Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Triumph auf dem zweiten Bildungswe­g

Radprofi Primoz Roglic, bis zu einem Sturz in Planica veritabler Skispringe­r, ist auf dem besten Weg zum Giro-Sieg

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SAN MARINO (SID) - Ohne gute Nachbarsch­aft wäre der Giro d’Italia für Primoz Roglic wohl immer unerreichb­ar geblieben. Der Traum vom Fliegen hatte sich für den Skispringe­r auf schmerzhaf­te Weise zerschlage­n, und auch das Talent, Berge förmlich hinaufzusc­hweben, drohte ohne eigenes Rad ungenutzt zu bleiben. „Ich habe mir dann eines von meinem Nachbarn geliehen. Es war kein Renn-, sondern ein normales Straßenrad. Im Wettkampf war das fürchterli­ch“, erinnerte sich Roglic.

Bei Duathlon-Wettkämpfe­n suchte Roglic nach dem unfreiwill­igen Ende seines ersten Sportlerle­bens eine neue Herausford­erung. Eine Windböe hatte den frischgeba­ckenen Junioren-Weltmeiste­r im Training zum Weltcup-Fliegen in Planica von den Brettern geholt, den Anschluss nach ganz oben stellte Roglic nach dem Unglück im März 2007 nie wieder her.

Der schwere Sturz sollte sich dennoch als großes Glück herausstel­len. „Ich wollte der beste Skispringe­r der Welt werden, der Traum hat sich nicht erfüllt“, sagt Roglic. „Deshalb habe ich umgedacht und etwas anderes gemacht.“Über den Duathlon führte sein Weg vor sieben Jahren zum Radsport, das Straßenrad des Nachbarn ersetzte er durch ein eigenes Wettkampf-Bike, nach einem Jahr wurde er Profi – und mittlerwei­le hat er es auf dem zweiten Bildungswe­g zu einem der Weltbesten gebracht. Der Profi vom Team Jumbo-Visma ist nicht erst seit seinem dominanten Erfolg beim Einzelzeit­fahren der neunten Etappe am Sonntag erster Anwärter auf den Gesamtsieg beim 102. Giro.

Drei Etappenren­nen, drei Erfolge

Primoz Roglic hat eine Karriere wie aus dem Märchenbuc­h hingelegt. Die Saison 2019 bildet dabei den vorläufige­n Höhepunkt. Vor der ItalienRun­dfahrt absolviert­e der 29-Jährige drei Etappenren­nen (UAE Tour, Tirreno-Adriatico und Tour de Romandie) – er gewann alle drei. Es spricht einiges dafür, dass Roglic – im Vorjahr Gesamtvier­ter der Tour de France – beim Giro den nächsten Triumph einfährt und erstmals eine große Landesrund­fahrt gewinnt. Roglic ist der Konkurrenz schon vor den schweren Bergetappe­n enteilt – seiner Qualität im Kampf gegen die Uhr sei Dank.

„Der Sieg ist keine Überraschu­ng für mich, es war ein Zeitfahren“, sagte er nach dem Erfolg in San Marino, dem zweiten Zeitfahrsi­eg beim Giro 2019: „Aber solange das Rennen läuft, kann noch so viel passieren. Es ist nicht vorbei, bis wir den Zielstrich in Verona erreichen.“

Trotzdem: Das Magila Rosa, das Trikot des Gesamtführ­enden, dürfte Roglic dem Italiener Valerio Conti (UAE Team Emirates) spätestens in den Bergen entreißen. Und dann? Verteidige­n! Schließlic­h hat Primoz Roglic einen – neuen – Traum.

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