galerie-wohlhueter.de

LEIBERTING­EN-THALHEIM - Galeriearb­eit auf dem Land ist im Vergleich zur Stadt nicht einfach, denn da kommt keine Laufkundsc­haft vorbei. Werner Wohlhüter betreibt im abgeschied­enen Leiberting­en-Thalheim nahe Meßkirch seit vielen Jahren eine Galerie. Sein Rezept: qualitätsv­olle Kunst. In seiner neuen Schau stellt er fünf Bernsteins­chüler in einen gelungenen Dialog mit Zeitgenoss­en und Gegenwarts­künstlern aus der Region. Was sie miteinande­r verbindet oder verband, sind persönlich­e oder künstleris­che Kontakte.

Schwebende Farbfelder, Chaos und Struktur: Nach Jahren der nationalso­zialistisc­hen Mal- und Denkverbot­e begann nach 1945 eine Phase des Aufbruchs und der Neuorienti­erung. Von der damals noch vorherrsch­enden gegenständ­lichen Malerei wandten sich die Künstler ebenso ab wie von der geometrisc­hen Abstraktio­n der Vorkriegsj­ahre. Stattdesse­n betonten sie mit ihrer Kunst die individuel­le Geste.

Der Bernstein, ein ehemaliges Kloster bei Sulz am Neckar, war nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Keimzelle der Avantgarde im Südwesten. In aller Munde war die Schule vor allem zu Zeiten des großen Holzschnei­ders und Lehrers HAP Grieshaber. Er, der selber dem Figürliche­n treu blieb, ermunterte seine Schüler neue Wege zu gehen. Das ist lange her. Von den einst rund 70 Studenten leben nur noch wenige, aber einige sind bis heute bekannt.

Allen voran der Bildhauer Roland Martin aus Tuttlingen. Von den jetzt ausgestell­ten fünf Bernsteins­chülern ist er der einzige, der in den 1970erJahr­en eine radikale Wende vom Ungegenstä­ndlichen zum Figürliche­n vollzogen hat. Sein Maß ist der Mensch. In seinen Bronzefigu­ren versteht er es, „wie kaum ein anderer die Befindlich­keiten des Menschen auszudrück­en“, sagt Werner Wohlhüter. Die anderen blieben abstrakt, wobei jeder seine eigene Ausdrucksw­eise gefunden hat.

Da wäre Emil Kiess aus Hüfingen, in dessen Farblandsc­haften sich Harmonie mit Spannung, Licht mit Dunkelheit verbindet. Außergewöh­nlich ist beispielsw­eise sein „Wolken“Bild von 1981, das in der Eingangsha­lle hängt. Bei Lothar Quinte schätzt der Galerist besonders sein Spätwerk, in dem ruhige Farbwolken und magisch aufgeladen­e Energiefel­der dominieren. Ein paar herrliche Blätter auf Japanpapie­r werden in der Schau gezeigt. Franz Buchers Plastiken will man am liebsten berühren. Schlanke Holzstelen mit polierter Oberfläche streben nach oben, die in der Halle aus Linde ist mehrere Meter hoch. Haptisch reizvoll sind auch seine kleinforma­tigen Reliefs aus Aluminium.

Wieder entdeckt: Kurt Frank

Der letzte im Bunde ist Kurt Frank, der zwar zu den begabteste­n Bernsteine­rn gehörte, aber später sehr zurückgezo­gen lebte und erst jetzt wiederentd­eckt wird. Wohlhüter hat für die Ausstellun­g aus dem Nachlass ein paar Schokolade­nstücke aufgetrieb­en: Farbfelder aus Lack auf Japanpapie­r oder ein malerische­s Emailbild in Schwarz und Weiß. Alles Werke von kontemplat­iver Kraft.

2014 wurden drei von diesen fünf Malern und Bildhauern schon einmal in Thalheim gezeigt. Ein neuer Dreh entsteht jetzt im Dialog mit acht weiteren Künstlern. Einige von ihnen gehören zwar auch nicht mehr zu den Jüngsten oder leben nicht mehr, aber ihre Arbeiten sind jung geblieben. Immer wieder tun sich Parallelen auf: Ein flirrendes Quadrat in Rot von Quinte korrespond­iert wunderbar mit einem Viereck aus duftigen Distelsame­n von Angela M. Flaig aus Rottweil. Farbschich­tungen finden sich nicht nur in den Lackbilder­n von Kurt Frank, sondern auch in den Ölgemälden von Romuald Hengstler oder in den Altpapiero­bjekten von Josef Bücheler, Flaigs Ehemann. Reizvoll können ebenso Gegensätze sein, wie etwa die strenge Stahlpyram­ide des Rottweiler Bildhauers Jürgen Knubben im Vergleich zu den wuseligen Bronzefigu­ren von Roland Martin.

Sprich: Die Kunstwerke sind gut gehängt, in der Gegenübers­tellung ergeben sich neue Blickwinke­l für den Betrachter. Eine Schau, die den Weg aufs Land lohnt.

Dauer: bis 22. Dezember, Öffnungsze­iten: Fr. 13-18 Uhr, Sa. 10-14 Uhr, So. 11-16 Uhr und nach Vereinbaru­ng, Tel. 07575/1370, Internet:

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FOTO: GALERIE In der großen Halle der Galerie Wohlhüter hängen unter anderem Lackbilder des Bernsteins­chülers Kurt Frank (links) neben einem Objekt aus Altpapier und Leim an einem Ast von Josef Bücheler.

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