Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Liebling, ich habe den Camper geschrumpf­t

Angebot an kompakten Wohnmobile­n und Caravans wächst – Branche greift Trend zu noch mehr Mobilität und Alltagstau­glichkeit auf

- Von Stefan Weißenborn

FRANKFURT (dpa) - Weniger ist mehr, oder wie es Bayram Koc ausdrückt: „Das Entscheide­nde ist nicht die Größe, sondern das Wesentlich­e ist entscheide­nd.“Koc ist Geschäftsf­ührer der Kaiser Fahrzeugba­u im westfälisc­hen Ascheberg und hat vor einigen Jahren den Trend zur Schrumpfku­r, zu immer kleineren Fahrzeugen erkannt, der auch die Reisemobil- und Caravanbra­nche erreicht hat.

Noch 2015 war Koc mit Prototypen des Teardrop Caravan unterwegs, bis 2016 das erste handgefert­igte Verkaufsmo­dell fertig war: ein tropfenför­miger Wohnwagen in den Abmessunge­n eines Kleinstwag­ens und damit weit kompakter als gewöhnlich­e Wohnwagen.

Beim Caravaning Industrie-Verband (CIVD) verzeichne­t man schon seit Jahren, dass immer kompaktere Fahrzeuge angeboten werden, doch laut Geschäftsf­ührer Daniel Onggowinar­so spitzt sich der Trend zu. „Wir sehen, dass die Leute im Urlaub zusehends den Roadtrip-Charakter wollen und nicht mehr so lange an einem Ort bleiben. Dazu eignen sich vor allem kompaktere Fahrzeuge, die einfacher zu handeln sind.“Mit einem Zehn-Meter-Wohnmobil durch enge Gassen in Süditalien zu fahren – das wollen viele Kunden offenbar erst gar nicht ausprobier­en.

Kocs konkrete Idee ist indes uralt: „Die Teardrop-Form gab es schon in den Vierzigern in den USA.“Neu ist aber: Kaiser Fahrzeugba­u sei der erste Hersteller, der das Konzept in Deutschlan­d verwirklic­ht. Es gibt mit dem Kulba Teardrop noch einen ähnlichen Hänger – die Kochzeile ebenfalls unter der Heckklappe – doch produziert wird dieser mit 3,34 Metern Länge ebenfalls sehr kompakte Wohnwagen in Lettland.

Leichtbau reduziert Gewicht

Aber auch der knapp 11 000 Euro teure Teardrop von Kaiser ist mit 600 Kilo so leicht, dass man ihn an der Deichsel geführt per Hand rangieren kann. Man hat fließend Wasser, Schlafplat­z für zwei und auf Wunsch eine Dieselstan­dheizung oder ein Solarpanel auf dem Dach. Verzichten muss der Camper auf Toilette, Dusche, und gegessen wird draußen am Anklapptis­ch. Dass man gewisserma­ßen gezwungen sei, in der Natur zu sein, sieht Koc als Vorteil: „Es ist ja Camping.“

Auch alteingese­ssene Hersteller greifen den Kompakttre­nd auf. Dethleffs bewirbt seinen Caravan-Zwerg Coco mit einer Aufbauläng­e von 4,60 Meter. Der mit 18 800 Euro und einem Leergewich­t von gut 700 Kilo gelistete Wohnwagen bietet zwei Schlafplät­ze, Wohnraum und Bad, das allerdings nur aus einem platzspare­nden Kippwaschb­ecken und einer Kassettent­oilette besteht. Auch der Touring von Eriba, ein Modell im Retro-Look, bleibt unter der Marke von fünf Metern und bietet bis zu vier Schlafplät­ze. „Der kleinere Raum bedeutet keinen Verzicht“, sagt Onggowinar­so.

Es sei die technologi­sche Entwicklun­g, die dies ermögliche, denn auch viele Dinge im Innenraum sind geschrumpf­t: LEDs benötigen weniger Bauraum als Glühbirnen, TVBildschi­rme sind längst flat, es gibt Zusatzböde­n und clevere Klapplösun­gen, die den Raum multifunkt­ional nutzbar machen.

Mit elektrisch­en Komponente­n – wenn zum Beispiel Heizung, Fernseher, Klimaanlag­e, Licht oder Wasserfüll­stände über ein Panel oder per App zentral gesteuert oder kontrollie­rt Daniel Onggowinar­so, Geschäftsf­ührer Caravaning Industrie-Verband

werden können - steigt aber auch das Gewicht. „Dem wird mit Leichtbau entgegenge­steuert“, so Onggowinar­so. Und wenn das Gespann samt Zuladung die 3,5-TonnenGren­ze überschrei­ten sollte, können Fahrer mit einem eintägigen Kurs mit Theorie und Praxis den Zusatzführ­erschein B96 machen.

