Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Angeklagter widerruft Geständnis
40-Jähriger wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes vor Gericht
BIBERACH/RAVENSBURG - Versuchter Mord und Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – so lautet die Anklage gegen einen 40-jährigen Mann aus dem südlichen Landkreis Biberach. Das Verfahren gegen den Mann vor der Schwurgerichtskammer in Ravensburg begann am Mittwoch mit einer Überraschung. Der Angeklagte, der noch nachts am Tatort im Beisein von Ersthelfern und Polizisten „Ich war’s“gesagt haben soll, wollte nun vor Gericht keine Aussage zum Tathergang machen. Nicht einmal zu seiner Person gab er Auskunft.
Vor Gericht kein Unbekannter
Unstrittig sind in diesem Fall, zu dessen Aufarbeitung das Gericht ganze sechs Verhandlungstage anberaumt hat, bis dato nur ein paar Fakten: Der 40-Jährige, der zuletzt als Metzger gearbeitet hat, steht nicht das erste Mal vor Gericht. Es gibt etliche Strafregistereinträge und Verurteilungen wegen Sachbeschädigung und Diebstahl, Brandstiftung in einem Asylbewerberheim oder wegen Tierquälerei von Tauben. Auch die vor Gericht verlesenen Beschlüsse zu Einweisungen des Mannes in stationäre Entziehungsanstalten sprechen eine eindeutige Sprache. „Es sind Gewalttaten zu erwarten, wenn er Alkohol trinkt“, argumentierte ein Gericht bereits im Jahre 2014.
Der Richter ist noch dabei, die Liste der Straftaten vorzulesen, da unterbricht ihn der Strafverteidiger abrupt. Die Rechtsprechung sehe vor, dies „so spät wie möglich“zu tun. Außerdem sehe er nicht, dass diese Entscheidungen von Bedeutung für den aktuellen Fall seien. Wie dem auch sei: Auch in jener Tatnacht, am 2. Juli 2018, ist der Angeklagte erheblich alkoholisiert. 1,7 Promille hatte er laut Bluttest noch Stunden nach der Tat. Was sich in jener Nacht in der Wohnung des Opfers zugetragen haben soll, das liest sich laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft wie folgt: Offenbar ist es zwischen der zweifachen Mutter und dem Angeklagten zunächst zu einvernehmlichem Sex gekommen.
Danach soll der 40-Jährige „grober“geworden sein, sein Opfer mit der ganzen Faust vaginal penetriert haben. Als sie sich wehrt, habe er versucht, sie mit einem Handyladekabel zu strangulieren. Als die Frau ins Kinderzimmer flüchtet, um einen Notruf abzusetzen, versetzt der Angeklagte ihr laut Staatsanwaltschaft „aus Wut und Rache und zur Vertuschung der vorangegangenen Vergewaltigung“mit einer Schere mindestens ein Dutzend Stiche in Arme, Schultern und Rücken.
Viele Fragen bleiben offen
Viele Fragen bleiben an diesem ersten Prozesstag offen. Woher rührt die Platzwunde am Hinterkopf der Frau? Hat sie sich gewehrt und dabei auch den Angeklagten verletzt? In welcher Reihenfolge spielten die Ereignisse sich ab? Um all das zu klären, sind für den zweiten Verhandlungstag am 3. Dezember weitere Zeugen geladen: Die Notärztin, die zur Erstversorgung der schwer verletzten Frau vor Ort war. Der diensthabende Arzt, der die Frau nachts im Biberacher Klinikum versorgte. Weitere Kriminalbeamte. Ein Sachverständiger, der sein psychiatrisches Gutachten vorstellen wird. Das Opfer, das als Nebenklägerin auftritt, wird auch befragt werden.
Die Strategie der beiden auf Strafrecht spezialisierten Anwälte aus Biberach und Karlsruhe jedenfalls scheint zu sein, den Tathergang als solchen bereits infrage zu stellen. Dass ihr Mandant nach der Tat laut Aussagen von Rettungskräften und Polizeibeamten mehrfach „Ich war’s“oder „Warum hab’ ich das gemacht?“gesagt haben soll, wird ebenso in den Fokus gerückt werden wie die Frage, ob beim Opfer nachweislich Strangulierungsmale zu finden gewesen sind oder nicht. Die öffentliche Verhandlung wird am kommenden Montag, 3. Dezember, um 8.30 Uhr fortgesetzt.