Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
AfD-Vorstand will Auflösung des „Flügels“
Höcke soll sich erklären – Landtagsabgeordneter Gedeon muss Partei verlassen
BERLIN (dpa) - Der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte „Flügel“soll sich nach dem Willen der AfD-Parteispitze auflösen. „Der Bundesvorstand erwartet als Ergebnis des morgigen „Flügel“Treffens eine Erklärung darüber, dass sich der informelle Zusammenschluss „Flügel“bis zum 30.04.2020 auflöst“, heißt es in einem Beschluss, den das Gremium am Freitag in Berlin verabschiedete.
Der Beschluss fiel nach Angaben aus Parteikreisen mit elf Ja-Stimmen, einer Enthaltung und einer NeinStimme deutlich aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte in der vergangenen Woche erklärt, der „Flügel“sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte.
Nach Angaben aus Parteikreisen schlug AfD-Chef Jörg Meuthen zunächst vor, der „Flügel“solle sich bis zum Monatsende auflösen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, stieß die Auflösungsidee bei mehreren Teilnehmern generell auf Zustimmung. Die Frage, wie und wann dies erfolgen sollte, sei allerdings sehr kontrovers diskutiert worden.
Neben Thüringens Landeschef Björn Höcke gilt Brandenburgs Landesvorsitzender Andreas Kalbitz als wichtigste Führungsperson des „Flügels“. Kalbitz ist Mitglied des Bundesvorstandes und nahm den Angaben zufolge an der Sitzung teil.
Kritiker des „Flügels“innerhalb der AfD befürchten, dass die gesamte Partei demnächst vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft werden könnte. Sie argumentieren, da der „Flügel“keine formale Mitgliedschaft
kenne, sei eine Abgrenzung zur Gesamtpartei schwierig.
Höcke hatte zudem zuletzt mit der Äußerung, bestimmte Leute sollten „allmählich auch mal ausgeschwitzt werden“, den Unmut etlicher AfD-Funktionäre auf sich gezogen. Vor der Sitzung des Vorstandes hatten mehrere Spitzenfunktionäre der Partei aus den westlichen Landesverbänden in internen Schreiben an Meuthen und Chrupalla Maßnahmen gegen Höcke gefordert. Nun soll Höcke sich bei der nächsten Vorstandssitzung am 17. April erklären.
„Wer den ,Flügel’ weiter wie in der Vergangenheit gewähren lässt, gefährdet die Zukunft der gesamten AfD“, sagte Hamburgs AfD-Chef Dirk Nockemann. Der „Flügel“müsse aufhören, aus einer Minderheitsposition eine gefühlte Mehrheit zu machen, die die Partei dominiere. Nockemann forderte Höcke und Kalbitz „zu einer vollständigen Einstellung aller ,Flügel’-bezogenen Aktivitäten“auf.
Kalbitz muss aus Sicht seiner Kritiker zudem belegen, dass er früher nicht Mitglied der inzwischen verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) war. Er selbst bestreitet dies. Die rechtsextreme Gruppierung steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD.
Erleichterung bei Meuthen und Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel löste am Freitag eine Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der AfD aus, dass der badenwürttembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon die Partei verlassen muss. Gedeon sieht sich Antisemitismus-Vorwürfen ausgesetzt. Dass Gedeon nun wegen parteischädigenden Verhaltens aus der AfD ausgeschlossen werde, sei ein „so überfälliges wie richtiges und wichtiges Zeichen“, sagte Meuthen. Gedeon habe der Partei mit seinen „israelfeindlichen und antisemitischen Positionen über Jahre schweren Schaden zugefügt“, betonte Meuthen. Weidel, die auch Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbandes ist, sagte: „Ich bin froh, dass der Ausschluss nun endgültig erfolgt ist“.