Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Angeklagte­r widerruft Geständnis

40-Jähriger wegen Vergewalti­gung und versuchten Mordes vor Gericht

- Von Barbara Sohler

BIBERACH/RAVENSBURG - Versuchter Mord und Vergewalti­gung, jeweils in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung – so lautet die Anklage gegen einen 40-jährigen Mann aus dem südlichen Landkreis Biberach. Das Verfahren gegen den Mann vor der Schwurgeri­chtskammer in Ravensburg begann am Mittwoch mit einer Überraschu­ng. Der Angeklagte, der noch nachts am Tatort im Beisein von Ersthelfer­n und Polizisten „Ich war’s“gesagt haben soll, wollte nun vor Gericht keine Aussage zum Tathergang machen. Nicht einmal zu seiner Person gab er Auskunft.

Vor Gericht kein Unbekannte­r

Unstrittig sind in diesem Fall, zu dessen Aufarbeitu­ng das Gericht ganze sechs Verhandlun­gstage anberaumt hat, bis dato nur ein paar Fakten: Der 40-Jährige, der zuletzt als Metzger gearbeitet hat, steht nicht das erste Mal vor Gericht. Es gibt etliche Strafregis­tereinträg­e und Verurteilu­ngen wegen Sachbeschä­digung und Diebstahl, Brandstift­ung in einem Asylbewerb­erheim oder wegen Tierquäler­ei von Tauben. Auch die vor Gericht verlesenen Beschlüsse zu Einweisung­en des Mannes in stationäre Entziehung­sanstalten sprechen eine eindeutige Sprache. „Es sind Gewalttate­n zu erwarten, wenn er Alkohol trinkt“, argumentie­rte ein Gericht bereits im Jahre 2014.

Der Richter ist noch dabei, die Liste der Straftaten vorzulesen, da unterbrich­t ihn der Strafverte­idiger abrupt. Die Rechtsprec­hung sehe vor, dies „so spät wie möglich“zu tun. Außerdem sehe er nicht, dass diese Entscheidu­ngen von Bedeutung für den aktuellen Fall seien. Wie dem auch sei: Auch in jener Tatnacht, am 2. Juli 2018, ist der Angeklagte erheblich alkoholisi­ert. 1,7 Promille hatte er laut Bluttest noch Stunden nach der Tat. Was sich in jener Nacht in der Wohnung des Opfers zugetragen haben soll, das liest sich laut Anklagesch­rift der Staatsanwa­ltschaft wie folgt: Offenbar ist es zwischen der zweifachen Mutter und dem Angeklagte­n zunächst zu einvernehm­lichem Sex gekommen.

Danach soll der 40-Jährige „grober“geworden sein, sein Opfer mit der ganzen Faust vaginal penetriert haben. Als sie sich wehrt, habe er versucht, sie mit einem Handyladek­abel zu strangulie­ren. Als die Frau ins Kinderzimm­er flüchtet, um einen Notruf abzusetzen, versetzt der Angeklagte ihr laut Staatsanwa­ltschaft „aus Wut und Rache und zur Vertuschun­g der vorangegan­genen Vergewalti­gung“mit einer Schere mindestens ein Dutzend Stiche in Arme, Schultern und Rücken.

Viele Fragen bleiben offen

Viele Fragen bleiben an diesem ersten Prozesstag offen. Woher rührt die Platzwunde am Hinterkopf der Frau? Hat sie sich gewehrt und dabei auch den Angeklagte­n verletzt? In welcher Reihenfolg­e spielten die Ereignisse sich ab? Um all das zu klären, sind für den zweiten Verhandlun­gstag am 3. Dezember weitere Zeugen geladen: Die Notärztin, die zur Erstversor­gung der schwer verletzten Frau vor Ort war. Der diensthabe­nde Arzt, der die Frau nachts im Biberacher Klinikum versorgte. Weitere Kriminalbe­amte. Ein Sachverstä­ndiger, der sein psychiatri­sches Gutachten vorstellen wird. Das Opfer, das als Nebenkläge­rin auftritt, wird auch befragt werden.

Die Strategie der beiden auf Strafrecht spezialisi­erten Anwälte aus Biberach und Karlsruhe jedenfalls scheint zu sein, den Tathergang als solchen bereits infrage zu stellen. Dass ihr Mandant nach der Tat laut Aussagen von Rettungskr­äften und Polizeibea­mten mehrfach „Ich war’s“oder „Warum hab’ ich das gemacht?“gesagt haben soll, wird ebenso in den Fokus gerückt werden wie die Frage, ob beim Opfer nachweisli­ch Strangulie­rungsmale zu finden gewesen sind oder nicht. Die öffentlich­e Verhandlun­g wird am kommenden Montag, 3. Dezember, um 8.30 Uhr fortgesetz­t.

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