Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Babys kommen mit grauem Star zur Welt“
Rüdiger Walzer und seine Söhne engagieren sich für Fehlsichtige in Afrika
ISNY - Zwei Wochen lang hat Optikermeister Rüdiger Walzer unentgeltlich im Akkord gearbeitet: Er untersuchte über 150 Menschen – pro Tag also mehr als 20 – passte ihnen 100 Brillen an, wofür er rund 200 Fassungen und 600 verschiedene Gläser aus dem Allgäu mitgebracht hatte. Diese Bilanz zog der Isnyer nach einer Reise, die er im Frühjahr 2018 mit seinen Söhnen Daniel und Julian, letzterer ist ebenfalls Optiker, nach Uganda unternommen hatte. Sie hat sein Leben verändert.
Wie seinerzeit in der SZ berichtet, flogen die Walzers nach Afrika, um im Rahmen der Hilfsinitiative „OneDollarGlasses“vor Ort Menschen mit Sehschwäche zum Preis von einem Dollar eine Brille zu ermöglichen. Doch sehr schnell sei deutlich geworden, dass es damit nicht getan ist, schildert Walzer: „Wir haben Untersuchungen durchgeführt, Brillen angepasst, doch vor allem bei Kindern sind wir mit unseren Messungen in manchen Fällen nicht mehr weitergekommen.“
Grund dafür war eine erschütternde Diagnose: Grauer Star. Was in Deutschland eher ältere Menschen betrifft, sei in Uganda ein Problem auch für Kinder oder sogar Säuglinge: „Manche Babys kommen mit grauem Star auf die Welt, weil ihre Mütter an Röteln erkrankt waren, bei anderen ist Mangelernährung die Ursache“, erklärt Walzer.
Allein mit Brillen kann diesen Patienten nicht geholfen werden: „Sie müssen in eine Klinik, eine Operation ist nötig, und bei Kindern muss man rasch reagieren, damit im sich noch entwickelnden Gehirn schnellstmöglich die Reize ankommen, die ein Sehen im späteren Leben ermöglichen.“Kinder mit Sehschwäche seien sozial dramatisch benachteiligt, im schlimmsten Fall gingen sie selbst in ihren Familien unter, würden gar nicht erst auf Schulen geschickt, weil sie nicht lernen können. Armut oder gar der Tod seien die Folge.
Weil eine Augenoperation 250 Dollar kostet, die Familien für ihre Kinder nicht aufbringen können, bat Walzer 2018 noch von Uganda aus Freunde und Bekannte in Deutschland via Facebook um Hilfe für sieben Kinder, bei denen er ein Handeln für dringend geboten hielt: „Der Spendenaufruf ist auf große Resonanz gestoßen, wir konnten relativ schnell die OPs finanzieren, und den Kindern geht’s jetzt gut“, erzählt Walzer.
Um umgehend auf ein „Schlüsselerlebnis“zu kommen, das er noch vor Ort in der ugandischen Stadt Jinja gehabt habe, gelegen am Ursprung des Nil’. Ein Pastor, David mit Namen, habe ihm bescheinigt: „Es ist toll, was ihr macht – aber die Schlange wird nicht kleiner werden.“Zu viele Bedürftige gäbe es, als dass ein zweiwöchiger Hilfseinsatz auch nur ansatzweise ausreichen würde.
„Das kann’s nicht gewesen sein“
Die Erkenntnis, dass viele weitere Kinder Hilfe benötigen, habe in Verbindung mit den sieben erfolgreichen Operationen bei ihm „etwas ausgelöst“, sagt Walzer: „Das kann’s nicht gewesen sein.“Zurück in Deutschland beschloss der Optiker mit Junior Julian: „Lasst uns einen Verein gründen.“Dafür wurde ein Neffe mit ins Boot geholt, der als Steuerberater arbeitet, und Walzers zweiter Sohn Daniel. Er ist Wirtschaftspsychologe und internetaffiner, „digitaler Nomade“, der weltweit als Coach, Trainer und Berater arbeitet und seit mehreren Jahren „Pate“eines Slum-Kinds in Uganda ist.
„Jetzt haben wir eine Organisation, wir können Spendenquittungen ausstellen, das Amtsgericht Ulm hat am 6. Dezember 2018 die Gemeinnützigkeit des Vereins bestätigt, er hat seinen Sitz in Isny und heißt wie das Motto unseres Ladens: Wir helfen sehen“, freut sich Walzer. Rund 15 Unterstützer fand er im engen Familienund Freundeskreis, eine Website wurde aufgebaut, „über die wir Fördermitglieder gewinnen und mit denen wir wachsen wollen, dazu stellen wir Infos über das Projekt und aktuelle Berichte bereit, richten ein Newsletter-System ein und hoffen auf Partnerschaften mit Firmen, deren Philosophie die Übernahme sozialer Verantwortung beinhaltet“, skizziert Walzer die nächsten Schritte.
Erfahrene Partner in Afrika
Zu Pfingsten plant er die nächste Reise nach Afrika. Er will vor Ort „nachhaltigere Strukturen aufbauen und dafür sorgen, dass die Augenuntersuchungen weitergehen“. Mit der Hilfsorganisation „22 Stars“, die sich schon lange in Uganda engagiert, habe er einen Partner, dessen Arbeitsweise er kenne – schon durch die Slum-Kinder-Patenschaft seines Sohnes.
Vor allem aber dank Menschen, die Walzer während der Zusammenarbeit bei „OneDollarGlasses“kennengelernt hat. Etwa Pastor David in Jinja, der nicht nur Ideengeber für den „Wir helfen sehen e.V.“ist, sondern als Projektmanager für „22 Stars“arbeitet. „Wenn ich vor Ort Bescheid weiß, wer Untersuchungen macht, woher Brillen geliefert werden, wie Menschen nach Operationen betreut werden, und dass das alles im finanziellen Rahmen bleibt“– sprich: ein kontinuierlicher Informationsfluss aus Uganda nach Isny garantiert ist – wollen die Walzers ihre Hilfe intensivieren.
Der Start des jungen Hilfsvereins sei jedenfalls vielversprechend: Bei einer Weihnachtsaktion seines Ladens in Isny wurden von jeder verkauften Brillenfassung zehn Prozent für das Hilfsprojekt gespendet: „Ein Betrag von 2855,50 Euro ging direkt auf das Spendenkonto – damit können zum Beispiel vier Augenoperationen, 20 Brillen und 54 Augenuntersuchungen finanziert werden“, rechnet Walzer zusammen. Das ist der ortsübliche Preis, den Optiker in Uganda berechnen, wenn sie eine Brille individuell anpassen (im Gegensatz zur Initiative „OneDollarGlasses“). Optiker Walzer blickt bereits optimistisch in die Zukunft: „Wir streben auch andere Projekte in anderen Ländern mit anderen Partnern an.“
Mehr Infos über die Hilfsprojekte für Uganda gibt es im Internet unter www.wirhelfensehen.de und www.22stars.com