Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kretschmann setzt bei Energiewende auf Vorarlberg
Alpine Pumpspeicherkraftwerke sollen weiterhin das Netz in Baden-Württemberg stabil halten
BREGENZ - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) setzt bei der Bewältigung der Energiewende weiterhin auf Vorarlberger Pumpspeicherkraftwerke. Dies hat er am Freitag während eines Besuchs in dem westlichsten österreichischen Bundesland deutlich gemacht.
Kretschmann sagte während einer Pressekonferenz in Bregenz: „Wenn wir in eine regenerative Zukunft gehen, brauchen wir Pumpspeicherkraftwerke zum Bereitstellen von Regelenergie.“Der Begriff stammt aus der Elektrowirtschaft. Er bedeutet das Versorgen von Stromkunden mit genau der benötigten elektrischen Leistung bei unvorhergesehenen Ereignissen im Stromnetz. Pumpspeicherwerke sind praktisch am Netz, sobald sie Wasser in ihre Turbinen leiten.
Geografisch gesehen bieten die Berge und Flüsse Vorarlbergs beste Bedingungen für die Energieerzeugung aus Wasserkraft. Tätig sind auf diesem Sektor die Illwerke, ein Energieunternehmen, das zu 95,5 Prozent im Besitz des Landes Vorarlberg ist. Sein Ursprung geht in die 1920er-Jahre zurück. Schon damals beteiligten sich Stromerzeuger aus Württemberg – und später dann auch das damalige Land Württemberg – am Ausbau der Vorarlberger Wasserkraft.
Speziell im Montafon wurden entsprechende Anlagen errichtet. Das jüngste Pumpspeicherwerk Obervermut II ist eben erst für den Probebetrieb ans Netz gegangen. Das heutige Baden-Württemberg ist nach wie vor in das Geschehen involviert. 50 Prozent der von den Illwerken erzeugten Strommenge bezieht vertragsgemäß die Energie BadenWürttemberg (EnBW). Sie hat sich an Obervermut II beteiligt. Ihr obliegt auch der Einsatz der Kraftwerksgruppe Oberer Ill und Lünersee. Sie gehört praktisch zum deutschen Energiemarkt. Entsprechende Verträge wurden 2012 für weitere 29 Jahre verlängert.
Bereits vorhandene Infrastruktur
„Da in Vorarlberg schon alles existiert“, betonte Kretschmann, „brauchen wir es woanders nicht noch mal bauen wollen.“Er verweist damit auf die Lage in Baden-Württemberg. Planungen für das Pumpspeicherkraftwerk Atdorf II im Südschwarzwald waren 2017 eingestellt worden. Zum einen hatte es Proteste gegeben. Außerdem hielt die EnBW als wichtigster Geldgeber das Projekt wegen niedriger Strompreise an der zentralen Leipziger Strombörse für nicht mehr wirtschaftlich. Gegenwärtig wird in Baden-Württemberg im Bereich von Pumpspeicherwerken nur die bestehende Anlage in Forbach im Nordschwarzwald ausgebaut. „Ansonsten ist nichts geplant“, erklärte der Ministerpräsident.
Prinzipiell geht es bei Pumpspeicherwerken nicht nur darum, Energie auf Knopfdruck zur Verfügung zu stellen. „Wir stabilisieren und gleichen das Netz im süddeutschen Raum aus“, sagte Christof Germann, einer von zwei Geschäftsführern der Illwerke. Kretschmann traf ihn in der Bregenzer Konzernzentrale. Germanns Kollege Helmut Mennel bezeichnete die Illwerke als „Feuerwehr der Stromwirtschaft.“Dies beinhaltet auch das Abschöpfen von Energiespitzen, bevor das Netz wegen Überlastung zusammenbricht. Pumpspeicherwerke können diesen Strom nutzen, um Wasser hinauf in die Speicherbecken zu pumpen. Letztlich ist der Vorgang so ähnlich wie das Aufladen einer Batterie.
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner begleitete Kretschmann durch den Freitag. Der Politiker von der konservativen ÖVP meinte, es sei von allgemeinem Interesse, „die Wasserkraft am Bodensee zu stärken“. Diese Aussage verband er mit einem Nein zur Atomkraft. Während seiner Amtszeit hat der Vorarlberger Landtag beschlossen, dass das Land energieautark werden solle. Das heißt, der benötigte Strom würde nur in Vorarlberg erzeugt werden.
Zu diesen Vorstellungen gehört der Ausbau der Elektromobilität. Vorarlberg spielt auf diese Gebiet eine Vorreiterrolle. Seine knapp 400 000 Einwohner können bereits auf rund 450 Ladestationen für E-Autos zurückgreifen. Baden-Württembergs mitgereister Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach von einer Vorbildfunktion Vorarlbergs: „Da können wir uns noch etwas abschauen.“