Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Hausdurchsuchung bei Buchauer Stadtrat
Betreiber von amfedersee.de steht im Verdacht der Volksverhetzung
WEINGARTEN/BAD BUCHAU - Die Polizei ermittelt gegen einen Stadtrat aus Bad Buchau. Er steht im Verdacht, über seine Internetseite www.amfedersee.de volksverhetzende Inhalte verbreitet zu haben. Nachdem Einsatzkräfte des Polizeipräsidiums Ulm seinen Wohnsitz durchsucht haben, hat der Beschuldigte freiwillig den Betrieb seiner Seite eingestellt. Das ist besonders interessant, weil der Bad Buchauer Stadtrat wegen ehrenrühriger Blogeinträge aus dem Jahr 2016 bereits vom Weingartener Flüchtlingshelfer Adi Brugger, der in der Asylbewerberhilfe Ravensburg engagiert ist, verklagt worden war.
Der Stadtrat hatte Brugger in mehreren Beiträgen attackiert und auch persönliche Daten über ihn veröffentlicht, nachdem der Flüchtlingshelfer Kontakt zu den Firmen aufgenommen hatte, die mit Anzeigen auf amfedersee.de vertreten waren. Das wollte Brugger nicht akzeptieren, weswegen der Fall vor Gericht landete. Das zivilrechtliche Verfahren zog sich dann über Monate hin. Es wurde zunächst am Amtsgericht Riedlingen, später in zweiter Instanz am Landgericht Ravensburg behandelt. Beide Gerichte verpflichteten den Blogbetreiber dazu, die Einträge über Brugger zu löschen.
Doch zurück zu den aktuellen Entwicklungen: „Am Federsee.de sagt auf Wiedersehen. Vielen Dank für über zehn erfolgreiche Jahre“: Wer derzeit die Internetseite www.amfedersee.de aufruft, findet lediglich diese Abschiedsnotiz. Der Betreiber hat mittlerweile seinen Blog vom Netz genommen, nachdem Einsatzkräfte des Polizeipräsidiums Ulm seinen Wohnsitz und auch den des Domaininhabers durchsucht haben.
Den dafür erforderlichen Durchsuchungsund Beschlagnahmebeschluss habe die Staatsanwaltschaft Ravensburg beantragt, berichtet der Ravensburger Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Den Beschluss dazu habe das Amtsgericht Ravensburg Ende Oktober gefasst. Der Grund: „Es besteht der Verdacht, dass über die Internetseite volksverhetzende Inhalte, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, verbreitet wurden, wobei sich die Inhalte insbesondere gegen Flüchtlinge und Zuwanderer richteten“, führt der Oberstaatsanwalt aus. Flüchtlinge und Migranten seien nach derzeitigen Stand der Ermittlungen „nicht nur beschimpft und böswillig verächtlich gemacht“worden; in „zahlreichen Kommentaren und Äußerungen“ sei ihnen zudem „allein aufgrund ihres Status als Asylbewerber das Recht auf ein Leben in der Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertig beziehungsweise minderwertig dargestellt“worden. Diehl: „Angriffe auf die Menschenwürde sind vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung – auch im Internet – nicht gedeckt.“
Im Fokus der Ermittlungen stünden sowohl Beiträge, die der Stadtrat selbst verfasst hat, als auch Kommentare der User. „Gerade in den Kommentaren dieser Personen kam zum Ausdruck, dass die Inhalte der Internetseite geeignet waren, zu einer emotionalen Feindseligkeit gegen Flüchtlinge aufzureizen“, argumentiert Oberstaatsanwalt Diehl.
Opfer verhöhnt und beschimpft
Denn „Neuigkeiten aus Bad Buchau am Federsee“, wie auf der Seite zu lesen war, enthielt www.amfedersee.de in den vergangenen Jahren kaum mehr. Stattdessen veröffentlichte der Betreiber meist deutschlandweite Polizeimeldungen mit Straftaten von Flüchtlingen oder auch Beiträge rechtspopulistischer Medien. Dazu stellte der Stadtrat eigene Kommentare, teilweise unter Verwendung von Vulgärsprache. So wird bei einem Beitrag vom 21. Juni 2018 der Fall einer getöteten Tramperin aufgegriffen. Der mutmaßliche Täter, ein marokkanischer LKW-Fahrer, wird nicht nur als „Asylikrimineller“vorverurteilt, sondern auch die junge Frau als „Buntlandunterstützerin“und „Teddybärenwerferin“regelrecht verhöhnt. Noch wüster geht es in den Leserkommentaren zu. Hier ist von „dummen Weibern“die Rede, das Opfer wird als „degenerierte Kuh“beschimpft und ihr Tod mit „saugeil“und „das nennt man natürliche Auslese“quittiert.
All das bleibt nicht ohne Konsequenzen. Rein rechtlich gehe es nun um die Verwirklichung des Tatbestands der Volksverhetzung, verweist Oberstaatsanwalt Diehl auf Paragraf 130, Absatz 1, des Strafgesetzbuchs. Das Gesetz sieht dafür als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Die polizeilichen Ermittlungen dauerten jedoch noch an, so Diehl. Erst nach ihrem Abschluss, nach der Prüfung und Bewertung des Ermittlungsergebnisses und nach Akteneinsicht des Verteidigers werde man darüber befinden, ob es zu einem Verfahren komme. Die Entscheidung werde voraussichtlich im ersten Quartal 2019 fallen.
Der Buchauer Stadtrat selbst wollte sich gegenüber der SZ nicht zu den Vorwürfen äußern.