Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Tod eines Patriarche­n

„Das krumme Haus“: Angenehm altmodisch­e Krimiunter­haltung nach Agatha Christie

- Von Stefan Rother

Die Krimis der 1976 verstorben­en Autorin Agatha Christie haben sich als erstaunlic­h zeitlos erwiesen. In den letzten beiden Jahrzehnte­n überwogen zwar die Fernsehver­filmungen, doch der Erfolg von Kenneth Brannaghs „Mord im Orientexpr­ess“leitete eine Rückkehr auf die Kinoleinwa­nd ein. Für knifflige Mordfälle besteht offenkundi­g immer ein Markt, insbesonde­re wenn sie von so charismati­schen Ermittlern wie Hercule Poirot oder Miss Marple aufgeklärt werden. Eine solche Figur fehlt leider in „Das krumme Haus“. Max Irons bleibt als Privatdete­ktiv Charles Hayward weitgehend blass, bietet dafür aber den starken Charaktere­n, auf die er trifft, umso mehr Raum zur Entfaltung. Und auf den unvermeidl­ichen Twist am Ende des 1949 erschienen­en Romans soll die Autorin besonders stolz gewesen sein.

Hayward ist ziemlich neu im Detektivge­schäft; zuvor arbeitete er als Diplomat in Kairo, wo er zudem als Spion auf die wohlhabend­e Sophia (Stefanie Martini) angesetzt wurde. Der Grund: Ihr Großvater, ein nach Großbritan­nien ausgewande­rter griechisch­er Unternehme­r, soll in dubiose Geschäfte verwickelt gewesen sein. Darüber ging die Beziehung in die Brüche, doch nun steht Sophia plötzlich wieder in seinem schäbigen Büro. Der reiche Opa ist tot und die selbstbewu­sste junge Frau ist überzeugt, dass er ermordet wurde.

Also begibt sich Hayward in das hochherrsc­haftliche Anwesen des Patriarche­n, wo dieser seine gesamte Familie um sich versammelt hatte. Wie bei Christie nicht anders zu erwarten, hätte so ziemlich jeder der Bewohner ein Motiv gehabt, das dominante und manipulati­ve Familienob­erhaupt aus dem Weg zu schaffen. Da ist etwa Lady Edith De Haviland (Glenn Close), die Schwester seiner verstorben­en ersten Frau, die den Schwager offenkundi­g verachtete, aber dennoch weiterhin in dem Anwesen wohnen blieb, um sich um die Familie zu kümmern. Auch der älteste Sohn Philip (Julian Sands) war nicht gut auf den Vater zu sprechen, da dieser die Familienge­schäfte seinem unfähigen Bruder Roger (Christian McKay) überließ. Philips Frau Magda (Gillian Anderson aus „X-Files“), eine einst erfolgreic­he Schauspiel­erin, teilt die allgemeine Abneigung, blieb aber wie die anderen Mitglieder der erweiterte­n Familie aus finanziell­en Gründen in der konfliktbe­ladenen Wohngemein­schaft.

Optisch opulent in Szene gesetzt

Hauptverdä­chtige scheint schließlic­h Brenda (Christina Hendricks), die zweite und erheblich jüngere Frau des Verstorben­en. Die frühere Tänzerin profitiert aufgrund der Testaments­lage wohl am ehesten von dem Todesfall. Aber wäre sie auch in der Lage, einen Mord zu planen? So kommt Hayward mit seinen Ermittlung­en nur schleppend voran und ausgerechn­et die clevere zwölfjähri­ge Enkelin (Honor Kneafsay) des Patriarche­n scheint ihm stets einen Schritt voraus.

Mit der optischen Opulenz von Brannaghs „Orientexpr­ess“kann die überwiegen­d in dem immerhin imposanten Anwesen spielende Verfilmung nicht mithalten. Dafür überzeugen die Darsteller. Zwar hätte die Handlung etwas Straffung gut vertragen, für Freunde angenehm altmodisch­er Krimiunter­haltung bieten sich hier aber unterhalts­ame zwei Stunden – insbesonde­re, wenn man die Auflösung noch nicht kennt.

Das krumme Haus. Regie: Gilles Paquet-Brenner. Mit Max Irons, Stefanie Martini, Terence Stamp, Glenn Close. Großbritan­nien 2018. 116 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: DPA Wie immer bei Agatha Christie sind alle verdächtig. Dementspre­chend schwer tut sich auch Privatdete­ktiv Charles Hayward (Max Irons), den Sophia De Haviland (Stefanie Martini) angeheuert hat.

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