Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Ein Veggietag bringt schon was“
der Familie Pinzler-Wessel heute deutlich weniger Fleisch auf den Tisch und wenn, dann eher Schwein und Huhn. Eine echte Entdeckung seien die heimischen Wildschweine. Denn die müssten ja eh geschossen werden.
Mama Petra plagte vor allem beim Blick auf den Kleiderschrank das schlechte Gewissen. Sechs Kilogramm CO2 fallen für Produktion, Transport und Entsorgung eines Damenshirts an. Viel zu viel, als dass man sich ständig neue kaufen kann. Die Mutter greift hier zu einem Selbstbetrug: Im Winter kommen die Sommersachen in den Keller, im Sommer die warmen Klamotten. So macht sie regelmäßig Neuentdeckungen. „Beim Einkaufen gehe ich heute immer noch einmal um den Laden herum. Dann ist es viel leichter, Nein zu sagen“, sagt Petra Pinzler. Ein großer Verzicht sei das nicht. „Wenn man nur lange genug wartet, wird früher oder später eh alles wieder modern.“
Genervte Freunde
Allzu missionarisch sollte man bei so einem Experiment nicht vorgehen. Das hat die Familie schnell gemerkt. Selbst aufgeklärte Freunde verließen bei Partys genervt den Raum, weil sie den Klimakram nicht mehr hören können. Überhaupt, auf den erhobenen Zeigefinger reagieren die Leute allergisch. Spricht man dagegen die eigenen Gewissenskonflikte bei Konsumentscheidungen an, ist man schnell im Gespräch. „Wenn man so etwas machen will, sollte man sich Freunde und Bekannte suchen, die mitmachen“, rät Petra Pinzler rückblickend. Als großen Verzicht fand sie die CO2-Diät nicht. Man überlegt, was wirklich wichtig ist. Petra Pinzler
Ein ungelöstes Problem bleibt das Februargefühl, das einen beschleicht, wenn man dem nasskalten Wetter gerne entfliehen und in den Süden fliegen würde, sagt Petra Pinzler. Vor allem Papa Günther wäre im Frühjahr gerne einfach nach Griechenland geflogen. Preislich dank Billigfliegern kein Problem. Für die Klimabilanz eine Katastrophe. Aber nach Griechenland kommt man nun einmal nicht mit dem Rad.
Für solche Notfälle hält die Familie einen Ablasshandel für akzeptabel – die Kompensation bei Atmosfair, die das Geld für den kompensierten Flug oder eine Kreuzfahrt in Klimaprojekte investiert. Der Flug nach Kreta und zurück hätte die vierköpfige Familie 112 Euro gekostet. Bei 14 Tagen zwei Euro am Tag. Durchaus zu verschmerzen. Am Ende ging es dann doch mit dem Auto in die Alpen.
Das Experiment hat die Familie verändert. „Wir müssen uns politisch viel stärker einmischen“, findet Mutter Petra. Ihrer Meinung nach gehört vor allem das Steuersystem reformiert, das nach ihrer Ansicht unökologisches Verhalten belohnt und ökologisches bestraft. „Warum wird auf ein Bahnticket Mehrwertsteuer erhoben, auf ein Flugticket nicht? Warum wird Strom von Privathaushalten besteuert, Kerosin dagegen nicht?“
Die Klimakonferenz hat Jakob, der inzwischen studiert, eher am Rande mitverfolgt. In Sachen Klimaschutz macht er sein eigenes Ding. In seiner Freizeit geht er mit einem Klimakoffer des BUND an Schulen und wirbt für den Klimaschutz.
Franziska dagegen ärgert sich richtig, dass es auch bei dieser Konferenz voraussichtlich keinen Durchbruch gibt. „Sie findet Politik nur noch doof und versteht diese riesige Kluft zwischen dem ständigen Reden und Verhalten der Politiker nicht“, meint Mutter Petra. Resignieren wolle ihre Tochter allerdings nicht. Im Gegenteil: Aktuell will Franziska selbst Politikerin werden. Irgendjemand muss es schließlich besser machen.
Das Buch „Vier fürs Klima“von Petra Pinzler und Günther Wessel wurde gerade mit dem Umwelt Medienpreis ausgezeichnet. Es ist 2018 im Droemer Verlag erschienen und kostet 18 Euro. Günther Wessel kommt auch auf Lesereise in die Region. Am 8. März nach Singen, am 19. März nach Tuttlingen und am 22. März nach Rottweil. KREUZLINGEN Bei den Verhandlungen der UNKlimakonferenz in Kattowitz sind auch Vertreter des Freiburger Öko-Instituts dabei. Die Wissenschaftlerin Corinna Fischer erklärt Kerstin Conz, was jeder einzelne ganz unabhängig von den Ergebnissen fürs Klima tun kann.
Wie müssten die Verbraucher ihren CO2-Ausstoß verringern, um die Klimaziele zu erreichen?
Wir stoßen in Deutschland etwa elf Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr aus. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssen diese Emissionen bis 2020 auf neun Tonnen, bis 2050 auf höchstens drei Tonnen sinken. Um die drei Tonnen zu erreichen, muss die Politik die Rahmenbedingungen massiv anders setzen. Die neun Tonnen könnte aber schon heute jeder Einzelne schaffen.
Was sind im Alltag die größten Klimakiller?
Die wichtigsten Themen sind Wohnen, Strom, Mobilität und Ernährung. Wenn man ein Haus oder eine Wohnung kauft, spielen der Dämmstandard und die Wohnfläche eine wichtige Rolle. Kurzfristig kann man mit Strom eine Menge machen.
Wie funktioniert das?
Zum Beispiel, indem man alle Geräte aus macht, die man doppelt und dreifach im Haushalt hat. Den Kühlschrank im Keller mit den fünf Bierflaschen kann man auch nur zur Party anmachen. Besonders Fernseher verbrauchen mittlerweile fast so viel Strom wie ein Kühlschrank.
Dabei werden die Geräte doch immer effizienter ....
Ja, aber die Bildschirme werden auch immer größer und das frisst Energie. Daher sollte man den Fernseher nur anmachen, wenn man wirklich etwas anschaut. Bei vielen läuft er einfach nur im Hintergrund mit. Beim Kauf sollte man sich überlegen, wie groß der Bildschirm wirklich sein muss.
Wie schlimm sind Flugreisen?
Flugreisen sind problematisch, weil die Treibhausgase in dieser Höhe bei gleichem Ausstoß eine fast dreifach hohe Wirkung haben. Im CO2-Rechner des Bundesumweltamts ist ein vierstündiger Flug pro Jahr schon eingestellt. Wenn man den weglässt, spart man auch fast schon eine Tonne CO2 pro Jahr.
„Nur, weil die Politiker ihren Job nicht richtig machen, ist das kein Grund, nicht selbst aktiv zu werden.“
Warum sind auch Biokäse und Rindersteak schlecht fürs Klima?
Treibhausgase entstehen auch durch Tiere, die rülpsen und pupsen. Insbesondere Rinder und Kühe erzeugen sehr viel Methangas. Für Fleisch und Hartkäse müssen die Tiere mehr fressen als für Milch und Quark. Verzichten muss man deshalb nicht, aber vielleicht etwas bewusster essen. Auch ein Veggietag pro Woche bringt schon was.