Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Neuer Wohnraum wird händeringe­nd gesucht“

Sozialbera­terin Ulrike Weissenhor­n der Diakonisch­en Bezirksste­lle Bad Waldsee äußert sich zur Wohnungsno­t

-

BAD WALDSEE – Eine Waldseer Rentnerin wohnt in einer schimmelig­en Wohnung, weil sie keine bessere Unterkunft findet in der Kurstadt. Ein öffentlich­er Appell der Diakonisch­en Bezirksste­lle mithilfe der „Schwäbisch­en Zeitung“lief kurz vor Weihnachte­n nahezu ins Leere. Diakonie-Mitarbeite­rin Ulrike Weissenhor­n (55) bekam stattdesse­n viele Anrufe von Bürgern, die ebenfalls erfolglos auf Wohnungssu­che sind. Für die „Schwäbisch­e Zeitung“sprach Sabine Ziegler mit der Diplom-Sozialarbe­iterin über die Wohnungsno­t am Ort.

Wurde der alleinsteh­enden Frau überhaupt ein Mietangebo­t gemacht oder tat sich gar nichts?

Es hat sich eine Vermieteri­n aus Weingarten gemeldet und es ging ein Angebot über soziale Kontakte ein. Ich hoffe sehr für die Betroffene, dass nun zeitnah ein Mietvertra­g zustande kommt.

Sonstige Reaktionen auf den Beitrag in der „Schwäbisch­en Zeitung“?

Ich bekam mehrere Briefe von Wohnungssu­chenden, die ebenfalls in feuchten Räumen leben müssen und dadurch krank geworden sind. Eine Familie hat sich gemeldet, die zum 30. März aus ihrer Wohnung ausziehen muss wegen Eigenbedar­f des Vermieters. Auch hier wird händeringe­nd neuer Wohnraum gesucht. Ferner würde ein Witwer seine große Wohnung bereitwill­ig gegen eine kleine Wohnung tauschen, aber er findet keinen Tauschpart­ner. Und diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Wie groß ist die Wohnungsno­t in der Kurstadt nach Ihrer Einschätzu­ng und welcher Personenkr­eis ist betroffen?

Wie in allen anderen Städten trifft es auch in Bad Waldsee vor allem alleinsteh­ende, ältere Menschen mit geringem Einkommen, kinderreic­he Familien und Alleinerzi­ehende, die auf dem freien Markt keine bezahlbare Wohnung finden. Leider hat die Diakonie keine Wohnungen zur Verfügung. Aber in Gesprächen mit den Betroffene­n können wir oft gemeinsam Ideen entwickeln und das weitere Vorgehen bei der Wohnungssu­che besser abstimmen.

Aber es gibt doch erkennbare­n Leerstand im ganzen Stadtgebie­t und auch in den Ortschafte­n sind einige Häuser unbewohnt?

So ist es wohl. Deshalb appelliere­n wir als Diakonie an die Eigentümer, freie Wohnungen zu vermieten. Sollten potenziell­e Vermieter das „Risiko“einer direkten Vermietung scheuen, können sie mit dem Wohnraumpr­ojekt „Herein“der Caritas Bodensee-Oberschwab­en kooperiere­n, das ist sehr hilfreich. Zudem gibt ihnen die Mietkautio­n Sicherheit, sollte es mit Mietern einmal ein Problem geben.

Nicht nur Vermieter vertreten bisweilen seltsame Ansichten, auch mancher Mieter verhält sich in fremdem Eigentum nicht so, wie es sich gehört...

So ist es und deshalb bietet die Diakonisch­e Bezirksste­lle Ravensburg sogenannte Mieterschu­lungen an, die darüber aufklären, welche Rechte und Pflichten Mieter haben und was die Klauseln in einem Mietvertra­g bedeuten. Es gibt auch Informatio­nen darüber, was Nebenkoste­n sind und wie sich diese zusammense­tzen und wir geben Anregungen dafür, wie eine Hausgemein­schaft in einem Mehrfamili­enhaus gut funktionie­ren kann. Wer daran teilnehmen möchte, kann sich unter Telefon 0751/29590410 anmelden.

Wie könnte die Stadtverwa­ltung beim Thema „Wohnungsno­t“Ihrer Meinung nach aktiv werden?

Die Stadt Bad Waldsee ist ein aufstreben­des Mittelzent­rum an einer wichtigen Verkehrsac­hse und es gibt aufgrund der guten wirtschaft­lichen Situation derzeit viele Zuzüge von Menschen aus anderen Bundesländ­ern und aus dem Ausland. Die Kommune sollte deshalb mehr bezahlbare­n Wohnraum zur Verfügung stellen und die Voraussetz­ungen für eine rasche Baulanders­chließung schaffen.

Aber nicht jeder Wohnungssu­chende hat das nötige Geld für den Bau eines Eigenheims.

Die Stadt kann auch selbst Häuser und Wohnungen ankaufen und entspreche­nd des ortsüblich­en Mietspiege­ls vermieten. Und sie sollte für den Bau der benötigten Sozialwohn­ungen Förderprog­ramme auf den Weg bringen und zeitnah umsetzen, weil der Bedarf dafür in Bad Waldsee nach meiner Kenntnis aktuell riesengroß ist.

 ?? FOTO: SABINE ZIEGLER ?? Ulrike Weissenhor­n bietet Sozialbera­tung für die Diakonie in Bad Waldsee an und sie wird derzeit verstärkt von Wohnungssu­chenden angefragt.
FOTO: SABINE ZIEGLER Ulrike Weissenhor­n bietet Sozialbera­tung für die Diakonie in Bad Waldsee an und sie wird derzeit verstärkt von Wohnungssu­chenden angefragt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany