Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Rentner meiden den Schussenrieder Tafelladen
Zahl der Bedürftigen stark gestiegen – Kunden sind entweder Familien oder Menschen mit Migrationshintergrund
BAD SCHUSSENRIED - In den Tafelläden in Deutschland dürfen all jene einkaufen, die sich die Lebensmittelpreise in einem normalen Supermarkt nicht mehr leisten können. Doch nicht alle, die kommen dürften, nehmen dieses Angebot an. Zumindest nicht in Bad Schussenried. Eine Gruppe Geringverdiener, die dort fast gar nicht mehr im Tafelladen auftaucht, sind Rentner.
Der Grund: Es gibt unter dem Dach der Bürgerstiftung ein Projekt, das sich gezielt um bedürftige Senioren kümmert und an sie Gutscheine für Lebensmittel und Essen verteilt. Das Projekt wird von einer Einzelperson geleitet und getragen. Das sieht das Team kritisch, weil sich Kompetenzen überschneiden würden und aneinander vorbeigearbeitet werde. „Es kann ja nicht sein, dass wohltätige Initiativen sich gegenseitig Konkurrenz machen und Kunden abwerben“, sagt Tanja Bühler, die zum Kernteam der Mitarbeiter gehört. Es sei schön, wenn sich Bürger füreinander einsetzen würden, „aber wenn diese eine Person nicht mehr kann, gucken die Leute plötzlich in die Röhre.“Dass keine Senioren mehr im Tafelladen einkaufen, könnte allerdings auch noch einen anderen Grund haben. Nach SZ-Informationen fanden es in der Vergangenheit manche Senioren befremdlich, mit Geflüchteten in einer Warteschlange zu stehen. „Wir finden es schade, dass die Rentner nicht mehr zu uns kommen. Wir könnten sie problemlos mitversorgen“, so Bühler.
Zu tun haben die Mitarbeiter im Tafelladen dennoch genug. Waren es August 2017 noch 400 Schussenrieder, die einen Berechtigungsschein hatten, sind es mittlerweile 500. Davon zählen auch 70 Familien, erklärt Tanja Bühler. „Zu uns kommen an einem Öffnungstag im Durchschnitt 20 Kunden“, sagt sie. Das erscheine wenig. Viele davon würden aber gleich für ihre ganze Familie einkaufen.
Seit mittlerweile vier Jahren betreibt das jetzige Team den Tafelladen in Bad Schussenried. Die neuen Öffnungszeiten am Donnerstagnachmittag und freitagmorgens würden von den Kunden gut angenommen.
Eine große Herausforderung stellte es für den Tafelladen dar, dass viele Supermärkte mittlerweile ihre Waren so lange im Regal lassen, bis das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. Früher hätten viele der Läden ihre Ware oft bereits drei Tage zuvor aus ihren Regalen geräumt, erklärt Tanja Bühler. „In der ersten Zeit nach dieser Umstellung haben wir fast nichts mehr von den Supermärkte abnehmen können, weil wir Lebensmittel auch nur bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum verkaufen konnten“, sagt sie. Nach Rücksprache mit dem Träger gelte nun die neue Regelung, dass gut erhaltene Lebensmittel auch über dieses Datum hinaus im Tafelladen verkauft werden dürfen.
Insgesamt sei das Angebot der Waren seit der Übernahme deutlich gestiegen. Auch hat sich im Laden selbst einiges verändert. Besonders stolz ist das Team auf die offene Kühltheke und das neue Auto, das ebenfalls mit einer Kühlung ausgestattet ist. Mit diesem könnten sie auch noch im Sommer verderbliche Ware abholen und das Regionallager der Tafel in Singen anfahren. „Ungefähr zu zehnt haben wir angefangen. Damals waren auch noch einige Rentner mit dabei. Von ihnen mussten inzwischen leider viele aufhören, weil es ihnen zu viel wurde.“Inzwischen gehören zum Helferkreis 19 Personen. Einer von ihnen ist Tobias Wagner: „Gerade eben war ich noch Beifahrer, jetzt bin ich hier bei der Vergabe mit dabei. Ich bin sozusagen Springer“, sagt er. Zu Beginn kam Wagner in den Tafelladen, weil er musste – denn er leistete dort Sozialstunden ab. Geblieben ist er, weil ihm das Ehrenamt Spaß macht. „Das Essen für die Leute ist günstig und gut, das Team ist nett und ich nehme mir gerne die Zeit“, sagt der 38-Jährige.
Was dem Team jetzt noch fehle, sagt Bühler, sei ein Freiwilliger, der gut Autofahren könne. Und um das neue Fahrzeug vollständig abzubezahlen, benötigt der Tafelladen noch weitere Spenden.