Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Herr Knaus, der Weihnachtsbote
In der Adventszeit herrscht bei der Post in Waldsee Hochbetrieb – Warum ein Zusteller seine Arbeit dennoch liebt
BAD WALDSEE - Weihnachtszeit ist Geschenkezeit: Bevor jedoch der Fotokalender für Oma Inge oder die DVD-Sammlung für Onkel Rolf hübsch verpackt unter dem Christbaum landen, herrscht bei der Post Hochbetrieb. Karsten Knaus arbeitet seit 20 Jahren in der Region als Postbote – und wundert sich jedes Jahr aufs Neue, dass der Paketberg an Weihnachten immer noch wachsen kann.
Beinahe jeden Tag fährt Knaus die Post aus. Mit seinem gelben Transporter braust er über die Landstraßen, die Sonne fällt durch die Windschutzscheibe in sein Gesicht. Er biegt ab, am Ende des holprigen ungeteerten Wegs steht das erste von 400 Häusern in seinem Lieferbezirk. Lautes Gebell ertönt, freudig mit dem Schwanz wedelnd läuft der Haushund aus der Einfahrt. Das Tier kennt das gelbe Auto und auch den Boten, der darin sitzt.
Knaus ist 39 Jahre alt, groß, trägt warme Postkleidung und giftgrüne Laufschuhe. Er bremst, schnappt sich Unterschriften-Pad sowie Paket. Mit schnellen Schritten läuft er die Einfahrt hinauf. Der Hund springt an ihm hoch, liebevoll krault der Postbote ihm hinterm Ohr. „Die gibt es hier viel“, sagt er grinsend. Er mag Hunde, genauso wie die ländliche Gegend, durch die er jeden Tag fährt.
Für die Bewohner des Hauses hat er ein kleines Paket dabei: Eine Onlinebestellung von einem Handelsriesen. Zusätzlich zum lächelnden Firmenschriftzug grinsen den Betrachter jetzt auch noch Nikoläuse an, denn Weihnachten steht kurz vor der Tür. In diesen Wochen fährt er bis zu 120 Bestellungen aus. „Da muss man schnell sein und darf nicht trödeln“, sagt er, während er flink zurück ins Auto springt.
Um 7.20 Uhr beginnt in den Wochen vor Weihnachten sein Arbeitstag. Die Pakete und Briefe kommen aus Günzburg und aus Weingarten. Sie werden dort über Nacht vorsortiert, am frühen Morgen bringt sie der Lastwagen nach Bad Waldsee in die Zustellbasis im Gewerbegebiet Wasserstall in Bad Waldsee. Knaus stapelt sie dann in seinen Transporter. Rund 16 000 Haushalte in Bad Waldsee und den umliegenden Gemeinden werden von hier aus versorgt. Normalerweise ist das Gebiet in 30 Bezirke aufgeteilt. Im Moment sind es 36. „Wir geben einen Teil von unseren Gebieten ab“, sagt Knaus. „Ansonsten würden wir es nicht schaffen.“Denn je näher Weihnachten rückt, desto größer wird die Paketflut. Laut Pressestelle der Post müssen die Mitarbeiter im Zustellwerk in der Adventszeit die doppelte Menge wie sonst bewältigen.
Hochbetrieb auch bei Südmail
Ebenso wie bei der Post sieht es bei Südmail aus. Laut Marketingchef Stefan Huber werden an normalen Tagen mehr als 10 000 Briefe am Tag über den privaten Zusteller versendet. Auch hier sind es doppelt so viele an Weihnachten wie üblich. Damit die Post pünktlich ankommt, sollte sie fünf Tage vor Heiligabend abgeschickt werden. „Unterm Jahr sind die Laufzeiten natürlich viel kürzer“, erklärt Huber. Vor Weihnachten verändert sich nicht nur die Menge der Post, sondern auch die Optik: Die Briefe sind bunter, es gibt viele farbige Umschläge und Weihnachtskarten. Ausgebildete Aushilfen fangen die zusätzliche Arbeit auf.
Springer wie bei Südmail gibt es in der Zustellbasis, in der Knaus arbeitet, nicht. Die Weihnachtssaison stemmen die Mitarbeiter in Vollbesetzung. Gegen 10 Uhr verlassen die Autos das Logistikzentrum im Wasserstall. Kein einziges Paket liegt noch auf den großen Metallwägen. Alle Pakete sind von den geräumigen Postautos verschlungen worden und so sind die Bäuche der Fahrzeuge bis oben hin gefüllt. „Wenn was liegen bleibt, läuft etwas ganz arg schief“, erklärt Knaus. Bis um 16 Uhr dauert normalerweise sein Arbeitstag. Im Moment kann es auch mal eine Stunde länger werden. Mehr Überstunden am Tag darf er aber nicht anhäufen.
Als einen Knochenjob würde Knaus seine Arbeit nicht bezeichnen – auch nicht in der Weihnachtssaison: „Ich finde es eher schön, wenn die Leute sich freuen, wenn ich in der Adventszeit die letzten Geschenke bringe.“Ein Mann mit Nikolausmütze auf einem Fahrrad fährt vorbei, Knaus winkt ihm aus dem Auto kurz zu. Er kennt viele seiner Kunden mit Namen, oft hat jemand Schokolade für ihn oder lädt ihn in seiner Mittagspause zum Kaffee ein. „Trotzdem braucht es eine gewisse Grundfitness“, erklärt der 39-Jährige. Er springt kurz aus dem Auto und läuft in die Einfahrt des nächsten Hauses. Zwischen zehn und zwölf Kilometer legt er am Tag zurück. Deswegen hat er auch Laufschuhe an.
Sogar schon Lachs zugestellt
Beim nächsten Haus liefert er einen Kinderbürostuhl ab. Am Tag zuvor hat er dieser Familie schon so einen gebracht. „Die Bestellungen haben sich sehr verändert“, sagt er, während er wieder auf die Landstraße fährt. Früher hätten die Leute Kleidung bei Otto oder Quelle bestellt. Heute steht überall Amazon auf den Paketen. Manchmal bringt er den Leuten sogar ihre Weihnachtsbäume. „Oder den Lachs für das Festessen“, sagt er und schmunzelt bei der Erinnerung. Jedes Jahr denkt er, jetzt können es nicht mehr Pakete werden. Und immer wieder wird er aufs Neue überrascht. Im Vergleich zur vergangen Weihnachtszeit erwartet die Deutsche Post einen Anstieg der Sendungsmenge um zehn Prozent. Ein neuer Rekord.
Bis mittags muss Knaus an Heiligabend noch arbeiten. Dann heißt es über die Feiertage kurz verschnaufen. Denn Normalbetrieb stellt sich nach der Adventszeit noch lange nicht ein. Ist die Bescherung vorbei, geht der ganze Trubel von vorne los. Viele der Weihnachtsgeschenke gefallen den Leuten nicht – und Knaus sammelt seine ausgelieferten Pakete wieder ein.