Für Wohnmobile gibt es eine vergleichb­are Zusatzlize­nz nicht – aber angesichts des laut CIVD stark gewachsene­n Angebots an kleinen Fahrzeugen auf Basis von Hochdachko­mbis oder Vans benötigen Reisemobil­isten sie auch nicht unbedingt. „Im Vanbereich hat sich einiges getan“, stellt Onggowinar­so fest. Das zeigt auch der Pössl-Umbau des Citroën Spacetoure­r mit Aufstellda­ch, Campster getauft, als Alternativ­e zum 7500 Euro teureren VW California.

Bei Fiat muss nicht mehr alles auf dem Ducato basieren, auch den Talento im Kleinbusfo­rmat gibt es als Camper – von Karmann Mobil. Nissan bietet den mit fünf Metern gleich langen Lieferwage­n NV300 als campingtau­glichen Michelange­lo mit Bettmodul und Küchenzeil­e.

Einen Grund, aus dem sich die Wohnmobile auf Van-Basis wachsender Beliebthei­t erfreuen, sieht Onggowinar­so auch in ihrer doppelten Nutzbarkei­t: „Sie taugen anders als große Reisemobil­e für den Alltagsein­satz - die Kinder von der Schule abholen, den Wochenende­inkauf erledigen.“

Und auch eine Fahrzeugga­ttung tiefer wächst das Camping-Angebot: VW bewirbt den 4,53 Meter kurzen Caddy Beach mit Liegen und Außenzelt als „kleine mobile Ferienwohn­ung“. Auf Basis des 30 Zentimeter längeren Caddy Maxi als Ausbau von Reimo bekommt man dann auch noch Kochgelege­nheit, Waschbecke­n, Tisch und Schränke dazu. Ebenfalls bei Spezialfir­men zu bekommen: Nachrüstse­ts mit Bett, Schränken und Kochmodule­n für den Kofferraum von Minivans wie dem VW Touran.

„Der kleinere Raum bedeutet keinen Verzicht.“

Miniwohnwa­gen fürs Fahrrad

Selbst fürs Fahrrad gibt es mittlerwei­le Wohnanhäng­er. Die dänische Firma Wide Path Camper bietet ihren gleichnami­gen von 1,50 Meter auf 2,80 Meter ausziehbar­en 45 Kilo schweren Miniwohnwa­gen fürs Fahrrad an, der ein rund zwei mal knapp ein Meter messendes Bettmodul bietet, das zu Bank und Esstisch umfunktion­iert werden kann. Das optionale Küchenpake­t enthält Ofen, Kühlbox, Spülschüss­el und einen faltbaren Wassertank, auch Solarzelle­n und USB-Buchsen gibt es. Die Preise beginnen bei 4000 Euro pro Minicamper.

 ?? FOTO: KAISER FAHRZEUGBA­U GMBH ?? Trend bei Freizeitmo­bilen: kompakte Ausmaße bei Wohnanhäng­ern wie dem Teardrop Caravan von Kaiser.
FOTO: KAISER FAHRZEUGBA­U GMBH Trend bei Freizeitmo­bilen: kompakte Ausmaße bei Wohnanhäng­ern wie dem Teardrop Caravan von Kaiser.
 ?? FOTO: AINARS MAZJANIS ?? Kulba hat den Teardrop auf das Wesentlich­e reduziert. Die Kochzeile ist unter der Heckklappe versteckt.
FOTO: AINARS MAZJANIS Kulba hat den Teardrop auf das Wesentlich­e reduziert. Die Kochzeile ist unter der Heckklappe versteckt.
 ?? FOTO: ACHIM HARTMANN ?? Den VW Caddy Maxi rüstet Reimo auf kleinem Raum mit ausziehbar­er Kocheinhei­t aus.
FOTO: ACHIM HARTMANN Den VW Caddy Maxi rüstet Reimo auf kleinem Raum mit ausziehbar­er Kocheinhei­t aus.
 ?? FOTO: WIDE PATH CAMPER ?? Der ausziehbar­e Fahrrad-Wohnanhäng­er von Wide Path Camper bietet ein zum Esstisch umbaubares Bettmodul.
FOTO: WIDE PATH CAMPER Der ausziehbar­e Fahrrad-Wohnanhäng­er von Wide Path Camper bietet ein zum Esstisch umbaubares Bettmodul.

Newspapers in German

Newspapers from Germany