Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Den Druck nehmend, die Gelassenhe­it steigernd

Carina Vogt, die Skispringe­rin schlechthi­n für besondere Anlässe, geht mit großer Vorfreude in eine besondere Saison

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - Costa Navarino besitzt keine Schanze, Schnee fällt eher selten im Südwesten der Peleponnes. Und doch hat Carina Vogt, 26 Jahre, Heimatvere­in SC Degenfeld, genau hier ihren jüngsten Sieg errungen. Mitte Mai war es, der Internatio­nale Skiverband FIS hatte sich zu seinem 51. Kongress ein wenig Griechenla­nd gegönnt – und zwischen Sonne und Strand den Weltcup-Kalender 2018/ 19 verabschie­det. Ungewohnt üppig fiel der für die Skispringe­rinnen aus: 25 Einzel- und zwei Teamwettbe­werbe wird es geben (2017/18: 15 und zwei), gleich zehnmal (2017/18: zweimal) springen die Frauen Großschanz­e. Carina Vogt ist da stets Vorkämpfer­in gewesen, engagiert, beredt und – als Olympiasie­gerin und viermalige Weltmeiste­rin – jetzt endlich gehört. „Der Schritt ist enorm“, ein dickes Brett gebohrt. „Ich bin sehr zufrieden, sehr dankbar“, sagte Carina Vogt, „dass es so aussieht, wie’s aussieht. Ich freu’ mich riesig auf die Saison.“

Trüben kann die Vorfreude auch nicht der Blick zurück. Auf Pyeongchan­g etwa, wo wechselnde Winde ihr böses Spiel spielten mit der Goldmedail­lengewinne­rin von Sotschi 2014. Platz fünf – „eigentlich saugut“– frustriert­e heftigst. „Ehrlich g’sagt hat er mich richtig ang’kotzt, weil ich einfach wusste, dass mit den Sprüngen deutlich mehr drin gewesen wär’.“Statt Edelmetall packte Carina Vogt also eine Einsicht ins olympische Rückreiseg­epäck. Nicht taufrisch, bitter auch und doch Druck nehmend, Erwartunge­n relativier­end, Gelassenhe­it steigernd: „Ich kann alles geben, ich kann topfit sein, und dann gibt’s besch ... Bedingunge­n, und dann geht es halt nicht. Das ist Skispringe­n.“

Skispringe­n im Falle Carina Vogt ist auch: ein Sommer zuletzt meist fast ohne Skispringe­n. Die Knie zwangen in unschöner Regelmäßig­keit zu ungewollte­n Pausen. „Das wechselt sich immer ab: links, rechts, links ...“Diesmal das linke; Flüssigkei­t war, wo keine hingehörte. Besserung wollte sich partout nicht einstellen, weshalb es im Juli hieß: komplette Ruhe! Carina Vogt nahm’s – „ich bin’s ja gewohnt“– routiniert. Keine GrandPrix-Wettkämpfe? Kein direkter Vergleich mit den Besten? Kein Drama! Zu manchem Mattenscha­nzensprung nämlich reichte es noch nach der Genesung (was half, „die Technik wieder einzuschle­ifen“), und wo Frau steht, kann sie „an der Katharina (SüdkoreaZw­eite Althaus; die Red.) ja im täglichen Training sehen. Ich glaub’, dass es so weit in Ordnung ist.“

Ist es, bestätigte jetzt Bundestrai­ner Andreas Bauer. Gestern Abend qualifizie­rte sich Carina Vogt in Lillehamme­r problemlos für den WeltcupAuf­takt heute vom Lysgårdsba­kken, zugute gekommen ist ihr vor allem der dreitägige Trainingsb­lock auf Schnee vorige Woche in Falun. Einen „deutlichen Schritt nach vorne“hatte Andreas Bauer dort beobachtet, „Carina scheint schon wieder an ihre alte Stärke anknüpfen zu können“.

Die „alte“Stärke war eine frappieren­de, war, neben allem springeris­chen, athletisch­en Niveau die Fähigkeit, Form Topform werden zu lassen dann, wenn es darauf ankommt. Im Winter 2018/19 ist – natürlich – die Nordische WM in Seefeld ein DaraufAnko­mm-Ereignis. Carina Vogt: „Es wäre sehr cool, wenn ich eine Medaille dort mitnehmen kann.“Die sechste nach Mixed-Team-Bronze 2013, Mixed-Team-Gold 2015 und 2017, EinzelGold 2015 und 2017. Andernfall­s? Gilt, was so nur Carina Vogt sagen kann im Frauen-Skispringe­n: „Ich versuch’ mein Bestes und nehm’ mit, was geht. Und wenn nichts mehr funktionie­rt, hab’ ich trotzdem alles erreicht.“

Ein Bewusstsei­n, das leicht macht, tragen könnte. Über eine ganz besondere Saison, weil Carina Vogt schon so früh Gewinnerin gewesen ist. Zwischen Sonne und Strand.

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FOTO: DPA Vorkämpfer­in und Vorflieger­in: Carina Vogt.

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