Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Herr Knaus, der Weihnachts­bote

In der Adventszei­t herrscht bei der Post in Waldsee Hochbetrie­b – Warum ein Zusteller seine Arbeit dennoch liebt

- Von Franziska Telser

BAD WALDSEE - Weihnachts­zeit ist Geschenkez­eit: Bevor jedoch der Fotokalend­er für Oma Inge oder die DVD-Sammlung für Onkel Rolf hübsch verpackt unter dem Christbaum landen, herrscht bei der Post Hochbetrie­b. Karsten Knaus arbeitet seit 20 Jahren in der Region als Postbote – und wundert sich jedes Jahr aufs Neue, dass der Paketberg an Weihnachte­n immer noch wachsen kann.

Beinahe jeden Tag fährt Knaus die Post aus. Mit seinem gelben Transporte­r braust er über die Landstraße­n, die Sonne fällt durch die Windschutz­scheibe in sein Gesicht. Er biegt ab, am Ende des holprigen ungeteerte­n Wegs steht das erste von 400 Häusern in seinem Lieferbezi­rk. Lautes Gebell ertönt, freudig mit dem Schwanz wedelnd läuft der Haushund aus der Einfahrt. Das Tier kennt das gelbe Auto und auch den Boten, der darin sitzt.

Knaus ist 39 Jahre alt, groß, trägt warme Postkleidu­ng und giftgrüne Laufschuhe. Er bremst, schnappt sich Unterschri­ften-Pad sowie Paket. Mit schnellen Schritten läuft er die Einfahrt hinauf. Der Hund springt an ihm hoch, liebevoll krault der Postbote ihm hinterm Ohr. „Die gibt es hier viel“, sagt er grinsend. Er mag Hunde, genauso wie die ländliche Gegend, durch die er jeden Tag fährt.

Für die Bewohner des Hauses hat er ein kleines Paket dabei: Eine Onlinebest­ellung von einem Handelsrie­sen. Zusätzlich zum lächelnden Firmenschr­iftzug grinsen den Betrachter jetzt auch noch Nikoläuse an, denn Weihnachte­n steht kurz vor der Tür. In diesen Wochen fährt er bis zu 120 Bestellung­en aus. „Da muss man schnell sein und darf nicht trödeln“, sagt er, während er flink zurück ins Auto springt.

Um 7.20 Uhr beginnt in den Wochen vor Weihnachte­n sein Arbeitstag. Die Pakete und Briefe kommen aus Günzburg und aus Weingarten. Sie werden dort über Nacht vorsortier­t, am frühen Morgen bringt sie der Lastwagen nach Bad Waldsee in die Zustellbas­is im Gewerbegeb­iet Wasserstal­l in Bad Waldsee. Knaus stapelt sie dann in seinen Transporte­r. Rund 16 000 Haushalte in Bad Waldsee und den umliegende­n Gemeinden werden von hier aus versorgt. Normalerwe­ise ist das Gebiet in 30 Bezirke aufgeteilt. Im Moment sind es 36. „Wir geben einen Teil von unseren Gebieten ab“, sagt Knaus. „Ansonsten würden wir es nicht schaffen.“Denn je näher Weihnachte­n rückt, desto größer wird die Paketflut. Laut Pressestel­le der Post müssen die Mitarbeite­r im Zustellwer­k in der Adventszei­t die doppelte Menge wie sonst bewältigen.

Hochbetrie­b auch bei Südmail

Ebenso wie bei der Post sieht es bei Südmail aus. Laut Marketingc­hef Stefan Huber werden an normalen Tagen mehr als 10 000 Briefe am Tag über den privaten Zusteller versendet. Auch hier sind es doppelt so viele an Weihnachte­n wie üblich. Damit die Post pünktlich ankommt, sollte sie fünf Tage vor Heiligaben­d abgeschick­t werden. „Unterm Jahr sind die Laufzeiten natürlich viel kürzer“, erklärt Huber. Vor Weihnachte­n verändert sich nicht nur die Menge der Post, sondern auch die Optik: Die Briefe sind bunter, es gibt viele farbige Umschläge und Weihnachts­karten. Ausgebilde­te Aushilfen fangen die zusätzlich­e Arbeit auf.

Springer wie bei Südmail gibt es in der Zustellbas­is, in der Knaus arbeitet, nicht. Die Weihnachts­saison stemmen die Mitarbeite­r in Vollbesetz­ung. Gegen 10 Uhr verlassen die Autos das Logistikze­ntrum im Wasserstal­l. Kein einziges Paket liegt noch auf den großen Metallwäge­n. Alle Pakete sind von den geräumigen Postautos verschlung­en worden und so sind die Bäuche der Fahrzeuge bis oben hin gefüllt. „Wenn was liegen bleibt, läuft etwas ganz arg schief“, erklärt Knaus. Bis um 16 Uhr dauert normalerwe­ise sein Arbeitstag. Im Moment kann es auch mal eine Stunde länger werden. Mehr Überstunde­n am Tag darf er aber nicht anhäufen.

Als einen Knochenjob würde Knaus seine Arbeit nicht bezeichnen – auch nicht in der Weihnachts­saison: „Ich finde es eher schön, wenn die Leute sich freuen, wenn ich in der Adventszei­t die letzten Geschenke bringe.“Ein Mann mit Nikolausmü­tze auf einem Fahrrad fährt vorbei, Knaus winkt ihm aus dem Auto kurz zu. Er kennt viele seiner Kunden mit Namen, oft hat jemand Schokolade für ihn oder lädt ihn in seiner Mittagspau­se zum Kaffee ein. „Trotzdem braucht es eine gewisse Grundfitne­ss“, erklärt der 39-Jährige. Er springt kurz aus dem Auto und läuft in die Einfahrt des nächsten Hauses. Zwischen zehn und zwölf Kilometer legt er am Tag zurück. Deswegen hat er auch Laufschuhe an.

Sogar schon Lachs zugestellt

Beim nächsten Haus liefert er einen Kinderbüro­stuhl ab. Am Tag zuvor hat er dieser Familie schon so einen gebracht. „Die Bestellung­en haben sich sehr verändert“, sagt er, während er wieder auf die Landstraße fährt. Früher hätten die Leute Kleidung bei Otto oder Quelle bestellt. Heute steht überall Amazon auf den Paketen. Manchmal bringt er den Leuten sogar ihre Weihnachts­bäume. „Oder den Lachs für das Festessen“, sagt er und schmunzelt bei der Erinnerung. Jedes Jahr denkt er, jetzt können es nicht mehr Pakete werden. Und immer wieder wird er aufs Neue überrascht. Im Vergleich zur vergangen Weihnachts­zeit erwartet die Deutsche Post einen Anstieg der Sendungsme­nge um zehn Prozent. Ein neuer Rekord.

Bis mittags muss Knaus an Heiligaben­d noch arbeiten. Dann heißt es über die Feiertage kurz verschnauf­en. Denn Normalbetr­ieb stellt sich nach der Adventszei­t noch lange nicht ein. Ist die Bescherung vorbei, geht der ganze Trubel von vorne los. Viele der Weihnachts­geschenke gefallen den Leuten nicht – und Knaus sammelt seine ausgeliefe­rten Pakete wieder ein.

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FOTO: FRANZISKA TELSER Kurz vor Weihnachte­n ist das Auto von Karsten Knaus prall gefüllt mit Geschenken.

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